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Im deutschsprachigen Raum patentiert: Vorrichtung mit Schnell-Spannzangen, die die Sparren 1:1 und im Winkel aufnehmen © Schneider

Zeiten ausreizen

Ein Artikel von Administrator | 05.12.2002 - 00:00
Gebratene Gänse fliegen einem nicht zu - man muss schon ein wenig mehr als die anderen tun, um in der derzeitigen Wirtschaftslage zu bestehen”, so beschreibt DI Walter Bauer, der gemeinsam mit seinem Bruder Friedrich in Satteldorf-Gröningen/DE einen Holzbaubetrieb in die 4. Generation führt, die Firmenphilosophie.
Dieses ständige Streben nach Verbesserung anerkennt die Redaktion des Holzkuriers mit der Auszeichnung „Zimmerer-Ausstatter des Jahres 2003”. Verkürzte Rüst- und Herstellzeiten. Schon vor 19 Jahren machte sich Zimmermeister Friedrich Bauer Gedanken über eine Optimierung der Dachstuhl-Montage: „Kräne und Gerüste werden sehr lange in Anspruch genommen, was mit zusätzlichen Kosten verbunden ist”, so Bauer. Zudem ist die Belastung für die Arbeiter ungleich höher als in den Abbund-Hallen: Sie sind dem Wetter ausgesetzt, von Tageszeiten abhängig, arbeiten mit anderen Gewerken auf engstem Raum und müssen Werkzeuge, Dämm-Material sowie Plattenwerkstoffe über Treppen in das Dachgeschoss tragen.
Sehr schnell stand daher der Entschluss fest, Dach-, Decken- und Wandelemente weitestmöglich in der Halle vorzufertigen. Dazu wurde ein Gestell aus Leimholz ausgetüftelt, auf dem die gesamte Dachfläche ausgelegt werden konnte: Der Grundriss des Gebäudes wird in der Halle nachgebaut.
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Im deutschsprachigen Raum patentiert: Vorrichtung mit Schnell-Spannzangen, die die Sparren 1:1 und im Winkel aufnehmen © Schneider

Serienreife erlangt. Zwischenzeitlich wurde die Idee durch den im eigenen Haus beschäftigten Maschinenbau-Techniker Johannes Ziegler überarbeitet und die Träger verzinkt ausgeführt, was auch eine Verwendung im Freien zulässt. Die Gestelle werden von einem Stahlbauer vor Ort hergestellt, die Vermarktung übernimmt Bauer Technik, Gerabronn/DE.
„Tectofix 3000 ermöglicht bei der Herstellung von Dachelementen ein einfaches Ausrichten der Sparren mit Hilfe von Spannschuhen”, so Ziegler. Der komplette Dachaufbau - von der Untersicht bis zur Lattung - kann auf der 60 cm hohen Arbeitsfläche ergonomisch und sicher in der Halle vorgenommen werden. Anfangs wurden die Elemente angehoben und von unten gedämmt. Nun setzt man eine Wenderolle ein, die Teile bis zu 3,5 m Breite drehen kann.
Die Bau-Materialien sind übersichtlich und auf kurzen Wegen um das Tectofix 3000 gelagert. Das gleiche gilt für Werkzeuge, die nach Arbeitsende nicht täglich diebstahlsicher wegzuräumen sind - wie es auf einer Baustelle der Fall wäre.
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Wendevorrichtung bewältigt Elemente bis 3,5 m Breite © Bauer

Deckenfertigung. Mit der Anlage lassen sich Decken winkelgenau 1:1 einrichten. Die vollständige Beplankung der Elemente wird bereits unter Berücksichtigung aller Aussparungen vorgenommen. Dies ist wichtig für ein sofortiges und trittsicheres Begehen beim Aufstellen. Auch die Dachgeschoss-Doppelschwellen werden bereits im Werk angebracht.
Bei der Herstellung von vorgefertigten Brett-Stapeldecken mit Aussparungen kommen Press-Zylinder zum Einsatz.
Präzise reißen die Zimmermeister auf der Decke die darauf zu platzierenden Wände an - das ermöglicht auf der Baustelle eine rasche Montageabfolge mit geringen Autokran-Zeiten. „Nicht zu unterschätzen ist die kontrollierte Steuerung des Baufortschritts und der Qualität bei einer Vorelementierung im Werk”, gibt Bauer-Fertigungsleiter DI Jörg Hiller zu bedenken.
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Absturzsicher können Beplankungen bei einer Arbeitshöhe von 60 cm angebracht werden © Bauer

Keine Zusatzanschläge. „Bei Traufen und Firstvorsprüngen werden mit Tectofix keine aufwändigen Zusatzanschläge benötigt, vielmehr werden die Sparrenkerven als Anschlag benutzt”, so Hiller. Dazu wurde von Bauer ein automatisch schwenkender und damit für alle Dachneigungen passende Kervenanschlag entwickelt.
Man produziert in Satteldorf-Gröningen zuerst die Dach- und dann die Deckenelemente. Diese werden entsprechend der Montagefolge auf eine bereitstehende Transportbrücke verladen. Die Wände und Decken werden mit Schlaufen versehen. Für die Dachelemente entwickelte Bauer eine Montagehilfe, die an 21 Anhängepunkten in die Lattung greift. Die Sicherung erfolgt durch Bolzen.
30%-ige Zeitersparnis. „Wir haben nachkalkuliert: Bei einem Haus mit einer Fläche von 180 m² benötigen wir für einen konventionellen Dachstuhl 90 Stunden. Ein vorgefertigter, elementierter nimmt dagegen nur 60 Arbeits-Stunden in Anspruch”, so Bauer. In 2 Tagen erstellen 2 Zimmermeister mit Hilfe des Tectofix 3000 ein 1-Familienhaus-Dach. Weitere 1 bis 2 Arbeitstage werden für die Deckenelemente benötigt. Bei der anschließenden Montage auf der Baustelle sind 3 Mann im Einsatz. Trotzdem verspricht Bauer auch bei größeren Häusern Regensicherheit am 1. Tag.
Derzeit werden in Satteldorf-Gröningen 30 bis 40 Häuser pro Jahr produziert, die Kapazität läge im 2-Schicht-Betrieb jedoch bei bis zu 70. „Bei schon 30 Häusern jährlich hat sich Tectofix in 1 bis 2 Jahren amortisiert”, so Bauer.
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5-achsige Abbundanlage mit neuartiger Beschickung: unter dem Querförderer lagert Standard-Ware, eingefördert wird hubweise © Schneider

B>Optimierter Materialfluss. Auch in die eigene Holzbau-Produktion investiert Bauer regelmäßig. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Optimierung der Arbeitsabläufe. In Zusammenarbeit mit Prof. DI Heinrich Köster und Diplomanten der Fachrichtung Holzbau/-ausbau der Fachhochschule Rosenheim wurde der Materialfluss bei Bauer untersucht.
Seither ist die Halle ausnahmslos in 2 Bereiche gegliedert: Nagelplattenbinder-Herstellung und Elementbau. Letzterer teilt sich in 2 Arbeitsplätze auf: gerade Wandteile werden mit einem Schmetterlingswender von Nordiska Truss, Kinna/SE, gefertigt, trapezförmige sowie 3-eckige Fassadenteile produziert man auf einer separaten Fläche.
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Mobiquick: Ständerwerk liegt elementweise in Boxen © Bauer

Durchdachter Wagen. Rund um den Schmetterlingswender sind Materialien wie Plattenwerk- oder Dämmstoffe stets an den dafür vorgesehenen Stellen übersichtlich gelagert. Entlang des Tisches wurden Gleise verlegt auf denen Wagen geführt werden. Die Idee dieser von Bauer entwickelten Mobiquick stammt aus der Fensterfertigung: Dort werden die einzelnen Rahmenteile der Verleimstation geordnet bereitgestellt.
Die Mobiquick werden an der Abbundanlage befüllt: Für das Ständerwerk jeder einzelnen Wand stehen Boxen bereit, die beschriftet und je nach Platzbedarf in der Höhe verstellbar sind. Der Transport erfolgt mittels Seiten- oder Frontstapler.
„Der neu gestaltete Materialfluss hat die Leistung um 30%
gesteigert - die Mitarbeiter sind bestens motiviert.”Jörg Hiller
Auf Expansionskurs. „Im nächsten Schritt wird die Element- räumlich von der Binderproduktion getrennt”, erläutert Bauer seine Zukunftspläne. Zu diesem Zweck plant man in Gröningen eine zusätzliche Halle. Dort erfolgt dann der Zuschnitt von Plattenwerkstoffen, BSH und KVH.
Zentrales Element ist die im vergangenen Monat gelieferte Abbundanlage von Hundegger, Hawangen/DE. Die K2 lässt Breiten von 62,5 cm zu und arbeitet mit 5-Achsen. Schon seit 15 Jahren verwendet man bei Bauer an mehreren Arbeitsplätzen das Konstruktionsprogramm von Cadwork, Hildesheim/DE.
Die Beschickungsstation wurde von den Allgäuern nach Kundenwunsch ausgeführt: Unter dem Querförderer wird zweierlei Standardware (für Innen- und Außenwände) paketweise gelagert und bei Bedarf auf einen Hubtisch transportiert. Von dort ziehen Greifer das Material lagenweise ein. „So können wir den Staplereinsatz reduzieren”, so Bauer.
Nach der Abbundanlage wird eine Aufstapeleinheit mit Hubtisch installiert, damit werden auch Massenhölzer nachsortiert.
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Produktionsleiter Hiller erläutert die Leibungs-dämmzarge bei den Aussparungen der Fenster © Schneider

Passivhaus-Dämmzarge. „5 Jahre lang haben wir nach einer wind- und luftdichten Ausbildung von (Dach-) Fenster-Laibungen und Elementstößen ohne Kondenswasser-Anfall gesucht”, so Friedrich Bauer. Die zugehörigen Wärmebrückenberechnungen führten Prof. Dr.-Ing. Stefan Winter und DI Daniel Kehl von der Universität Leipzig durch.
Beim Einbau um den Dachflächen-Rahmen ist nach innen zum bauseitigen Anschluss der Dampfsperre eine Dampfbrems-Schürze geführt. Sie besteht aus rund 50 mm bituminiertem Dämmstoff und ist mit speziellen Bändern angeschlossen.
Bei Fenstern in der Fassade und bei Dachelementen setzt Bauer seine Leibungsdämmzarge (WLG 030) ein. Bei Elementstößen wird die gleiche Technik angewandt. Blower-Door-Tests haben die Luftdichtigkeit der Verbindungen als Passiv-Haus tauglich nachgewiesen.Zertifizierung praktiziert. „Wir haben zwar noch keinen Stempel einer Zertifizierungsstelle, jedoch ein eigenes Qualitätssicherungssystem, das von der Universität Karlsruhe überwacht wird”, so Bauer.
Das beginnt beim Bestellwesen: In Gröningen verwendet man Faxvorlagen entsprechend den Anforderungen. Darüberhinaus beinhalten sie das Anlieferdatum und den Ansprechpartner mit Durchwahl. „Jede Lieferung wird sofort kontrolliert - sollte sie der Bestellung nicht entsprechen, wird der Lkw nicht entladen”, so Bauer.
Jedes Bauteil wird mit einer Ü-Zeichen-Plakete versehen, auf der der Verantwortliche unterschreibt, sobald er die Länge, Breite und die Aussparungen auf die Richtigkeit hin überprüft hat.
Bauer-Facts
Gründungsjahr: 1884
Mitarbeiter: 35
Häuser: 30 bis 40 1-Familienhäuser pro Jahr
Produkte: Wohngebäude, Gewerbebauten, Zulieferer
für Zimmereibetriebe: Dach-, Wand- und Deckenelemente
Mitglied der Vereinigung ZimmerMeisterHaus (ZMH)
3 l-Häuser forcieren. „Um von einem 5 l auf 3 l-Haus zu kommen, ist es ein beachtlicher Schritt im Aufbau der Gebäudehülle”, erklärt Bauer. Wir praktizieren das zum größten Teil heute schon - sobald der Bauherr die Fenster durch entsprechende Hochleistungsbauteile austauschen lässt, ist er im Besitz eines 3 l-Hauses.”
„Wir konnten den Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 25% steigern und sind für das Jahr 2003 bereits gut ausgelastet”, berichten die Gebrüder Bauer nicht ohne Stolz. Es lohnt sich also, ein wenig mehr zu tun als die anderen ...