Sägewerk Schuh

Wenn die Stadt zum Wald wird

Ein Artikel von Raphael Kerschbaumer | 30.09.2021 - 11:40

Als das Sägewerk 1959 von Rudolf Schuh im 23. Wiener Gemeindebezirk gegründet wurde, war es noch von Industrieland und Kleingartensiedlungen umgeben. Heute türmen sich moderne Wohnanlagen und Baukrane rund um das 3500 m2 große Areal von Wiens letztem Sägewerk. Doch Georg Schuh, der das Unternehmen 2005 von seinem Vater übernommen hat, denkt nicht ans Aufhören: „Solange man mich hier sägen lässt, werde ich das auch tun“. Die Auftragslage gibt im Recht – das Geschäft mit Altholz und historischen Baustoffen läuft.

Spezialist für Altholz

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Georg Schuh ist sichtlich stolz, das letzte Sägewerk Wiens zu betreiben © Raphael Kerschbaumer

„Wir haben den Begriff Recycling schon gelebt, da war er bei den meisten Leuten im Sprachgebrauch noch nicht vorhanden“, beschreibt Schuh das Geschäftsfeld seines Unternehmens. Tatsächlich geht durch die Gattersäge in Atzgersdorf kein einziger frisch gefällter Stamm. Das ganze Holz, welches hier verarbeitet wird, ist meistens schon weit über 100 Jahre alt und stammt zu 80 % aus den Dachstühlen und alten Geschossdecken der Wiener Altbauten. Den Rest bekommt Schuh aus alten Bauernhäusern oder Ställen aus dem Wiener Umland. In den Geschossdecken wurden meist halbrunde Fichtenstämme, sogenannte Dippelbäume, verbaut. Diese als Tragelemente dienenden Holzelemente werden bei Schuh aufgetrennt und zu Altholzfußböden weiterverarbeitet.

Die wertvollsten Stücke kommen in Atzgersdorf jedoch meist nicht mit der Säge in Berührung. Alte, noch handgehackte Balken und Träger werden vor Ort gereinigt und gebürstet. Auf Sicht verbaut, sind sie längst nicht mehr nur in urigen Skihütten oder auf Almen zu finden.

Auch die etwas jüngeren und bereits gesägten Holzträger erfreuen sich großer Beliebtheit. Diese verkauft Schuh nach einer Aufbereitung meist an Möbel- oder Schälfurnierhersteller.

Nachhaltig ins Luxuschalet

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Die alten Balken und Bretter von Schuh sind auch in den Tiroler Alpen wiederzufinden © Wochenbrunner Alm

„Für jeden Balken, den wir einschneiden, darf ein Baum im Wald weiter stehen bleiben“, beschreibt Georg Schuh sein nachhaltiges Geschäftskonzept. Nachhaltigkeit bzw. Baustoffrecycling ist neben dem besonderen Charme der rustikalen Hölzer ein wertvolles Verkaufs-argument: „Unsere Kunden sind quer über den Alpenraum verteilt. Die Wahrscheinlichkeit, in einer Tiroler Almhütte Wiener Altholz zu finden, ist sehr hoch“. Sogar bis nach Übersee haben es die Wiener Hölzer bereits geschafft: „Vor einigen Jahren konnten wir einen kompletten Heurigen samt Weinkeller im kalifornischen Napa Valley ausstatten“, berichtet Schuh stolz.

Ressource Altbau

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Die handgehackten Balken aus den Wiener Altbauten sind auch nach über 100 Jahren noch Blickfänge © Raphael Kerschbaumer

In Wien wird kaum ein Gründerzeithaus abgerissen oder ausgebaut, ohne dass der zweifache Familienvater Schuh davon erfährt. „Über die Jahrzehnte im Geschäft, haben wir uns ein Netzwerk aufgebaut und uns als Abnehmer von Altholz etabliert. Die mit dem Abbruch beauftragten Unternehmen kontaktieren uns bereits im Vorfeld und liefern uns die alten Hölzer auf die Säge“, beschreibt Schuh seine Rohstoffquelle. Abgerechnet wird meist nach Gewicht – 90% der alten Balken kommen per Baucontainer auf den Lagerplatz von Schuh. Rund 200 €/t zahlt er dabei, abhängig von den Dimensionen und dem genauen Sortiment, für die teils historische Ware – „pro Baustelle können da schon bis zu 50 t an Material zusammenkommen“, informiert Schuh weiter.

Sorgen um eine mögliche Rohstoffknappheit gibt es bei Schuh keine: „In Wien stehen noch Zehntausende alte Gründerzeithäuser, voll mit wertvollem Altholz.“ Dabei kamen bereits durchaus geschichtsträchtige Hölzer auf die Wiener Säge. Schuh verarbeitete bereits alte Dippelbäume und Sparren aus der Hofburg, der Spanischen Hofreitschule oder erst unlängst über 300 Jahre altes Holz aus dem Palais Liechtenstein.

„Neue“ Gattersäge Baujahr 1975

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Mit einer Gattersäge werden die alten Dippelbäume zu Fußbodenlamellen aufgetrennt © Raphael Kerschbaumer

Vor fünf Jahren musste Georg Schuh seine altbewährte Gattersäge austauschen. Nach rund 50 Jahren im Betrieb hatte die Säge vom ehemaligen österreichischen Gattersägenhersteller Pini & Kay jedoch mehr als ausgedient. Doch auch bei der „neuen“ Säge blieb man dem Altwiener Maschinenhersteller treu – nur dass das Gatter mit Baujahr 1975 um zehn Jahre jünger daherkommt als sein Vorgänger. Eine Arbeitserleichterung bringt sie im Vergleich aber trotzdem mit: „Die Gattersäge kann die Walzen bereits hydraulisch heben und ist mit einem elektrischen Vorschub ausgestattet“, beschreibt Schuh sein eigenes Stück Gattersägengeschichte. Leisten muss sie trotz ihres Alters noch einiges – zwischen 2500 und 4000 m3 Altholz kommen und verlassen die Säge in Wien Atzgersdorf pro Jahr.