Ostansicht des neuen Kesselhauses mit Blick auf die vollautomatische Brennstoffförderungsanlage © BIOS
Die BIOS BIOENERGIESYSTEME GmbH war für die Ausführungsplanung der Biomasse-KWK auf ORC-Basis und der wasserseitigen Anlagenhydraulik verantwortlich. Die Gesamtplanungsabwicklung erfolgte in Kooperation mit den Firmen PLAN.T Steirische Energieanlagen-Enginering und Consulting GmbH und ENERTEC Naftz & Partner OEG.
Nachfolgend sind wesentliche Eckdaten des Projektes angeführt:
Die Mayr-Melnhof Holz Holding AG (MM) ist einer der größten holzverarbeitenden Betriebe in Österreich, mit einer Jahreseinschnittmenge von über 1,2 Mio. Festmeter Holz.Die Steirische Gas-Wärme GmbH (StGW) ist eines der führenden Unternehmen in Österreich hinsichtlich der Errichtung und dem Betrieb von Biomasseheiz- und -KWK-Anlagen.Am Projektstandort Leoben/Göß sind Sägenebenprodukte (vorwiegend Rinde) von MM in einem Ausmaß von mehr als 400.000 Srm/a verfügbar. Diese Menge deckt den gesamten Brennstoffbedarf der neuen KWK-Anlage ab.Zwei bereits bestehende Biomasse-Heißwasserkessel (mit einer thermischen Nennleistung von 10 MW bzw. 7 MW) werden durch die Biomasse-KWK-Leoben ersetzt und dienen als Ausfallreserve.MM benötigt zur Holztrocknung eine jährliche Prozesswärmemenge von rund 160 GWh. Zusätzlich hat ein am gleichen Standort neu errichtetes Pelletierwerk der „Holzindustrie Preding” (HIP) einen Prozesswärme-bedarf von rund 30 GWh/a für die Sägespänetrocknung. Durch diesen Wärmeverbund ist eine wärmegeführte Betriebsweise der Biomasse-KWK-Anlage und somit eine sehr hohe Gesamteffizienz erreichbar.Um eine möglichst hohe Versorgungssicherheit bezüglich Prozesswärme zu gewährleisten, hat die BKL ein Anlagenkonzept umgesetzt, das drei völlig idente Anlagenlinien parallel nebeneinander vorsieht (thermische Kesselnennleistung von jeweils 8.700 kW sowie elektrische Nennleistung von je 1.500 kW). Auf Basis der gegebenen Rahmenbedingungen für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern (österreichisches Ökostromgesetz 2002 und die zugehörige Verordnung über die Einspeisetarife von Ökostrom) hat die BKL entschieden eine Biomasse-KWK-Anlage auf Basis der ORC-Technologie zu realisieren um aus Biomasse gekoppelt Wärme und Strom zu generieren.Die Gesamtinvestitionskosten des Projekts Biomasse-KWK-Leoben betrugen rund 20,4 Mio. Euro (inklusive der Übernahme der bestehenden Biomasse-Heißwasserkessel).Im Folgenden wird das Anlagenkonzept der Biomasse-KWK-Leoben im Detail anhand der Beschreibung einer der drei baugleichen Anlagenlinien dargestellt.
Über eine vollautomatisch funktionierende Förderungsanlage wird der Brennstoff direkt von der Entrindungsanlage MM zu den einzelnen Brennstofftagesbunkern der KWK-Anlage befördert. Rund 1.000 Srm Brennstoff pro Tag werden so vollautomatisch (kein Personal- und Fahrzeugeinsatz) manipuliert. Der Biomasse-Brennstoff (Rinde) wird dann vom Tagesbunker (das Fassungsvermögen ist jeweils so groß bemessen, dass genügend Brennstoff auch bei einem 24-stündigen Stillstand der Entrindungsanlage vorrätig ist) durch hydraulische Förderer auf den Vorschubrost transportiert und dort bei einer Feuerraumtemperatur von rund 1000° C verbrannt. Die anfallende Rostasche fällt am Ende des Rostes in eine Trogkettenförderanlage, die den Weitertransport in den Aschecontainer übernimmt. Der Vorschubrost ist in drei voneinander unabhängige Bereiche unterteilt. Die einzelnen Rostzonen werden räumlich getrennt und durch je einen Ventilator mit Primärluft versorgt, wodurch eine genaue Luftmengenregelung, abgestimmt auf die einzelnen
Phasen der Verbrennung, möglich ist.
Der Feuerraum ist durch ein Zwischengewölbe in zwei getrennte Zonen, die Primär- und Sekundärverbrennungszone, geteilt, die durch einen schmalen Strömungskanal miteinander verbunden sind. Voneinander unabhängige, frequenzgeregelte Ventilatoren erlauben die Einstellung unterschiedlicher Verbrennungsluftverhältnisse in den beiden Verbrennungszonen. Durch die Luftstufung kann eine effiziente NOx-Reduktion erreicht werden.
In der Primärverbrennungszone kommt es unter Primärluftzufuhr nach der Trocknung zur Vergasung der Biomasse und schließlich zur Verbrennung der Holzkohle. Die Rauchgase gelangen danach in die Sekundärverbrennungszone, wo sie mit Sekundärluft vermischt werden. Diese Zone ist ausreichend groß dimensioniert, um einen möglichst vollständigen Ausbrand der Rauchgase und der Flugasche zu erreichen. Durch Rauchgasrezirkulation wird ein Teil der gekühlten und entstaubten Rauchgase vor Kamineintritt in den Feuerraum zurückgeführt, wodurch eine gute Temperaturkontrolle im Feuerraum gewährleistet werden kann.
Auf die Feuerung aufgesetzt ist ein stehender Thermoölkessel mit nachgeschaltetem Thermoöl-Economiser, indem der Wärmeaustausch zwischen dem Rauchgas und dem Thermoöl erfolgt. Die Thermoölanlage hat eine thermische Nennleistung von 8.700 kW, die Rauchgasaustrittstemperatur aus dem Thermoöl-ECO beträgt ca. 280°C. Um eine effiziente Wärmerückgewinnung aus dem Rauchgas zu erreichen, sind dem Thermoöl-ECO ein Heißwasser-ECO und ein Verbrennungsluftvorwärmer (LUVO) nachgeschaltet. Das Rauchgas wird so auf eine Temperatur von rund 160°C abgekühlt.
Der Thermoölkessel, der Thermöl- und Heißwasser-ECO wie auch der Luftvorwärmer sind mit einer automatischen Asche-Abreinigungsanlage auf Druckluftbasis ausgestattet, welche es ermöglicht, die Anlage ohne manuelle Reinigung zu betreiben. Dadurch wird eine hohe Verfügbarkeit der Anlage bei hohem Wirkungsgrad erreicht.
Aus dem ECO-Turm wie auch aus dem LUVO wird die sogenannte Kesselflugasche abgezogen. Die Entstaubung des Rauchgases erfolgt durch einen der Kesselanlage nachgeschalteten Multizyklon, in dem die Zyklonflugasche anfällt. Die Feinentstaubung erfolgt in einem Trocken-Elektrofilter, wo die Feinstflugasche abgeschieden wird. Im Elektrofilter wird das Rauchgas auf einen Staubgehalt von weniger als 25 mg/Nm³ (bezogen auf trockenes Rauchgas und 13 Vol-% Sauerstoff) gereinigt. Anschließend gelangt das gereinigte Rauchgas in den Kamin.
Die Abkürzung ORC steht für Organic Rankine Cycle - dieses Prinzip der Stromerzeugung entspricht dem des konventionellen Wasser-Dampf-Prozesses, mit dem wesentlichen Unterschied, dass statt Wasser ein organisches Arbeitsmittel (Silikonöl) mit speziell abgestimmten thermodynamischen Eigenschaften verwendet wird. Als Wärmeträger zwischen Biomassefeuerung und ORC-Prozess wird ein hoch erhitzbares Thermoöl verwendet. Dieses Thermoöl gibt im Verdampfer des ORC-Prozesses die Energie an das Silikonöl - das organische Arbeitsmittel - ab, welches dabei verdampft. Der Silikonöldampf wird über die den Generator antreibende Turbine geleitet, dabei entspannt und in einem nachfolgenden Regenerator und Kondensator wieder verflüssigt. Die vom Silikonöl im Kondensator abgegebene Wärme wird an das Heißwasser des Fernwärmenetzes übertragen. Das flüssige Silikonöl wird in der Arbeitsmittelpumpe wieder auf Systemdruck gebracht und dem Verdampfer zugeführt, wodurch der thermodynamische Kreislauf geschlossen ist.
Die ORC-Technologie zeichnet sich im Allgemeinen durch folgende Vorteile aus:
Eine sehr hohe Verfügbarkeit von rund 97 % (bezogen auf Erfahrungswerte aller bereits in Betrieb befindlichen Anlagen der Fa. Turboden).Eine ausgezeichnete Lastwechselfähigkeit, welche hohe Jahresnutzungsgrade sicherstellt, was den ORC-Prozess besonders vorteilhaft für KWK-Anlagen macht, die, wie im Falle des gegenständlichen Projekts, wärmegeführt betrieben werden.Ein sehr gutes Teillastverhalten sowie eine hohe Wartungsfreundlichkeit.Der ORC-Prozess arbeitet vollautomatisch, ist vollkommen geschlossen ausgeführt und das eingesetzte Silikonöl verbraucht sich nicht, was in niedrigen Personal- und Betriebskosten resultiert.ORC-Aggregate sind auch in bestehenden Biomasseheizwerken nachrüstbar. Im Vergleich zum konventionellen Dampfturbinenprozess weist die ORC-Technolgie für Anlagen mit elektrischen Nennleistungen kleiner 2 MW im Speziellen folgende Vorteile auf:
Die Kombination von ORC-Prozess und drucklos betriebenen Thermoölkessel gestattet einen einfachen Betrieb ohne ständige Beaufsichtigung bzw. ohne Dampfkesselwärter. Dadurch sind die erforderlichen Personalkosten vergleichsweise gering.
Die notwendige Energie wird über einen zwischengeschalteten Thermoölkreislauf zum Verdampfer des ORC-Moduls übertragen, folglich sind keine Kosten für eine Speisewasseraufbereitung erforderlich.
Die 2-stufige Axialturbine, die im ORC-Prozess eingesetzt wird, arbeitet mit geringer Drehzahl (rund 3.000 U/min) und daher geringer mechanischer Beanspruchung. Sie ermöglicht den direkten Antrieb des Asynchron-Generators ohne Zwischengetriebe, wodurch ein höherer elektrischer Wirkungsgrad erreicht wird.
Aufgrund der vorteilhaften thermodynamischen Eigenschaften des Arbeitsmittels ist ein Tropfenschlag an der Turbine ausgeschlossen.Der ORC-Prozess ist als ausgereifte und zuverlässige Technologie zu betrachten und besonders sinnvoll für Anwendungen in Fern- bzw. Prozesswärmenetzen (z.B. für die Versorgung von Trockenkammern in Sägewerken). Mehr als 20 ähnliche Anlagen sind bereits in Mitteleuropa in Betrieb (Österreich, Deutschland, Schweiz, Tschechien und Italien). ORC-Module sind derzeit im Leistungsbereich zwischen 400 und 1.500 kWel verfügbar, zukünftig soll dieser auf eine Bandbreite von 200 und 2.000 kWel aufgeweitet werden.Bei Stillstand des ORC-Prozesses kann die Wärmeenergie vom Thermoölkreislauf über einen eigenen Wärme-tauscher je Anlage auch direkt auf das Heißwasser des Fernwärmenetzes übertragen werden und damit eine Versorgung der Wärmekunden sichergestellt werden.
Alle drei Anlagenlinien der KWK-Anlage und die zwei bestehenden biomassebefeuerten Heißwasserkessel sind hydraulisch auf der Primärseite über eine hydraulische Weiche mit dem Fernwärmenetz verbunden. Diese gewählte hydraulische Verschaltung ermöglicht eine Wärmeversorgung der beiden Prozeswärmeabnehmer (MM und HIP) bei alleinigem Betrieb der KWK-Anlage, bei alleinigem Betrieb der bestehenden Kessel und bei parallelem Betrieb der KWK-Anlage und der bestehenden Kesselanlagen.Die jährlich erwartete Stromproduktion beträgt rund 36 GWh/a, was einer Volllaststundenanzahl von rund 8.100 h/a entspricht. Der Gesamtanlagennutzungsgrad der Biomasse-KWK-Leoben kann mit rund 86 % als sehr hoch angesehen werden.
Die Biomasse-KWK-Leoben ist im April 2005 planmäßig in Betrieb gegangen und arbeitet seither erfolgreich. Die Abnahmemessungen an der ORC-Anlage zeigten, dass die garantierten elektrischen Wirkungsgrade um rund 10 % übertroffen werden konnten.
BIOS-Facts
Gegründet: 1995Standort: Graz
Geschäftsführer: Prof. DI Dr. I. Obernberger
Mitarbeiter: 24
Produkte/Dienstleistungen:
Forschung, Entwicklung, Planung, Realisierungund Optimierung von Prozessenund Anlagen zur energetischenNutzung von Biomasse(darunter 15 ORC-Anlagen)
Aktuelle Projekte:
1,5 MWel Althofen (Firma Tilly)1,5 MWel Lienz II (Firma Stadtwärme Lienz)0,5 MWel Tamsweg (Firma Fernwärmeversorgungs-GmbH)