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Robert Malczyk © Nöstler

Gigantische Bauwerke

Ein Artikel von Administrator | 05.01.2004 - 00:00
Holz ist der Rohstoff der Zukunft - es ist nachwachsend, vielseitig verwendbar und einfach einsetzbar, zeigte sich SC DI Gerhard Mannsberger beim Internationalen Holzbauforum in Garmisch-Partenkirchen/ DE vor rund 1000 Teilnehmern bei seiner Eröffnungsrede überzeugt. „Mit der EU-Erweiterung ab 1. Mai wird die Waldfläche um 25% anwachsen, das Holzvolumen nimmt um 47% auf 20 Mrd. m³ zu”, erläuterte Mannsberger die zukünftige Holzmenge in der EU.
Der Pro-Kopf-Verbrauch von Holz liegt bei den EU-Beitrittsländern bei 0,1 m³ - hier gibt es noch enormen Aufholbedarf. „Die Holzverarbeitung ist eine Branche mit grandioser Zukunft ohne Probleme”, meinte Mannsberger. Er ortet nach dem Beitritt der Ostländer einen Wettbewerb beim Rohholz, so dass es zu einem Defizit in den Beitrittsländern kommen könnte.
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Robert Malczyk © Nöstler

Holzbau forcieren. Die weiteren Referenten zeigten am Holzbauforum vom 10. bis 12. Dezember die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Holz am Bausektor auf. Entwicklungen der Bauwirtschaft sowie brandschutztechnische Vorkehrungen bei Holzbauten rundeten das Vortragsprogramm ab.
Über die wirtschaftliche Entwicklung und Perspektiven der Bauwirtschaft berichtete Prof. Bernd Schips von der Konjunktur-Forschungsstelle der ETH, Zürich/CH (sh. Leitartikel S. 3). Über die Kombination von Tradition und High-tech im kanadischen Holzbau referierte Robert Malczyk, Pricipal Equilibrium Consulting, Vancouver/CA. Obwohl Holz in den USA und Kanada eine lange Tradition in der Bauwirtschaft habe, setzte in den vergangenen Jahren ein Umdenken ein. Nun werden mehr und mehr die in Europa mittlerweile üblichen High-tech-Verfahren für die Vorfertigung und den Einsatz von Holz verwendet.
„In Bezug auf Design und Fertigung beim Holzbau lassen sich die neuen Technologien in 3 Bereichen erkennen: in Design und Detaillösungen, Verbindungs-Möglichkeiten und Fertigungs-Prozesse”, erläuterte Malczyk. Die Neuheiten bei Design und Detail betreffen die Computer-Software. In Kanada seien diese für Ingenieure zur Zeit nicht erhältlich. Equilibrium Consulting arbeitet eng mit dem Software-Hersteller Dlubal, Tiefenbach/ DE, zusammen, um die Programme in Nordamerika einzuführen.
„Bei den neuen Holzverbindungen ist die Lücke zwischen Europa und Nordamerika noch immer groß”, meinte Malczyk. In den vergangenen 40 Jahren wurde in Europa einige neue Verbindungen, wie etwa die von SFS Intec oder Bertsche, entwickelt und erfolgreich am Markt eingeführt.
Bei der Fertigung habe sich in den USA viel verändert. „Vor ein paar Jahren gab es in Britisch Kolumbien noch keine CNC-Maschinen”, erläuterte Malczyk. Jetzt gibt es 7 und ein Unternehmen hat auch in eine 5-achsige Creno-Anlage für den Zuschnitt von großen Dimensionen investiert.
Für die Olympischen Spiele 2010 in Vancouver ortet Malczyk bei den Bauvorhaben ein großes Einsatzgebiet für Holz. In den nächsten 5 bis 6 Jahren sollen 18 Stadien realisiert werden.
Für Sportbegeisterte. Die Umsetzung eines Sportzentrums in Holzbauweise für 7000 Zuseher präsentierte Tero Kiviniemi, YIT Construction, Helsinki/FI. Die Joensuu-Halle wird im Jänner fertig gestellt und ist mit 150 m Länge, 110 m Breite und 31 m Höhe das größte Holzgebäude Finnlands. „Neben sportlichen Ereignissen wie Fußball, Basketball und Baseball wird die Halle auch für Messen, Konzerte oder Ausstellungen genutzt werden”, erläuterte Kiviniemi. YIT Construction wurde von der Stadt Joensuu als Generalunternehmer beauftragt. Die Gesamtinvestition liegt bei 10,7 Mio. €.
Die maximale Spannweite des ovalen, kuppelförmigen Gebäudes beträgt 145 mal 100 m. Das Haupttragwerk führte man mit Gluelam und Kerto-LVL aus. In Summe wurden 1400 m³ Holz und 150 t Stahl verarbeitet. Der Brandwiderstand für das Primär-Tragwerk wurde mit 30 Minuten, für das Sekundär-Tragwerk mit 15 Minuten festgelegt. Innerhalb von 6 Monaten wurde die Halle samt Dach aufgestellt.
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Auditorium in Rom bietet Platz für knapp 7600 Menschen © Nöstler

Città della musica. Ein weiteres Ingenieurholzbau-Projekt wurde von Dr. Ing. Attilio Marchetti Rossi, Holzservice Bautechnik, Pesaro/IT, vorgestellt. Nach einer Bauzeit von 3 Jahren wurde das Auditorium in Rom/IT fertig gestellt. Rossi war mit dem Bau-Management des Auditoriums betraut.
Das Projekt umfasst 3 Gebäude: 2700, 1200 und 750. Die Namen richten sich nach der Personen-Anzahl, die in der jeweiligen Halle Platz finden.
Bei den 3 Gebäuden wurden 1500 m³ Leimholz, 1000 t Stahl sowie 9000 m² Plattenwerkstoffe verarbeitet. Der Entwurf für das Auditorium stammt von Stararchitekt Renzo Piano, mit der Durchführung wurde K’ANN, Reuthe, beauftragt. Die 3 käferförmigen Konzertsäle umfassen eine Arena für Openair-Vorstellungen, die für 3000 Besucher Platz bietet.
Dank des hohen Vorfertigungsgrades und der 18 Stunden-Tage konnten die Säle bis zum Dach in 6 Monaten aufgestellt werden. Die seitlichen Wandkonstruktionen wurden außen in Form von Locken ausgeführt, um den Schallschutz in den Hallen zu verbessern.
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Michael Keller © Nöstler

Holz verdrängt Stahl. Laut Planung sollte die Konstruktion der Dächer des Gerichtshofes in Antwerpen/BE in Stahl gebaut werden. Da diese Ausführung aber zu schwer wurde und keine Vorfertigung möglich war, konnte Holz den Vorzug gewinnen. Den Teilnehmern am Holzbauforum in Garmisch-Partenkirchen wurde das gigantische Bauvorhaben des Gerichtshofes in Antwerpen vom Leiter des Gesamtvertriebes von Merk Holzbau, Aichach/DE, DI (FH) Michael Keller, vorgestellt. Merk konnte den Auftrag für sich gewinnen, aufgrund voller Auftragsbücher vergab man die Holz-Konstruktion an Speich Hinkes Lindemann, Hannover/DE.
Die Gebäudes des Gerichtshofes bestehen aus 6 Flügeln mit Einzeldächern in Zeltform, die jeweils eine Höhe von 6 bis 7 m besitzen. Die Hauptzelte ragen bis 18 m in den Himmel. Jedes Holzdach besteht aus 4 doppelt gekrümmten Dächervierteln, die auf Stahlträgern aufgesetzt wurden. Die Schalen werden aus mehrlagigen, gekreuzten und abwechselnd durchlaufenden, keilgezinkten Lamellen aus Fichte in einem Lehrgerüst verleimt und vernagelt.Hohe Anforderungen. „Aufgrund der hohen Anforderungen des Bauherren lag die Ausbeute bei den Lamellen unter 10%”, erläuterte Keller. Als Holzart wurde Fichte gewählt. Holzmerkmale wie Harzgallen oder Äste musste ausgekappt und keilgezinkt oder ausgeflickt werden. Die Auftragssumme für die Holzdächer beträgt etwa 3,5 Mio. €, alleine 550.000 € wurden nur für das Ausflicken aufgebracht.
Die Produktion der Holzdächer erfolgt vor Ort in einer angemieteten Halle in Antwerpen, da das Transport zu aufwändig und zu teuer sei. Auf die Tragkonstruktion wird nach außen hin Bitumenpappe aufgebracht, anschließend folgt die Dämmung und die Edelstahl-Deckung. 30 Mitarbeiter produzierten im 2-Schicht-Betrieb eine Schale pro Tag. Per Schiff werden die Dächer zur Baustelle transportiert und danach montiert. Insgesamt werden 12.000 m² Dachfläche gefertigt.
Im April 2001 wurde mit dem Bau des Gerichtshofes begonnen, die Fertigstellung wird im September 2004 sein. Die gesamten Baukosten wurden mit 163 Mio. € veranschlagt.
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Christian Pöhn © Nöstler

Brandschutz in der Normenwelt. Die Brandschutz-Normen haben sich in den vergangenen Jahren von relativ überschau-baren nationalen Richtlinien zu einer Normenwelt mit zahlreichen europäischen Anforderungen gewandelt. „Hatten wir beispielsweise in Österreich 4 Klassifikationsperioden von F 30 bis F 180 gekannt, so werden wir in Zukunft mit 10 Perioden von 15 bis 360 Minuten konfrontiert”, erläuterte DI Dr. Christian Pöhn, Leiter des Bauphysiklabors in der Versuchs- und Forschungsanstalt der Stadt Wien (MA 39). Darüber hinaus werden einzelne Leistungskriterien wie etwa Tragfähigkeit, Raumabschluss und Wärmedämmung einzeln angeführt, was zu einer fast unüberschaubaren Anzahl von Klassen führt.
„Dies soll aber nicht zur Verzweiflung, sondern zum rechtzeitigen Kennenlernen der neuen Prüfungen, Klassen und Systeme führen”, meinte Pöhn. Als Struktur der europäischen Prüfnormen zeigt Pöhn folgende Normenserien zur leichteren Verständlichkeit auf:
- EN 1634: Feuerschutz-Anschlüsse (Türen und Tore)
- EN 1364: nicht tragende Bauteile
- EN 1365: tragende Bauteile
- EN 1366: Installationen
- EN 13381: brandschutztechnische Ertüchtigung
Für die bereits erschienenen Prüfnormen für nicht tragende und tragende Bauteile fehlen noch die entsprechenden Klassifikations-Normen. Es bestünde auch die Möglichkeit, die Bemessung nach den Eurocodes durchzuführen. „Dabei werden zwar die Tragfähigkeit und die Wärmedämmung berücksichtigt, nicht aber der Raumabschluss”, erklärte Pöhn.
Mehrgeschossiger Holzbau. „Um vielgeschossigen Holzbau unter heutigen Bedingungen zu ermöglichen, muss man die brandschutztechnischen Risiken kennen und objektiv beurteilen”, meinte Univ.-Prof. Dr.-Ing. Stefan Winter, Universität Leipzig/DE. So können etwa feuerhemmende Bauteile oder Gebäudeabschlusswände in F 30-B/F 90-B die geforderte Feuerwiderstands-Dauer nur erreichen, wenn auch ihre aussteifenden Bauteil mindestens der gleichen Klasse angehören. Brandschutzanstriche der Stahlbauteile sollten im Holzbau wegen des erhöhten Aufwandes vermieden werden. Der Einsatz brennbarer Baustoffe, wie zum Beispiel Zellulosefaser-Dämmung, führt nach bisherigen Erkenntnissen bei F 30-B-Konstruktionen zu keinem erhöhten Risiko gegenüber nicht brennbaren Dämmstoffen.
Die neue Muster-Holzbaurichtlinie in Deutschland stellt brandschutztechnische Anforderungen an Baustoff, konstruktive Ausbildung von Fenster, Türen sowie die Ausführung von Installationen. Für Holzbauwerke bis zur Gebäudeklasse 4 (bis 13 m hoch, Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 m²), sieht die neue Musterbauordnung vor, brandschutztechnisch gekapselte Bauteile einzusetzen.
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Josef Kolb © Nöstler

Eidgenössischer Brandschutz. Bauen mit Holz findet auch in der Schweiz sowohl bei Planern als auch bei Bauherren zunehmend Akzeptanz. Aufgrund der gültigen Normen können zuständige Behörden solche Bauten nur genehmigen, wenn sie nicht mehr als 2 Geschosse aufweisen. Um den Personen- und Sachwertschutz aufrecht zu erhalten, hat die Lignum von 1999 bis 2001 ein Gesamtkonzept erstellt, dass 2001 bis 2006 unter dem Titel „Brandsicherheit und Holzbau” zur Umsetzung gelangt. Josef Kolb, Ingenieur- und Beratungsbüro für Holz-bau Kolb, Uttwil/CH, präsentierte dieses Projekt in Garmisch-Partenkirchen. Ziel ist es, eine einheitliche Regelung in der Schweiz zu definieren und an internationale Regelwerke, auch an die EU-Normen, anzupassen.
„Wir möchten Lösungen von brand- und holzbautechnischen optimalen Gebäuden entwickeln”, erläuterte Kolb. Einen großen Stellenwert hat auch die Ausbildung an den Schulen. Bei Planern und Bauherren sollen Vorurteile wie „Holz brennt” abgebaut werden. Projektphase 1 (initiieren von Teilprojekten) wurde bereits abgeschlossen. In der Phase 2 sind zur Zeit umfangreiche Entwicklungs- und Forschungsarbeiten im Gange. An der ETH, Zürich/CH, der EMPA, Dübendorf/CH, der SH-Holz, Biel/CH, sowie an der MFPA, Leipzig/DE, werden Beurteilungsgrundlagen für Bauteile und Holzfassaden erarbeitet.
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Helmut Peherstorfer © Nöstler

Bewährte Praxis. „Wichtig ist, dass der Baustoff richtig dimensioniert ist, dann passt es”, meinte Ing. Helmut Peherstorfer vom IBS, Linz. Die Brennbarkeit alleine sei nicht das entscheidende Kriterium. Die Ursache des günstigen Brandverhaltens ist die gute Eigenschaft des Holzes, durch Verkohlung der Außenzone eine Schutzschicht zu bilden, die wegen ihrer geringen Wärmeleitfähigkeit den weiteren Abbrand erheblich verzögert.
Bei zahlreich durchgeführten Brandversuchen wurde ermittelt, dass der Anstrich von Salzimprägnierungen die Abbrand-Geschwindigkeit von Holz kaum beeinflusst. Bei behandeltem Weichholz kann maximal eine Einstufung in die Klasse „schwer brennbar” (B 1) erfolgen. Es gibt jedoch keine nennenswerte Erhöhung der Brandwiderstandsdauer. Ähnliches trifft für mondgeschlägertes Holz zu. „Wichtig ist, die Produkte richtig einzusetzen”, so Peherstorfer.