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Bodenständig: Geflügelte Jungfrau von Uwe Schloen © Dr. Stefan Peters

Kirsche auf Beton

Ein Artikel von Dr. Stefan Peters aus Hannover/DE | 08.05.2005 - 00:00
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Bodenständig: Geflügelte Jungfrau von Uwe Schloen © Dr. Stefan Peters

Die geflügelte Jungfrau, aus Eiche gefertigt und von relativ rauer Oberfläche, kann trotz der Kupfer beschlagenen Flügel nicht abheben - sie steckt bis zu den Knöcheln in einem Betonblock. Uwe Schloen, Wangersen/DE, nach Studium der Bildhauerei und Malerei als freischaffender Künstler tätig, interpretiert dies als „bodenständig”. Ähnliche seiner hölzernen und manchmal hohläugigen Skulpturen versteht der gebürtige Niedersachse als „Methaphern für Distanz und Vergletscherung”.Wieder mit Vernissage? Zum sechsten Mal fand sich inmitten der von Ökonomie und Effizienz beherrschten Messehallen anlässlich der Ligna in Hanover/DE vom 2. bis 6. Mai als Refugium die Sonderschau „Holz in Künstlerhand”. 44 Kunstschaffende tummelten sich im Rahmen von Verkaufsausstellung und Präsentation auf einer Teilfläche der Halle 16. Während sich Stephan Ph. Kühne, Mitglied des Vorstands der Deutschen Messe, „sehr zufrieden” zeigte und 2007 - wie zuvor 2003 - wieder mit einer Vernissage aufwarten will, empfanden es einige der Kreativen hier als etwas zu ruhig.
Lebenslinien. Robert Harbauer, Buchendorf/DE, hauptberuflicher Holzbildhauer, arbeitet auch mit Bronze und Stein für öffentliche und private Auftraggeber. Bei den Holzarten bevorzugt er Eiche, Linde und Birke. Neben weitgehend naturbelassenen Oberflächen zieht sich die Farbe Schwarz durch seine Werke. Für die „Nacht”, eine aufrecht hockende Skulptur in Frauengestalt, erzeugte er per Fassmalerei-Technik eine metallisch glänzende, ebene Oberfläche auf dem Lindenholz. Während sich eine aufrecht stehende Lindenskulptur wie vom Blitz gespalten und innerlich verkohlt zeigt, markieren hölzerne Keile in natürlich enstandenen Rissen eines Eichenpärchens dessen „Lebenslinien”.
Geschenkkasten. Numerierte und signierte Boxen aus englischen Laubhölzern zwecks Aufbewahrung von Dokumenten, Schmuck oder als „bible box” fertigt Peter Lloyd, Cumbria/GB. Der Tischler bevorzugt Hölzer ungewöhnlicher Form oder besonderer Schönheit, welche die Gestaltung der handgefertigten Boxen vorschlagen. Dabei will er eine Balance wahren zwischen Holzeigenschaften und Verwendung. Größten Wert legt er auf individuelle Handarbeit („I don´t want to be a factory”).
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Zwei Tage Arbeit mit der Kettensäge: Pappelspirale von Heike Endemann © Dr. Stefan Peters

Rund oder rot? Zwei bis drei Tage benötigt Heike Endemann, Freiburg/DE, mit der Motorsäge sowie anschließend weniger grobmotorischem Werkzeug, bis aus einem Pappel- oder Silberweidenstamm eine runde und naturbelassene oder auch rechteckige, in kraftvolles Rot getauchte Spirale entstanden ist. Nach dem Besuch der Sculpture School of New York City ist die promovierte Biologin seit 1998 bildhauerisch in eigener Werkstatt tätig.
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Unbekannter Inhalt: Holzbücher von Ivon Illmer © Dr. Stefan Peters

Haptisches Erlebnis. Der ehemalige Herstellungsleiter eines Buchverlages experimentierte nach Bildhauersymposien mit Holz, Glas und Stein, bevor er von seiner Gemahlin den Tip erhielt: „Mach´ doch ´mal ein Buch!” Seitdem entstehen sie bei Ivon Illmer, Illmer Kunst + Design, Osnabrück/DE, in unterschiedlicher Größe. Als Rohmaterial verwendet er vorzugsweise stark gemaserte oder astige Stücke - die kostenneutral aus örtlichen Wäldern stammen. Während die Buchdeckel eine eher seidenmatte Oberfläche aufweisen, scheinen die „Seiten” wie mit einer Bürste aufgeraut - „das haptische Erlebnis schmeichelt dem Tastsinn”.
Das Thema Buch will er künftig „ohne Ende auswalzen” - die Formen dürften dabei wohl „extremer werden”. Was in seinen Büchern geschrieben steht, weiß allerdings auch Illmer nicht.
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Kontrastreich: Poliertes Kirschenholz und Betonwangen vereinte Karl-Heinz Theiss zum schwungvollen Schreibmöbel © Dr. Stefan Peters

Konkurrenz in einem Tisch. Die verglasten Schränke und Schreibtische von Karl-Heinz Theiss, Alleur/BE, die mit ihrer floralen Formensprache entfernt an den einstigen Jugendstil erinnern, lassen sich dagegen wieder im herkömmlichen Sinne öffnen. Dafür vereinte der Belgier für seinen Schreibtisch Materialien, die sonst in scharfer Konkurrenz miteinander stehen: Poliertes Kirschenholz kontrastiert mit Bronzegriffen und Innenwangen aus rauem Beton.