Mehr als hundertjährige Geschichte
1959: Der jetzige Eigentümer, Jürgen Schaffitzel, sitzt auf dem Kotflügel eines mit Leimholz beladenen Lkws © Schaffitzel
Wer heute die Werkshallen besucht, dem bietet sich ein anderes Bild. Die Lamellen werden von einem knallorangen Industrieroboter sortiert. Kappung und Keilzinkung geschehen voll automatisiert. Für die Längsverbindung sorgt ein Polyurethanleim. Nach dem Hobel werden die Lamellen von oben mit MUF- oder Resorcinharz beaufschlagt (das hängt von der Holzart ab). Über drei synchronisierte Brückenkräne wird der Presskuchen dann in das Pressbett für gerade oder gebogene Leimbinder eingehoben.
Betrieb für die nächste Generation
Jürgen Schaffitzel ist 59 Jahre alt. Da muss man sich Gedanken über eine Weiterführung machen. Das soll Sohn Jörg übernehmen, der 2014 in den Betrieb einsteigt. Der studierte Betriebswirt arbeitet gegenwärtig noch als Trainee in einem großen deutschen Bauunternehmen im Controlling. Dass der Sohn sein Werk dereinst weiterführen wird, freut Schaffitzel spürbar. „Da will ich natürlich einen modernen und wettbewerbsfähigen Betrieb übergeben“, erklärt der umgängliche Unternehmer seine Investitionsentscheidung.Ingenieurbüro für Brückenbau
Das Geschick, fähige Köpfe an den Betrieb zu binden, hat Schaffitzel schon zuvor bewiesen. Der junge Ingenieur Frank Miebach hatte fünf Jahre lang in der Schaffitzel Holzindustrie seine Holzbrückenkompetenz unter Beweis gestellt. Als er Schwäbisch Hall verlassen wollte, um zurück ins Rheinland zu gehen, ergriff Schaffitzel die Gelegenheit. Als Partner gründeten sie das Ingenieurbüro Schaffitzel-Miebach nahe Köln. Eine befruchtende Kooperation – was Miebach mit seinem Team plant, wird in Schwäbisch Hall verleimt, vorgefertigt und in ganz Europa aufgebaut. Eine Reihe dieser Brücken davon wurden schon im Holzkurier präsentiert. Zuletzt war das die Wildbrücke Luckenwalde (s. Bild re. unten), in der 520 m3 Lärchen-BSH verbaut sind. Rund 150.000 m3 BSH hat Schaffitzel im Laufe der Jahre produziert. Sein da-raus entstandenes Lieblingsprojekt war eine 225 m lange, gebogene Spannbandbrücke zur Bundesgartenschau in Gera/DE.Immer eine Diplomarbeit am Schreibtisch
Vorbildlich ist Schaffitzels Nähe zu Forschung und Weiterentwicklung. Seit Anfang des Jahres ist der Schwabe Vorsitzender des Deutschen Holzleimbauverbandes, Wuppertal. In dieser Funktion bestimmt er mit, welche Produkte im Holzleimbau künftig möglich sein werden. „Es liegt auch immer eine Diplomarbeit auf meinem Tisch“, sagt Schaffitzel. Aktuell erforscht ein Student der Fachhochschule Hildesheim die CO2-Bilanz von Brücken unterschiedlicher Bauweise. „Ich hab halt ein Faible für alles Neue“, erklärt er augenzwinkernd.Accoya und Buche im Brettschichtholz
Moderne Fertigung mit Industrieroboter, der von Minda für die Sortierung eingebaut wurde © Johannes Plackner
Zurück zu den Holzarten: Accoya hat sich als Rohstoff bewährt, der frei bewittert werden kann. Populäre Beispiele dafür sind zwei Brücken in Sneek/NL. Auch die Kunstwelt wurde darauf aufmerksam. Beim Werksbesuch lag Accoya-BSH bereit, welche in Irland eine Skulptur bilden sollen.
Vor wenigen Monaten wurde auch das erste deutsche Gebäude mit einem Buchentragwerk errichtet. Die Binder beim LWF Bayern in Freising stammten ebenfalls von Schaffitzel.
Und so ließe sich die Liste der Innovationen verlängern. Holzbeton-Verbundbauweise? Ist bei Schaffitzels Brücken schon fast Standard. Blockverleimung? Sind bis 45 m Länge kein Problem. Eingespannte BSH-Stützen? Hat Schaffitzel bei sich selbst realisiert (s. Holzkurier Heft 39, S. 28).
Feuertaufe ist bestanden
2013: Jürgen Schaffitzel (li.) hat seinen Betrieb modernisiert und freut sich darauf, dass Sohn Jörg nächstes Jahr ins Unternehmen einsteigt © Johannes Plackner
Für Projektierung und Mechanisierung der BSH-Linie war Minda, Minden/DE, verantwortlich.Die Schwaben wiederrum lieferten die Brettschichtholzkonstruktion für Mindas neue Werkshalle in Nordrhein-Westfalen.
Das Gewerk wird von Robert Falch, dem Geschäftsführer von Minda, ausdrücklich gelobt: "Die Qualität und Leistung von Schaffitzel haben uns sehr überzeugt. Deshalb setzten wir ein 30 m freitragendes BSH-Satteldach bei unserer modernen, von Licht durchfluteten Halle ein.
Enorme Entwicklung bei den Leimen
Gegenwärtig laufen die Anlagen bei Schaffitzel mit 60 % Auslastung. Nächstes Jahr soll der Ausstoß aber schon deutlich gesteigert werden. Zudem erwägt man die Investition in eine CNC-Abbundanlage. 11,5 Mio. € Umsatz strebt der Betrieb an. Praktisch ist, dass mit der neuen Halle auch im Zweischichtbetrieb gearbeitet werden kann. Das war mit der alten Anlage nicht möglich.Abschließend noch ein Blick zurück. Wo erkennt Schaffitzel die größten Entwicklungen, seit er vor 30 Jahren in die Branche einstieg? „Den wichtigsten Fortschritt gab es bei den Leimen. Was heute möglich ist, war damals undenkbar. Das gilt für Polyurethan ebenso wie für Melamin- oder Resorcinharz.“
Geschichte der Schaffitzel Holzindustrie
1910 gründete Gottlob Schaffitzel ein Sägewerk in Sulzdorf, einem Ortsteil von Schwäbisch Hall. Der Standort wurde wegen der nahen Bahnlinie gewählt. Er vermachte den Betrieb Helmut und Kurt Schaffitzel. Aus einem reinen Sägewerk wurde schon sehr früh ein Leimholzhersteller. Schon 1958 verklebte der Betrieb den ersten Brettschichtholz-Träger mit Kaseinleim. Das damals neuartige Baumaterial wurde im eigenen Holzbaubetrieb verarbeitet. Aus Holzbau wurde Holzleimbau.1969 investierte Schaffitzel in eine Leimerei und Maschinenstraße (Keilzinkung mit Hochfrequenzaushärtung). 1981 bekam der Betrieb eine damals notwendige Verbrennungsanlage, um Leimabwässer bei über 1000° C zu entsorgen. Ab 1984 forcierte Schaffitzel den Brückenbau. Schon unter der Ägide von Jürgen Schaffitzel wurde Know-how zur Bemessung ins Unternehmen geholt. Das Sägewerk war unrentabel und lief bis 1986.
Der nächste Investitionsschritt war 1989. Die Kapazität verdoppelte sich auf 5000 m3/J. Gängige Leimsysteme waren damals Resorcin- und Harnstoffharzleime. Heuer wurde die Linie erneuert. Die Kapazität hat sich mit 10.000 m3 wieder verdoppelt. Der nächste große Schritt kommt 2014: Die vierte Generation (Jörg Schaffitzel) wird ins Unternehmen einsteigen.