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Franz Brosinger: „Auf Risikostandorten ist mit der Fichte künftig keine geregelte Waldwirtschaft mehr möglich.” © Forstassessor Peter Liptay

Zauberwort Waldumbau

Ein Artikel von Forstassessor Peter Liptay | 13.07.2009 - 13:57
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Franz Brosinger: „Auf Risikostandorten ist mit der Fichte künftig keine geregelte Waldwirtschaft mehr möglich.“ © Forstassessor Peter Liptay

An die 250 Besucher - darunter viele Waldbesitzer und Forstpraktiker - an der Veranstaltung der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) am Campus Weihenstephan zeigten das große Interesse, aber auch die Besorgnis über den Brotbaum der bayerischen Forstwirtschaft. MR Franz Brosinger, Referat Waldbau und Nachhaltssicherung beim Bayerisches Staatsministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten (StMLF), unterlegte zu Beginn, dass die Fichte mit Abstand die Wirtschaftsbaumart Nummer eins in Bayern sei.

Nach der BWI II von 2002 nimmt sie 45 % der bayerischen Waldfläche ein. Mit 500 Mio. Vfm beträgt der Anteil am Vorrat 54 % und derjenige am Holzeinschlag sogar über 70 %. Von Natur aus wäre die Fichte nur mit geringen Anteilen am Waldaufbau beteiligt. „Es hat in der Geschichte der Fichtenwirtschaft immer wieder Schadereignisse gegeben”, sagte Brosinger. „Doch haben die Sturm- und Borkenkäferschäden in den vergangenen Jahren an Häufigkeit und Schadhöhe zugenommen. Auf Risikostandorten - vor allem bei Trockenstress - ist mit der Fichte künftig keine geregelte Waldwirtschaft mehr möglich. Waldumbau heißt das Zauberwort.”

Markt nicht überschwemmen

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Dauerwaldähnliche Strukturen und Laubholzanteile erhöhen die Stabilität in Fichtenbeständen © Forstassessor Peter Liptay

Zum Umbau sei eine rechtzeitige Verjüngung der Bestände vonnöten, was aber nur mit angepassten Schalenwildbeständen funktioniere. 15 Mio. € habe die bayerische Landesregierung für den Waldumbau bereitgestellt. Bis 2020 sollen 10.000 ha/J in Bayern umgebaut werden. Josef Spann, Vorsitzender des Bayerischen Waldbesitzerverbandes, warnte vor Aktionismus. „Wenn der Umbau der Fichte noch schneller voranschreitet, werden wir den Markt überschwemmen”, meinte er. Der Laubholzanteil der unter 20-jährigen Bestände in Bayern habe bereits 20 % erreicht.

Waldbau wie an der Börse

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Thomas Knoke: „Derzeit fehlen die Absatzmärkte für große Laubholzmengen.“ © Forstassessor Peter Liptay

„Waldbestände sind wie Aktien, die Technik der Risikostreuung funktioniert jedoch besser als an der Börse. Vor allem durch kleinflächige Beimischungen lassen sich Stabilitätseffekte herbeiführen”, erläuterte Univ.-Prof. Dr. Thomas Knoke, Leiter des Fachgebietes Waldinventur und nachhaltige Nutzung an der TU München. Den finanziellen Verlust in Fichtenbeständen durch Ertragsausfälle infolge des Klimawandels schätzte er auf jährlich zwischen 8 und 12 €/ha.

Knoke sprach sich für naturnahe Waldbaustrategien als Alternative zur Verkürzung der Umtriebszeit aus. Bei der Überführung in Laubholzbestände sei zu beachten, dass die Märkte für große Laubholzmengen derzeit nicht existieren. Knoke erzählte, dass ihm gerade bei Vorträgen in Österreich oft die schlechte Absetzbarkeit der Buche als Einwand gegen den Umbau von Fichtenwäldern entgegengebracht würde. Allerdings helfe der Brennholzboom bei der Laubholz-Vermarktung.

Aus der Praxis der Fichtenbewirtschaftung in einem Fichtenoptimum im Allgäu berichtete Harald Husel vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kaufbeuren: „Zielkonforme Fichtenbestände vermeiden enge Standräume und hohe Stückzahlen. Nach der Gruppenschirmstellung liefern sie eine Struktur durch biologische Automation.” Im Allgäu nehme der Umbau von Fichtenreinbeständen in standortsangepasste Mischbestände breiten Raum ein. Der Grundsatz früh, mäßig und oft sei in der Fichtenpflege nach wie vor die goldene Durchforstungsregel.

Dr. Christian Kölling, Leiter Sachgebiet Standort und Bodenschutz der LWF, warnte davor, den Klimawandel zu bagatellisieren. Bereits eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur von 1,8° C im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter führe dazu, dass 84 % anstatt bisher 14 % der bayerischen Wälder in Gebieten mit einer Jahresdurchschnittstemperatur \> 8,3° C wüchsen. Auf 34 % der Waldflächen wäre es dann sogar im Schnitt wärmer als 9,9° C. „Für diese Bedingungen haben wir keine forstliche Erfahrung”, unterstrich Kölling. Damit könnte der Fichtenanteil in Bayern bis 2100 auf 23 % sinken.

Gastbaumarten kein Tabu

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Christian Kölling: „Es könnten Klimabedingungen auftreten, mit denen wir keinerlei waldbauliche Erfahrung haben.“ © Forstassessor Peter Liptay

Angesichts der Unsicherheiten, wie heimische Baumarten diese Veränderungen bewältigen können, solle der wissenschaftlich begleitete Versuchsanbau von Gastbaumarten kein Tabu sein, erklärten Dr. Martin Bachmann, LWF, und Dr. Monika Konnert, Leiterin des Bayerischen Amtes für Saat und Pflanzenzucht. Als vielversprechend stuften sie vor allem Küstentanne, Esskastanie, Schwarzkiefer, Douglasie und Roteiche ein.

Forstberatung mit Sympathie

In einem humorvoll gestalteten Dialog gaben Alfons Leitenbacher, Leiter des Referates Privat- und Körperschaftswald des StMLF, und Stefan Theßenvitz, Thessenvitz Marketing, Anleitungen, die Erkenntnisse zum Klimawandel in die Forstpraxis umzusetzen. Leitenbacher bedauerte, dass 80 % der Waldeigentümer erst nach einem Schadereignis der Gedanke an eine neue Baumartenwahl komme. Theßenvitz empfahl dem Forstpersonal, an Kommunikation und Sympathie als Grundkompetenzen zu arbeiten: „Nur vormachen und Recht haben reicht nicht.”