Holzbau-Forum Salzburg

Gefordert und zugleich gefürchtet

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 30.05.2018 - 08:19
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Triebfedern der neuen Seminarreihe in Salzburg: Jörg Koppelhuber und Univ.-Prof. Dr. Detlef Heck von der Technischen Universität Graz, Univ.-Prof. Dr. Heinrich Köster, Hugo Karre und Univ.-Prof. Uwe Germerott von Forum Holzbau (v. li.) © Kathrin Lanz

Wie man die Vision Holzbau vorantreibt, beschäftigte schon so manch eine Seminarreihe des Vereins Forum Holzbau. Erstmalig stand nun aber explizit der bauwirtschaftliche Aspekt im Mittelpunkt einer zweitägigen Veranstaltung. Wie sich herausstellte, besteht diesbezüglich Informationsbedarf. Mit 180 Teilnehmern wurde die Debütveranstaltung „Holz-Bau-Wirtschaft“  nämlich auf Anhieb gut angenommen.

Selbst in Projektentwicklung einsteigen

„Plant man von Beginn an in Holz, kommt man auch mit den Kosten hin“, eröffnete der Züblin-Vorstand Ulrich Weinmann seinen Vortrag. „Die Realität sieht allerdings anders aus. Wir planen noch immer baubegleitend. Damit befinden wir uns in der gesamten Baubranche in einem Prozess der Unwirtschaftlichkeit. Im Holzbau merken wir das nur deutlicher.“ Und das spiele den konventionellen Bauweisen in die Hand. „Auftraggeber denken sowieso in Beton. Was können wir also tun, um die Vision Holzbau voranzutreiben?“, befragt Weinmann sein Publikum. Er hält zwei Antworten parat: „Zum einen müssen wir im Herstellungsprozess besser werden. Industrialisierung sowie Digitalisierung kommen uns dabei entgegen. Zum anderen gilt es, die Beeinflussung von Endkunden und Entscheidern voranzutreiben. Wenn wir beispielsweise selbst ein Stück weit in die Projektentwicklung einsteigen, würden wir die Position von Holz von Beginn an verbessern.“

„Plant man von Beginn an in Holz, kommt man auch mit den Kosten hin.“


Ulrich Weinmann, Züblin

BIM als Chance für den Holzbau

Eine weitere Chance für den Holzbau sieht Philipp Zumbrunnen in der Etablierung des Building Information Modeling (BIM). Der Schweizer Zimmermeister ist seit zehn Jahren bei EURBAN Limited in London beschäftigt. Das Holzbauunternehmen plant und montiert vorrangig mehrgeschossige Brettsperrholzkonstruktionen. „Für uns wird BIM immer wichtiger. Wir machen die Erfahrung, dass Entscheider mithilfe von BIM verstehen, dass der Holzbauer von Anfang an mit dabei sein muss.“ Und jenen, die dem Thema mit Vorbehalt gegenüber stehen, gibt er mit auf den Weg: „Den wenigsten ist es bewusst: In gewissen Zügen arbeiten die meisten Holzbaubetriebe ja schon damit.“ Denn die Verwendung von CAD (computer-aided design) und CAM (computer-aided manufacturing) könne als erster Schritt in Richtung BIM gesehen werden. Abschließend verdeutlicht er: „Wer nicht glaubt, dass BIM sich durchsetzt, ist hier falsch.“

„Wir machen die Erfahrung, dass Bauentscheider mithilfe von BIM verstehen, dass der Holzbauer von Anfang an mit dabei sein muss.“


Philipp Zumbrunnen, EURBAN Limited

Badezimmermodul per Konfigurator

Ebenfalls auf die Aufgeschlossenheit in Sachen Digitalisierung setzen drei junge Holzbauingenieure aus der Rosenheim-Schmiede mit ihrem Start-up „Tjiko“. „Die Baukonjunktur lässt ja kaum Innovationen zu“, bedauerte einer der Gründer, Lukas Schiffer. Grund genug, mit der Idee eines Onlinekonfigurators hellhörig zu machen. Künftige Tjiko-Kunden sollen Badezimmermodule in Holzbauweise individuell gestalten und bestellen können. Fliesen, Armaturen, Sanitäreinrichtung und Badmöbel inklusive. „Wir verwenden eine Konfigurationssoftware, wie in der Automobilbranche.“ Derzeit wird noch nicht produziert. „Wir gehen davon aus, 2019 beginnen zu können.“ Geplant sind Holzrahmenkonstruktionen mit Brettsperrholzdecken. Denkbar ist, die Software für weitere Raummodule zu verwenden.

„Die Baukonjunktur lässt ja kaum Innovationen zu.“


Lukas Schiffer, Tjiko

Kooperation untereinander von Nöten

Bernd Gusinde, einer der Geschäftsführer von Timber Concept aus Weißensberg bei Lindau/DE, berichtete von einem Unternehmen, das die Idee eines solchen Onlinetools bereits weiter gedacht hat. „Mr. & Mrs. Home“ ermöglicht es dem Kunden per Website, ganze Häuser zu konfigurieren. Potenzial darin erkannte zumindest der Handels- und Dienstleistungskonzern BayWa, der als Gesellschafter in das Unternehmen eingestiegen ist. Generell sieht Gusinde Chancen für sogenannte disruptive Technologien, wie sie beispielsweise Uber (ein Transportunternehmen ohne Fahrzeuge) oder Airbnb (eine Nächtigungsanbieter ohne Unterkünfte) nutzen. Auf die Holzbranche umgelegt, seien Kooperationen in diese Richtung von Nöten. Zur digitalen Konstruktionsmethode fügte er hinzu: „Der BIM-Methode stehen wir etwas skeptisch gegenüber. Da wir meist mit ‚Open-BIM’ arbeiten, sind Übertragungsmängel doch erheblich.“

„BIM stehen wir etwas skeptisch gegenüber. Da wir meist mit ‚Open-BIM’ arbeiten, sind Übertragungsmängel doch erheblich.“


Bernd Gusinde, Timber Concept

Es geht um die Losgröße

Dem Erfolgsfaktor „Industrielles Bauen“ widmete sich danach Jörg Koppelhuber von der Technischen Universität Graz. „Letztendlich geht es um die Losgröße, nicht um standardisierte Bausatzsysteme.“ Und die Sorge, die schon einmal aus dem Publikum geäußert wurde, dass es den Zimmerer durch das Voranschreiten der Standardisierung gar nicht mehr brauche, entkräftet er gleich vorweg. „Wir wollen die Fachkräfte nicht wegrationalisieren, wir haben ja sowieso zu wenig. Will der Holzbau aber breiter werden, muss er auch kosteneffizienter werden.“ Und auch die Stärken des Holzbaus kehrte Koppelhuber hervor: „Der Holzbau profiliert durch seinen Bauzeitgewinn, lassen wir uns diesen nicht von Nachfolgegewerken zunichte machen.“

„Der Holzbau profiliert durch seinen Bauzeitgewinn, lassen wir uns diesen nicht von Nachfolgegewerken zunichte machen.“


Jörg Koppelhuber, TU Graz

Materialeinsatz minimieren

Ebenfalls Ahnung von Bauzeitverkürzung hat der nächste Redner, Bauingenieur Pirmin Jung. Dieser Tage starten die Bauarbeiten eines 60m-Hochhauses im Schweizer Risch-Rotkreuz, an dessen Planung Pirmin Jung Ingenieure maßgeblich beteiligt sind. Für die dort gewählte Holz-Beton-Verbundkonstruktion spricht eine um vier bis sechs Monate verkürzte Bauzeit gegenüber mineralischen Bauweisen. Neben dieser frohen Kunde warnte Jung vor einem Materialverschleiß des Rohstoffes. Beim achtgeschossigen Mehrfamilienhaus Bridport Place in London – eines der ersten mehrgeschossigen Brettsperrholzbauten – kamen rund 840 m3 BSP zum Einsatz. „Mit einer alternativen Skelett-/Rahmenkonstruktion hätten nur rund 280 m3 aufgewendet werden müssen. Der enorme Materialeinsatz ist ein Thema, das uns durch den Aufschwung des Holzbaus verfolgen wird.“

„Minimierter Materialeinsatz ist ein Thema, das uns durch den Aufschwung des Holzbaus verfolgen wird.“


Primin Jung, Primin Jung Ingenieure

Andere Branchen sind weit voraus

Diskussionsstoff in der Branche liefert auch der Schrei nach Standardisierung. „Jedes Gebäude ist ein Prototyp“, bemängelt Harald Professner von der Rhomberg Holding. „Betrachtet man Branchen, wie die Automobilindustrie, sind uns diese weit voraus. Derzeit gibt es im Holzbau bei jedem Projekt eine neue Supply-Chain. Das rentiert sich nicht.“ Bei der Rhomberg-Tochter Cree arbeitet man mit Einzelkomponenten, die je nach Bedarf zum Einsatz kommen. Nach diesem Prinzip sind derzeit einige Projekte in der Pipeline. Die Baubewilligung für ein sechsgeschossiges Bürogebäude „LCT Next“ in Dornbirn steht und ein 45.000m2-Hochhaus in Berlin ist ebenfalls geplant. Auf den Cree-Baustellen herrscht dann Plug-and-Play. „500 m2 pro Tag dicht, mit zwei Teams 100 0m2. Dafür müssen wir die klassische Roadmap des Bauprozesses verlassen.“

„Probleme, die in der Werkstatt auftauchen, kommen nicht zum Planer retour. Ein Kreislauf wäre wünschenswert.“


Harald Professner, Rhomberg-Holding