„Wir denken immer noch zu linear und zerstören Ressourcen, wie qualitativ hochwertige Rohstoffe, anstatt diese den kommenden Generationen zur Verfügung zu stellen“, erklärt Albin Kälin, CEO von Epea Switzerland, dem Schweizer Zertifizierer von sogenannten Cradle to Cradle-Produkten und -Unternehmen. Cradle to Cradle, abgekürzt C2C, sinngemäß „vom Ursprung zum Ursprung“ ist ein Ansatz für eine durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft.
Es gibt folgende Schwerpunkte: keine Lebensmittelabfälle, alles soll in einen biologischen Kreislauf zurückgeführt werden, Nutzung von 100 % erneuerbaren Energien und damit kein Verbrennen von fossilen Brennstoffen sowie eine schadstofffreie Umwelt. „Wichtig ist die Transparenz von Lieferketten. Beim Recycling geht es nicht um Down-, sondern Upcycling. Der Kunde sollte nicht erkennen, ob er frisches oder recyceltes Holz verwendet“, betont Kälin.
Recycling ist die Zukunft
Beim weltweit operierenden Möbelhändler Ikea ist alles Holz FSC-zertifiziert. „Wir haben unsere mehr als 10.000 Produkte dahingehend untersucht, ob sie zirkulär sind. Die Möbeleinzelteile müssen wieder trennbar sowie entweder wiederverwend- oder -verwertbar sein“, erklärt Jan-Olof Fechter, verantwortlich für Nachhaltigkeit bei dem schwedischen Möbelhaus. Bei Ikea besteht die Möglichkeit, auch gebrauchte Möbel wieder zurückzubringen. Bei den Büromöbeln existieren Leasingprogramme. „Holz ist zu wertvoll, um es in Gänze zu recyclen“, gibt Fechter zu verstehen. In der Ikea-Möbelfertigung wird zu 61% Spanplatte, 19% MDF/HDF und 20% Massivholz verarbeitet. „Holzspäne aus Spanplatten haben die gleiche Qualität wie Frischholzspäne. Wir wollen den Recyclinganteil bei der Spanplatte von aktuell 25% bis 2030 auf 70% erhöhen“. Bei recyceltem MDF/HDF soll der Anteil auf 15% steigen. 2300 t Holz wird derzeit wiederverwendet, 800.000 t werden recycelt.
Maximale Kaskadierung
Für das Bankgebäude „Circl“ der ABN Amro Bank in Amsterdam hat Derix 2021 den Nachhaltigkeitspreis erhalten © Derix
Die Derix-Gruppe, Niederkrüchten/DE, ist C2C-Goldmitglied. Das Unternehmen mit 70 Mio. € Umsatz produziert BSH, BSP und ist im Holzmodulbau aktiv. Der Derix X-Lam wurde 2021 mit dem Zertifizierungslevel Gold ausgezeichnet. „Die Rücknahme von gebrauchten Bauteilen wird bei uns zum Standard“, eröffnet Markus Derix, geschäftsführender Gesellschafter der Derix-Gruppe und erklärt: „Wir hatten 2016 ein zirkuläres Pilotprojekt in Amsterdam. Die ABN Amro Bank wollte ein Eventgebäude, welches der Kreislaufwirtschaft unterliegt. Welche Konsequenzen entstehen dadurch für den Holzleimbau? Es gab dafür keine Normen. Entstanden ist das für seine Nachhaltigkeit preisgekrönte Bankgebäude „Circl“.
Wenn man das gesamte Gebäude zurückbauen will, benötigt man wenige, möglichst lange Querschnitte für das gesamte Tragwerk. Bei Derix sah man sich an, welche Abfälle es gibt. So wurden aus Holzabfällen Kunstwerke geschaffen, Jeansstoff diente als Dämmmaterial und es wurde Solarenergie verwendet. „Es wurden alte Fenster genommen, um Besprechungsräume abzutrennen. Die Lifte sind geleast und nicht gekauft und über Hubbewegungen finanziert“.
Beim sogenannten „Re-use Planning“ ist es Derix ein Anliegen, möglichst viele Gleichteile zu verwenden. „Jedes Gebäude ist ein Materialdepot. Wir haben eine Rücknahmeverpflichtung bei unseren Bauträgern und wollen möglichst jedes Bauteil eins zu eins wiederverwenden. Dabei müssen auch Normen eine Kompatibilität haben. Was ist die Norm in ein paar Jahrzehnten? Materialverbünde müssen einerseits halten, aber gleichzeitig auch trennbar sein“, konstatiert Derix. „Klebstoffe dürfen nicht toxisch und gleichzeitig Teil eines biologischen Systems sein. Außerdem muss es weiter für Konsumenten bezahlbar bleiben“, ergänzt Käli
Wiederverwendung von Zellulosefasern
Die Lenzing-Gruppe stellt ihren Zellstoff selbst her. Die Viskose-, Modal- sowie Lyocellfasern sind die Endprodukte. Die Zellulosefasern finden zu 70% in Textilien, im Hygienebereich sowie als industrielles Beiprodukt Verwendung. Der Faserverbrauch lag 2021 weltweit bei 116 Mio. t. 21% davon entfielen auf Baumwolle, 6% auf holzbasierte Fasern, der Rest der Fasern ist erdölbasiert. Der Pro-Kopf-Verbrauch in Europa liegt bei 20kg/J. 2015 wurden 73% auf Deponien verbrannt, 14% Verlust und 13% (Altkleidersammlung) recycelt.
Seit 2017 nutzt die Lenzing-Gruppe als erster kommerzieller Hersteller die sogenannte „Refibra-Technologie“ als Beitrag zur Kreislaufwirtschaft. Der Recyclinganteil liegt heuer bei bereits 30%. Diese Technologie beinhaltet das sogenannte Upcycling eines wesentlichen Teils der Baumwollstoffreste, der mit Zellstoff vereint wird. Dabei wird das Rohmaterial zu neuen Lyocellfasern verarbeitet, um wiederum Stoffe und Kleidungsstücke herzustellen.