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Satteldachbinder mit 42?m: Solche Elemente fertigt Schaffitzel fast vollautomatisch © Schaffitzel

Schaffe, schaffe, Zukunft baue

Ein Artikel von Hannes Plackner (für Timber-Online bearbeitet) | 17.12.2013 - 14:34
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Satteldachbinder mit 42?m: Solche Elemente fertigt Schaffitzel fast vollautomatisch © Schaffitzel

Etwas schwer einzuordnen ist der Betrieb von Jürgen Schaffitzel. Er nennt sich „Holzindustrie“ und ist gleichzeitig ein operativ tätiges Bauunternehmen. Als Generalunternehmer werden ganze Hallenkomplexe realisiert – häufig mit Subunternehmern. Das Tragwerk kommt aber immer aus eigener Produktion. Eine nagelneue Linie mit futuristisch anmutendem Sortierroboter (s. Holzkurier Heft 39, S. 24–25) erzeugt bis zu 45 m langes BSH. Gleichzeitig hat Schaffitzel ein starkes Planungsteam und ist mit Schaffitzel-Miebach, Lohmar/DE, an einem Ingenieurbüro für den Holzbrückenbau beteiligt. Daneben ist der Bauingenieur ein engagierter Branchenvertreter und Geschäftsführer der „Holzindustrie des Jahres 2014“. Das digitale Holzkurier-Archiv (www.timber-online.net) findet den ersten Vermerk für Jürgen Schaffitzel am 4. Mai 2000. Er stellte damals auf eine Konferenz in Luzern eine 30 t-Holzbrücke über den Inn vor. Die Innovation bestand damals darin, Lärchen-BSH ohne Blechdach, sondern nur mit konstruktivem Holzschutz einzusetzen. Seitdem haben sich die Zeiten geändert – und Schaffitzel ist alles andere als unschuldig daran.

Mehr als hundertjährige Geschichte

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1959: Der jetzige Eigentümer, Jürgen Schaffitzel, sitzt auf dem Kotflügel eines mit Leimholz beladenen Lkws © Schaffitzel

Die Wurzeln des schwäbischen Betriebes reichen zurück bis 1910. „Damals hat mein Großvater hier im Ortsteil Sulzdorf ein Sägewerk neben der Bahnstrecke gegründet“, erklärt Schaffitzel. Schon früh gehörte der Betrieb zu den Innovationstreibern. 1958 wurde der erste BSH-Träger erzeugt. „Gearbeitet wurde damals mit einem Kaseinleim. Die Lamellen waren geschäftet, nicht keilgezinkt. Schraubzwingen bauten den Pressdruck auf. Das Ganze wurde dann beheizt. 20 m lange Träger waren damals möglich, aber maximal zwei pro Tag“, schildert Schaffitzel längst vergangene Zeiten.
Wer heute die Werkshallen besucht, dem bietet sich ein anderes Bild. Die Lamellen werden von einem knallorangen Industrieroboter sortiert. Kappung und Keilzinkung geschehen voll automatisiert. Für die Längsverbindung sorgt ein Polyurethanleim. Nach dem Hobel werden die Lamellen von oben mit MUF- oder Resorcinharz beaufschlagt (das hängt von der Holzart ab). Über drei synchronisierte Brückenkräne wird der Presskuchen dann in das Pressbett für gerade oder gebogene Leimbinder eingehoben.

Betrieb für die nächste Generation

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2013: Jürgen Schaffitzel (li.) hat seinen Betrieb modernisiert und freut sich darauf, dass Sohn Jörg nächstes Jahr ins Unternehmen einsteigt © Johannes Plackner

Jürgen Schaffitzel ist 59 Jahre alt. Da muss man sich Gedanken über eine Weiterführung machen. Das soll Sohn Jörg übernehmen, der 2014 in den Betrieb einsteigt. Der studierte Betriebswirt arbeitet gegenwärtig noch als Trainee in einem großen deutschen Bauunternehmen im Controlling. Dass der Sohn sein Werk dereinst weiterführen wird, freut Schaffitzel spürbar. „Da will ich natürlich einen modernen und wettbewerbsfähigen Betrieb übergeben“, erklärt der umgängliche Unternehmer seine Investitionsentscheidung.

Ingenieurbüro für Brückenbau

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Accoya als Kunstwerk: Die Ständer werden in den Boden eingespannt - das Bild auf der li. Seite zeigt die Oberfläche im Detail © Johannes Plackner

Das Geschick, fähige Köpfe an den Betrieb zu binden, hat Schaffitzel schon zuvor bewiesen. Der junge Ingenieur Frank Miebach hatte fünf Jahre lang in der Schaffitzel Holzindustrie seine Holzbrückenkompetenz unter Beweis gestellt. Als er Schwäbisch Hall verlassen wollte, um zurück ins Rheinland zu gehen, ergriff Schaffitzel die Gelegenheit. Als Partner gründeten sie das Ingenieurbüro Schaffitzel-Miebach nahe Köln. Eine befruchtende Kooperation – was Miebach mit seinem Team plant, wird in Schwäbisch Hall verleimt, vorgefertigt und in ganz Europa aufgebaut. Eine Reihe dieser Brücken davon wurden schon im Holzkurier präsentiert. Zuletzt war das die Wildbrücke Luckenwalde (s. Bild re. unten), in der 520 m3 Lärchen-BSH verbaut sind. Rund 150.000 m3 BSH hat Schaffitzel im Laufe der Jahre produziert. Sein da-raus entstandenes Lieblingsprojekt war eine 225 m lange, gebogene Spannbandbrücke zur Bundesgartenschau in Gera/DE.

Immer eine Diplomarbeit am Schreibtisch

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Accoya-Oberfläche im Detail © Johannes Plackner

Vorbildlich ist Schaffitzels Nähe zu Forschung und Weiterentwicklung. Seit Anfang des Jahres ist der Schwabe Vorsitzender des Deutschen Holzleimbauverbandes, Wuppertal. In dieser Funktion bestimmt er mit, welche Produkte im Holzleimbau künftig möglich sein werden. „Es liegt auch immer eine Diplomarbeit auf meinem Tisch“, sagt Schaffitzel. Aktuell erforscht ein Student der Fachhochschule Hildesheim die CO2-Bilanz von Brücken unterschiedlicher Bauweise. „Ich hab halt ein Faible für alles Neue“, erklärt er augenzwinkernd.

Accoya und Buche im Brettschichtholz

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Moderne Fertigung mit Industrieroboter, der von Minda für die Sortierung eingebaut wurde © Johannes Plackner

Womit man sich in Schwäbisch Hall seit jeher beschäftigt, sind alternative Holzarten für Brettschichtholz. „Lärche und Douglasie setzen wir seit Langem ein. Relativ neu sind Accoya und Buche“, sagt der Geschäftsführer. Versuche habe man auch mit Esche gemacht. „Das hab ich aber wieder sein lassen. Die Leimfugen sind alle wieder aufgegangen – ich zeig‘s Ihnen“. sagt er, verschwindet in seinem Büro und kommt Sekunden später mit dem Prüfordner von 2003 zurück. Topunternehmen haben halt auch immer eine Topordnung.
Zurück zu den Holzarten: Accoya hat sich als Rohstoff bewährt, der frei bewittert werden kann. Populäre Beispiele dafür sind zwei Brücken in Sneek/NL. Auch die Kunstwelt wurde darauf aufmerksam. Beim Werksbesuch lag Accoya-BSH bereit, welche in Irland eine Skulptur bilden sollen.
Vor wenigen Monaten wurde auch das erste deutsche Gebäude mit einem Buchentragwerk errichtet. Die Binder beim LWF Bayern in Freising stammten ebenfalls von Schaffitzel.
Und so ließe sich die Liste der Innovationen verlängern. Holzbeton-Verbundbauweise? Ist bei Schaffitzels Brücken schon fast Standard. Blockverleimung? Sind bis 45 m Länge kein Problem. Eingespannte BSH-Stützen? Hat Schaffitzel bei sich selbst realisiert (s. Holzkurier Heft 39, S. 28).

Feuertaufe ist bestanden

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2013: Jürgen Schaffitzel (li.) hat seinen Betrieb modernisiert und freut sich darauf, dass Sohn Jörg nächstes Jahr ins Unternehmen einsteigt © Johannes Plackner

Schaffitzel ist der richtige Ansprechpartner für anspruchsvolle und große Projekte. Mit der neuen Anlage ist man für die Zukunft gewappnet. Ihre Feuertaufe hatten sie nur wenige Tage nach Inbetriebnahme. Mehrere 42 m lange Träger waren aus dem Raum Gießen/DE bestellt. Das Bild oben mit den verladenen Bindern beweist: Es hat alles geklappt.
Für Projektierung und Mechanisierung der BSH-Linie war Minda, Minden/DE, verantwortlich.Die Schwaben wiederrum lieferten die Brettschichtholzkonstruktion für Mindas neue Werkshalle in Nordrhein-Westfalen.
Das Gewerk wird von Robert Falch, dem Geschäftsführer von Minda, ausdrücklich gelobt: "Die Qualität und Leistung von Schaffitzel haben uns sehr überzeugt. Deshalb setzten wir ein 30 m freitragendes BSH-Satteldach bei unserer modernen, von Licht durchfluteten Halle ein.

Enorme Entwicklung bei den Leimen

Gegenwärtig laufen die Anlagen bei Schaffitzel mit 60 % Auslastung. Nächstes Jahr soll der Ausstoß aber schon deutlich gesteigert werden. Zudem erwägt man die Investition in eine CNC-Abbundanlage. 11,5 Mio. € Umsatz strebt der Betrieb an. Praktisch ist, dass mit der neuen Halle auch im Zweischichtbetrieb gearbeitet werden kann. Das war mit der alten Anlage nicht möglich.
Abschließend noch ein Blick zurück. Wo erkennt Schaffitzel die größten Entwicklungen, seit er vor 30 Jahren in die Branche einstieg? „Den wichtigsten Fortschritt gab es bei den Leimen. Was heute möglich ist, war damals undenkbar. Das gilt für Polyurethan ebenso wie für Melamin- oder Resorcinharz.“

Geschichte der Schaf­fitzel Holzindustrie

1910 gründete Gottlob Schaffitzel ein Sägewerk in Sulzdorf, einem Ortsteil von Schwäbisch Hall. Der Standort wurde wegen der nahen Bahnlinie gewählt. Er vermachte den Betrieb Helmut und Kurt Schaffitzel. Aus einem reinen Sägewerk wurde schon sehr früh ein Leimholzhersteller. Schon 1958 verklebte der Betrieb den ersten Brettschichtholz-Träger mit Kaseinleim. Das damals neuartige Baumaterial wurde im eigenen Holzbaubetrieb verarbeitet. Aus Holzbau wurde Holzleimbau.
1969 investierte Schaffitzel in eine Leimerei und Maschinenstraße (Keilzinkung mit Hochfrequenzaushärtung). 1981 bekam der Betrieb eine damals notwendige Verbrennungsanlage, um Leimabwässer bei über 1000° C zu entsorgen. Ab 1984 forcierte Schaffitzel den Brückenbau. Schon unter der Ägide von Jürgen Schaffitzel wurde Know-how zur Bemessung ins Unternehmen geholt. Das Sägewerk war unrentabel und lief bis 1986.
Der nächste Investitionsschritt war 1989. Die Kapazität verdoppelte sich auf 5000 m3/J. Gängige Leimsysteme waren damals Resorcin- und Harnstoffharzleime. Heuer wurde die Linie erneuert. Die Kapazität hat sich mit 10.000 m3 wieder verdoppelt. Der nächste große Schritt kommt 2014: Die vierte Generation (Jörg Schaffitzel) wird ins Unternehmen einsteigen.