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Machen wir es ganz richtig? Unternehmer Stanislav Gasparik und seine Mitarbeiter im Gespräch mit FF-Revierleiter Robert Schrenk © Fürstenberg

Fichte – Baumart mit Zukunft

Ein Artikel von Gerd Ebner | 04.12.2013 - 09:50
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Auch bei Fürstenberg soll die Douglasie künftig eine größere Rolle spielen © Fürstenberg

Der Fürstlich Fürstenbergische Forstbetrieb ist mit 17.000 ha einer der größten Privatforstbetriebe Deutschlands. 1999/2000 trat hier der Forstwissenschafter und Volkswirt Dr. Jens Borchers die Leitung an. Er übernahm einen Betrieb,
    in dem wenige Tage zuvor ein epochales Sturmereignis stattfand. Orkan Lothar sorgte dafür, dass alleine bei Fürstenberg 600.000 fm am Boden lagen.in dem die Fichte „konventionell“ behandelt wurde.der zentral gesteuert wurde.
Für alle drei Probleme fand Borchers Lösungen, die „rational waren und sich unmittelbar an der Wirtschaftlichkeit orientierten“ – so lautete auch die Begründung, warum er 2011 in Freiburg den angesehenen Karl-Abetz-Preis erhielt.

600.000 fm am Boden, 44 /fm Erlös

Aber der Reihe nach. Auf einer Betriebsfläche von 1500 ha lagen 2001 600.000 fm, die um 44 €/fm ab Nasslager verkauft werden mussten. „Was das für die Ertragslage des Betriebes bedeutet, kann sich jeder ausmalen“, erläutert Borchers. Der Schüler des Freiburger Waldwachstumskundlers Peter Abetz sah offenen Auges, was Duffner in der Forstverwaltung Waldburg-Wolfegg und bei Thurn und Taxis initiierte: stabile, perfekt durchforstete Bestände, Naturverjüngung und verringerte Baumhöhen. „Hätte es bei Fürstenberg ähnliche Wälder gegeben, wäre der Sturmschaden wohl deutlich geringer ausgefallen. Eine solche Umbruchsituation schrie nach Veränderung. “

Organisation dezentral, keine Selbstwerber

Fürstenberg stellte zunächst den Betrieb organisatorisch komplett um.
Die Verantwortung wanderte in die Reviere. Deren Leiter planen, die Betriebsleitung segnet die dezentralen Pläne ab, die dann wieder in den Revieren umgesetzt werden. „Früher gab es bei uns fast nur Selbstwerbung. Das haben wir komplett eingestellt. Der Holzverkauf ist unsere Haupteinnahmequelle, die wollten wir voll nutzen können“, erklärt Borchers. Der bestehende Holzhof wurde abgestoßen und die Mitarbeiterzahl insgesamt von 56 auf nur noch 23 reduziert.
Als die Organisation stand, wurden die waldbaulichen Ziele neu definiert: Drastische Absenkung der Umtriebszeit auf 60 bis 80 Jahre, bei 25 m Oberhöhe ist die Zielproduktion erreicht, die Stämme haben da einen BHD von 40 bis 45 cm. Je nach Standort wird die Z-Baumzahl zwischen 250 und 400 Stück variieren.

Bunte Naturverjüngung – Fichte priorisiert

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So soll es sein: üppige Fichten-Naturverjüngung bei Fürstenberg unter 70-jähriger Fichte © Fürstenberg

Bei Erreichung der Zielhöhe hat man darunter schon eine Naturverjüngung. „In der Naturverjüngung gibt es vorrangig Fichte, die auch weiter priorisiert wird. Die Tanne sollte im Schwarzwald immer dazugehören, weswegen alte Samenbäume systematisch geschont werden. Wenn wir das Wild im Griff haben, kommt die Tanne mit. Ebenso Ahorn, Kiefer und Buche“, erläutert Borchers.
Die flächig etablierte Naturverjüngung wird durch einen einmaligen Pflegeeingriff auf ein Raster von 2 mal 2 m, also auf 2500 Stück reduziert. Um ein „Ersaufen in der Fichte“ zu verhindern, wird gewünschten Mischbaumarten, wie Kiefer und Tanne, aktiv geholfen – also quasi Minderheitenschutz betrieben.

Jungbestandspflege in Nasenhöhe

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Machen wir es ganz richtig? Unternehmer Stanislav Gasparik und seine Mitarbeiter im Gespräch mit FF-Revierleiter Robert Schrenk © Fürstenberg

„Es ist enorm wichtig, dass der erste Pflegeeingriff bei einer Baumhöhe von rund 2 bis 4 m erfolgt“, pocht Borchers. „Diese 30 bis 50 Pflegestunden kosten 700 bis 900 €/ha. Das ist das bestangelegte Geld überhaupt. In ,Nasenhöhe‘ entscheidet sich das Gelingen meiner waldbaulichen Zielsetzung.“ Im Schwarzwald wächst die abgedeckte Verjüngung zwischen 20 und 70 cm pro Jahr. Die Gefahr, zu spät zu kommen, ist also immanent.
Seit zehn Jahren vertraut Fürstenberg Forst bei der Durchforstung auf den slowakischen Unternehmer Stanislav Gašparík, Makov/SK.
Bevor die Z-Bäume mit dauerhaften Plastikbändern markiert werden, erfolgt die voll mechanisierte Feinerschließung der Bestände. Diese darf erst beginnen, wenn der grüne Kronenansatz so weit in die Höhe gewachsen ist, dass der Harvesterfahrer von der Gasse dauerhaft in den Bestand hineinschauen kann. Dies ist bei einer Oberhöhe von 12 bis 15 m der Fall.

Bäume maximal 25 m

Ab einem BHD von 40 bis 45 wird geerntet. Die Oberhöhe liegt da bei maximal 25 m. „Die Z-Bäume gibt es faktisch in einer Gaußschen Verteilung. Die kann ich dann über einen Nutzungszeitraum von 20 Jahren ernten. So erhalte ich gestufte Durchmesser, aber auch Waldbilder mit viel Naturverjüngung“, schwärmt Borchers. „Der Plenterwald ist für uns aber absolut kein Ideal.“
Die Betriebsleitung achtet zusammen mit den Förstern darauf, dass es „keine Durchforstungsrückstände gibt, keine Leer- und keine Grasstellen. Der Betrieb muss auf der ganzen Fläche produzieren“, verlangt er von seinen Förstern. „Die Größe der FF-Forstreviere reicht von 1800 bis 4800 ha. Diese Flächen werden, wie kleine Betriebe, dezentral und faktisch treuhänderisch gegenüber dem Eigentümer verantwortet“, erfährt man.

Fichten-Status quo verfälscht Sichtweise

Die konsequente Pflege, die Reduzierung von Oberhöhe und Zieldurchmesser, verbunden mit einer sehr hohen Z-Baumanzahl, sind die radikalsten Unterschiede zur gängigen Fichtenbewirtschaftung. „Der Status quo ist doch, dass heute Fichtenbestände beurteilt werden, welche die vergangenen 100 Jahre völlig falsch behandelt wurden. Die Altholzbestände besitzen infolge der jahrzehntelangen Niederdurchforstung deformierte und eingeengte Wurzelkörper, haben vielfach schlechte HD-Werte, kurze Kronen und zu lange Umtriebszeiten. Dann heißt es, die Fichte neige zu Kalamitäten. Wir beweisen, wie robust die Fichte sein kann. In gut durchforsteten 40 bis 60-jährigen Beständen sind Wind- und Käferkalamitäten extrem selten.“ Die süddeutsche Holzindustrie freut sich über Fürstenbergs Bekenntnis zur Fichte und die kürzen Umtriebszeiten, die vorrangig 2b-Zielsortimente bringen. „Wir liefern aber zwangsweise abholzigeres Holz und
die Jahrringe sind weiter, als vielfach gewohnt“, gibt der Betriebsleiter zu bedenken. „Ich kenne im Schwarzwald 150-jährige Bestände mit 50 cm BHD. Solch‘ skandinavisches Holz kann und will ich auch nicht produzieren. Auch nach bisher gewohnter Sortierung, mastentaugliches Holz wird zukünftig seltener werden.“

System flexibel, man kann sich anpassen

Borchers hat Ernüchterndes gelernt: Bei BC-Holz ist es derzeit preislich egal, ob die Jahrringe 1 mm oder 1 cm aufweisen. „Wichtig ist, dass wir mit unserem Z-Baumsystem sehr flexibel sind. Wir können jederzeit umschwenken auf etwas stärkere Stämme. Das kann man weder bei den gängigen, auf Wertholz abzielenden Z-Baum-Systemen mit um die 100 bis 200 Z-Bäumen noch bei der althergebrachten Niederdurchforstung, bei der die HD-Werte einfach zu schlecht und die Bäume zu instabil sind.“
Die Fichte verjüngt sich in Deutschland auf wechselfeuchten Standorten sehr gut. Als Problem erkennt Borchers die wechselfeuchten oder dauerhaft vernässten Tieflagenflächen, wo sich die Fichte bereits selber verjüngt hat. Sein pragmatischer Ansatz: „Versuchen, diese mit frühen Eingriffen wieder stabil zu bekommen.“ Höhenstufen über 400 m haben vermutlich mit dem Klimawandel weniger Probleme. Bei Standorten darunter wird man nicht umhinkommen, andere Baumarten beizumengen. „Ich halte es aber für eine Mär, dass die Buche klimaunempfindlich sei. Ich würde die Buche auch mit Nadelhölzern, wie Tanne oder Douglasien, waldbaulich begleiten. So wie man Tanne mit der Fichte beimengt, gehören Tanne und Douglasie in die Buche.“
Fürstenberg ist kein reiner Fichtenbetrieb. „Derzeit hält diese Baumart 60 %. Das wollen wir halten. Der Anteil wird aber noch steigen, weil auf den 1500 ha Lothar-Flächen ja noch viel Weichholz ist, das sukzessive ausgeschieden wird“, erläutert Borchers.

90 % Geld aus Holzverkauf

90 % des Betriebsergebnisses erwirtschaftet Fürstenberg mit der Holzvermarktung. Der Betriebsleiter charakterisiert die Kunden von Fürstenberg Forst als „typische kleine, mittlere Sägewerke mit Einschnitten zwischen 30.000 und 300.000 fm pro Jahr“. Diese sind nahe – „und die Nähe hat für beide Seiten Vorteile“, urteilt er. Pro Jahr werden rund 110.000 fm geschlagen, die Kunden erhalten jeweils zwischen 2000 und 10.000 fm. Wie in der Region üblich werden die Mengen vorab auf ein Jahr abgeschlossen, die Preise werden dann halbjährlich verhandelt. Preislich bleibt Borchers „nichts anders übrig, als uns an der ForstBW zu orientieren – der Marktführer strahlt einfach zu stark aus“. „Das Waldbauziel hat bei uns immer mit den Kundenwünschen zu tun. Wir bekennen uns natürlich zum Zielsortiment der Kunden“, betont Borchers. Interessanterweise spielt das Waldmaß nach wie vor eine große Rolle. „Bei Langholz reicht allen Beteiligten die Genauigkeit. Wir haben niemals Streit“, so Borchers, der sich „bei Blochholz endlich ein Maß für ganz Europa“ wünscht. „Ein Liter Milch ist überall ein Liter. Es ist ein Armutszeugnis für unsere Branche, dass sich nicht einmal ein Österreicher mit einem Deutschen über einen Festmeter unterhalten kann, weil es überall etwas Anderes ist.“
Das Verdrängungsmaß wäre für Borchers der richtige Ansatz. Die rotierende Kluppe hätte theoretisch die Möglichkeit, die echte Stammform abzubilden. Diese wäre aber für viele kleine Unternehmen zu teuer. „Sollte es jemals ein einheitliches Maß geben, müssen alle eine neue Preisigkeit finden – dann geht es normal weiter“, blickt Borchers voraus.

Wirklich Wald mit Wild

Die Jagd ist ein weiteres Standbein bei Fürstenberg. „Bei uns gilt wirklich, Wald mit Wild. Andere postulieren das auch, wir haben aber genug Personal auf der Fläche, um das auch leben zu können. Diese Flächenpräsenz ist forstlich, aber noch viel mehr jagdlich notwendig“, so Borchers.
Geld erhält Fürstenberg auch über Dienstleistung, und zwar über zwei ungewöhnliche Zweige: Friedwälder und Exkursionstourismus.

Große Friedwaldflächen

In den 17.000 ha-Wäldern sind fünf Bestattungswälder zwischen 25 und 70 ha ausgewiesen. „Die einzelnen Friedwaldstandorte sind deutlich größer als der aktuelle Bedarf. Da der Genehmigungsprozess aber komplex und langwierig ist, haben wir Fläche auf Vorrat ausweisen lassen – eine sinnvolle Entscheidung, wie unterdessen deutlich wurde“, erklärt Borchers. Inzwischen erlöst man mit der Bestattung „deutlich mehr“ als mit der Jagd.
Der unkonventionelle Weg der Bewirtschaftung sorgt für Aufsehen. „Der Exkursionstourismus zu uns ist so groß, dass wir uns dort, wo die Besuche nicht auf Gegenseitigkeit erfolgen, die investierte Zeit vergüten lassen müssen“, erklärt er eine eher ungewöhnliche Einnahmequelle seines Forstbetriebs. Umgekehrt besucht auch er mit seiner Mannschaft jedes Jahr einen anderen Betrieb. „Das ist immer sehr befruchtend“, weiß er.

Waldburg-Wolfegg mitbewirtschaften

Im Januar schließt sich für Borchers ein Erfahrungskreis: Ab dann wird er auch für die Betriebsführung in der Forstverwaltung Waldburg-Wolfegg zuständig sein. Also der Region, die bereits seit Mitte der 1970er-Jahre nach ähnlichen Grundsätzen bewirtschaftet wird, wie er sie in Donaueschingen praktiziert.
Sollte dereinst sein Betrieb wieder von einem Sturmereignis getroffen werden, so werde der Schaden deutlicher geringer als bei Lothar sein, erwartet Borchers. Er hat allerdings Angst, zu diesem Zeitpunkt von instabilen Wäldern umgeben zu sein. „Dann liegt der Holzpreis am Boden und wir leiden mit“, sagt er voraus.

Fürstl. Fürstenbergischer Forstbetrieb

Größe: 17.000 ha
Einschlag: 110.000 fm/J
Erlössäulen: Holzernte (90 %); Friedwälder, Jagd
Reviere: sechs, ab Januar zusätzlichForstverwaltung Waldburg-Wolfegg

Produktionsmodell

Prämisse: Zieldurchmesser steuert Z-Baumanzahl
Jungbestandspflege: bei 2 bis 4 m Oberhöhe; 2 mal 2 m-Raster
Anzahl Durchforstungen: 4 bis 7
Umtriebszeit: 80 Jahre
Endbestand: 40 bis 45 cm BHD; Oberhöhe >25 m; Z-Baumanzahl: 250 bis 400 Stück