Interview mit Marius Hachenberg, Enviva

„Fokus auf Defossilisierung“

Ein Artikel von Philipp Matzku (für Holzkurier.com bearbeitet) | 30.06.2022 - 09:02

Herr Hachenberg, wie sehen Sie den weltweiten Pelletsmarkt und welche Entwicklung erwarten Sie in den nächsten fünf bis zehn Jahren?

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„Der Industriepelletspreis wird nur moderat ansteigen. Bei fossilen Brennstoffen sehen wir eine höhere Preisunsicherheit voraus.“ Marius Hachenberg, Managing Director Germany bei Enviva © Enviva

Der internationale Pelletsmarkt expandiert bereits seit 2012 sehr kontinuierlich und hat bis 2019 um 128 % zugelegt. Wir gehen davon aus, dass sich diese Marktentwicklung in den nächsten Jahren noch verstärkt.

Der Diskurs um die Versorgungssicherheit zeigt, dass es sinnvoll ist, Energiequellen zu diversifizieren. Technologien auf Basis von Holzenergie werden dabei eine wichtige Rolle einnehmen, insbesondere bei der Wärmeversorgung.

Bestehende Energieerzeuger erkennen, dass die Nutzung von Biomasse bei steigenden Preisen für CO2 und fossile Brennstoffe auch subventionsfrei eine wirtschaftliche Alternative darstellt.
Der Markt für Industrieholzpellets sieht mittelfristig gegenüber fossilen Brennstoffen nur einen moderaten Preisanstieg, dagegen sehen wir bei Preisen für Kohle, Öl, Gas und CO2 eine höhere Preisunsicherheit. Unser Geschäft ist ein langfristiges, daher haben wir auch die langfristigen Entwicklungen im Blick. Unsere Analysten sagen: Industriepellets stechen ‚fossil‘ aus – bis mindestens 2027.

Wo sehen Sie Enviva im Pelletsmarkt aktuell und in Zukunft aufgestellt?

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Industriepellets haben laut Enviva viele Vorteile und Einsatzmöglichkeiten © Enviva

Enviva befindet sich auf Wachstumskurs, das unterstreicht nicht zuletzt die angestrebte Verdoppelung unserer eigenen nachhaltigen Industriepelletsproduktion, die in den nächsten fünf Jahren auf voraussichtlich 13 Mio. t ausgebaut werden soll.

Dieses Wachstum spiegelt auch wider, dass es branchenübergreifend ein breiteres Verständnis dafür gibt, dass Holzpellets längst nicht nur in der traditionellen Energiewirtschaft eine Rolle spielen. Pellets sind vielmehr eine multimodale Defossilisierungsplattform, die auch in der Schwerindustrie grüne Lösungen bietet.

Die Branche durchläuft einen signifikanten Wandel in der Art und Weise wie, Holzpellets verstanden werden. Und dieser Wandel wird durch die Technologieführerschaft Europas in den erneuerbaren Energien vorangetrieben. Das Industriepellet der Zukunft wird wie selbstverständlich in dem Bioplastik von Supermarktketten sowie als Treibstoff für die defossilisierte Containerschifffahrt gefunden werden.

Aus der besten Möglichkeit, Holzstaub zu transportieren – in Pelletsform –, wird ein fundamentaler Baustein der industriellen Bioökonomie. Das Pellet wird in Zukunft neben GJ/t in Zuckerketten, Ligninanteil und CO2-Negativität bemessen – das ist unser grüner Ansporn und Beitrag, fossile Energie- und Kohlenstoffquellen zu ersetzen. Mit Blick auf die Zukunft könnten Branchen, wie Stahl und Zement, den Markt für Industrieholzpellets verdoppeln, ungeachtet der hohen Nachfrage in anderen Branchen, wie Kalk, Zucker und Chemikalien, die ebenfalls auf Biomasse als Defossilisierungslösung setzen.

Aufgrund seiner Biokohlenstoffstruktur bietet holzige Biomasse einen biogenen Ersatz für fossilbasierte Chemikalien, für Synthesegas, Ammoniak, Methanol, Ethanol und weitere Anwendungen, wie beispielsweise beim Prozessdampf in der Industrie. Deutschland verabschiedet sich gerade stückweise vom Gaspfad.

Die offene Frage vieler Branchen nach dem „Was nun?“, liegt überraschend häufig in der stabilen Versorgung mit nachhaltiger Holzenergie.

Wie planen Sie, Ihre Geschäftstätigkeit im Bereich Biokraftstoffe auszubauen?

Mit den gestiegenen Klimaanforderungen an den Verkehrs- und Flugsektor und auch die Containerschifffahrt steigen Deutschland und Polen in die industrielle Bioökonomie ein. Flankiert von der E-Mobilität, sind fossilfreie Kraftstoffe auf Basis biogener Rohstoffe wie Holzbiomasse, neben sogenannten E-Fuels, die Hauptträger der Dekarbonisierungsbestrebungen des Mobilitätssektors.

Von Weimar bis Warschau werden Beimischungsverordnungen hochgeschraubt, Pilotprojekte angestoßen und Raffinerien auf nichtfossile, biogene Quellen umgerüstet. Von Bioethanol über -diesel und -methanol kämpft sich eine ganze Branche in die Zukunft.

Aufbauend auf diesen Trend, haben wir allein in den vergangenen sechs Monaten sechs bedeutende Vereinbarungen bekannt geben können: unter anderem einen Vertrag mit einem europäischen Raffinerieunternehmen für nachhaltige Flugtreibstoffe (SAF), der langfristig auf 1,2 Mio. t/J ansteigen soll. Darüber hinaus eine Absichtserklärung zur Entwicklung einer Biomasselieferkette für einen US-amerikanischen Hersteller nachhaltiger Flugkraftstoffe.

Sind mittelfristig Produktionsstandorte außerhalb der USA vorgesehen?

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Das Sampson-Pelletswerk in North Carolina ist eines von acht Pelletswerken von Enviva an der US-Ostküste. Bis 2026 sollen noch sechs weitere Produktionsstandorte in den USA hinzukommen und die Produktionskapazität auf 13 Mio. t/J erhöhen © Enviva

Wir konzentrieren uns weiterhin auf unsere Produktion in den USA. Sollte sich die Möglichkeit ergeben, bei der Mobilisierung regionaler Biomassepotenziale mitzuhelfen, ist der Aufbau lokaler Produktion mit einem Partner vor Ort sicher eine Option für uns. Immer gilt: Die Verfügbarkeit muss gewährleistet sein, sonst können regionale Biomassehubs, die mehrere Industriesektoren bedienen, nicht entstehen.

Sind seitens Enviva Pelletslieferungen in die DACH-Region geplant?

Die DACH–Region ist der größte Einzelmarkt in Europa. Wir stehen mit einer Vielzahl an Energie- und Industrieunternehmen im Gespräch, das schließt Direktgeschäfte und Vertragspartner gleichermaßen ein.

Bleibt ein Fokus auf Industriepellets oder gibt es Überlegungen, zertifizierte Pellets zu produzieren und zu vermarkten?

Der Fokus liegt zwar auf Industriepellets, denn hier sehen wir weiterhin die größten Wachstumspotenziale im Markt. Allerdings haben wir auch die Möglichkeit, an ausgewählten Standorten ENplus A1-Qualität zu produzieren. Die Kombination von überregionaler Ware mit lokaler Produktion ist also möglich und vor dem Hintergrund steigender Nachfrage in der DACH-Region definitiv eine Option, um die Versorgung mit grüner Wärme auch in Zukunft sicherstellen zu können.