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Der Bronze lackierte Graugussrahmen wurde laut Vorgaben in Tschechien gefertigt © Schneider

Wiener Klangkultur

Ein Artikel von Administrator | 25.10.2002 - 00:00
Durch seinen harten Anschlag hat Franz Liszt vor rund 180 Jahren bis zu 3 Tasten-Instrumente pro Konzert verschlissen. Abhilfe schaffte da erst ein von Ignaz Bösendorfer entwickeltes Exemplar. Heutzutage werden in Wiener Neustadt jährlich 450 Flügel sowie 90 Pianinos gefertigt.Feinjähriges Gebirgsholz. „Jeder Flügel hat eine eigene Seele - dies hängt vor allem vom eingesetzten Material ab”, gerät der technische Direktor Ferdinand Bräu ins Schwärmen.
Zu 80% bestehen die Instrumente aus feinjähriger Fichte, die aus Höhenlagen zwischen 800 und 1200 m bezogen wird. Bis eine Feuchte von rund 15% erreicht wird, lagert das Holz einige Jahre im Freien. Daran anschließend konditioniert Bösendorfer die Zuschnitte bis zu 4 Monate in einem klimatisierten Raum, um eine Ausgleichsfeuchte von 8% zu erzielen. Kraft ins Laubholz. Alle Bauteile, die Kräfte abtragen, sind aus Laubholz gefertigt. Der Stimmstock aus Buchen-Sperrholz und Ahorn nimmt beispielsweise über die an ihm befestigten Stimmwirbel bis zu 24 t Zugkräfte der Saiten auf. Der Stimmstock wird mit einer Toleranz von 0,1 mm an das Gußteil angepasst, andernfalls entstünden störende Vibrationen.
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Der Bronze lackierte Graugussrahmen wurde laut Vorgaben in Tschechien gefertigt © Schneider

Handwerkliche Fertigung. Die Bauteile des Korpus (Rasten) fertigt Bösendorfer mit Hilfe von Schablonen auf Vorrat. Anschließend erfolgt die Verleimung der Raste. Der geschwungenen Form folgend bringt Bösendorfer die Außenwange an. Diese besteht aus Fichtenholz, das einseitig mit Ritzen versehen und auf der anderen Seite schon mit dem Deck-Furnier belegt ist.
Der Resonanzboden aus feinster Fichte ist leicht bombiert ausgeführt und unten mit Holzrippen versehen. Diesen Klangträger passt man der Korpusseite an, bevor er auf die Raste geleimt wird.
Über einem Steg aus Ahorn verlaufen die Saiten. Die Aufhängungen der bis zu 230 Saiten pro Flügel werden von Bösendorfer selbst gebogen. Dabei ist die Wiederholgenauigkeit Ausschlag gebend.
Die Mechanik beziehen die Wiener Neustädter von Renner, Stuttgart/DE: „Dort bringen wir unsere Vorstellung bei der Weiterentwicklung ein”, erklärt Bräu. Die Klaviatur liefert Kluge, Wuppertal/DE.
Die eigene Furnierabteilung fertigt auf Kundenwunsch Intarsien. „Es kam schon vor, dass uns das Edel-Furnier vom zukünftigen Besitzer zur Verfügung gestellt wurde”, so Bräu.
Bösendorfer-Facts
Gründung: 1828 durch Ignaz Bösendorfer
Produktion: 450 Flügel/J, 90 Pianinos/J
Mitarbeiter: 180
Exportanteil: 90%
Umsatz: 22 Mio. €/J
Erbarmungsloser Test. Eine Paukmaschine, die für 2 Stunden auf die Klaviatur der fertig montierten Flügel eindrischt, prüft die Mechanik auf Herz und Nieren. Das Regulieren und Intonieren findet in den Wiener Räumlichkeiten statt, die auch die Ausstellungfläche beherbergen. „Ein Viertel unserer Kunden kommt eigens nach Wien, um sich den gewünschten Flügel auszusuchen”, freut sich Bräu. Ein Drittel der Produktion verbleibt in Europa, der Rest wird nach Amerika und Asien exportiert.
„Auf dem österreichischen Markt können wir überraschende Zuwächse verzeichnen”, zeigt sich Bräu zufrieden. „Wir haben gute Karten im Verdrängungswettbewerb.” Grund: Qualitätsverbesserungen in der Spielbarkeit (Mechanik). Auf der anderen Seite ist der US-Markt zusammengebrochen - hier spielen die Anschläge vom 11. September auch eine Rolle.Verkaufsziffern steigern. Seit Januar diesen Jahres ist Bösendorfer wieder zu 100% in österreichischer Hand: Nachdem man in den vergangenen Jahren dem amerikanischen Unternehmen Kimball International, Jasper/USA, angehörte, wurden nun alle Gesellschaftsanteile in die Bawag PSK-Gruppe, Wien, eingegliedert.
„Wir möchten auf den internationalen Märkten mit Wachstumspotenzial - wie beispielsweise China - neue Strukturen aufbauen und uns Marktanteile sichern”, berichtet Bräu. Mit dem neuen Flügel-Modell 280, das für den Konzertbetrieb maßgeschneidert ist, will man wieder stärker in den Musiksälen der Welt Fuß fassen.
Mittelfristig sollen die Verkaufsziffern gesteigert und damit eine gute Auslastung der Mannschaft erzielt werden. Derzeit kommt man mit der Produktionsgröße noch zu Rande. In der handwerklichen Fertigung sind Rationalisierungen nur schwer durchführbar. Allerdings wird der Erwerb eines CNC-Bearbeitungszentrums schon angedacht.