Ist Indien ein Holznettoimporteur?
Nach einem Bericht des indischen Zentrums für Wissenschaft und Umwelt (CSE) liegt der indische Gesamtholzbedarf bei rund 63 Mio. m3/J. Davon können rund 30 Mio. m3 aus inländischer Produktion gedeckt werden. Die verbleibenden 33 Mio. m3 stammen aus Importgeschäften. Die Gründe steigender Einfuhrmengen lassen sich auch in dem Fehlen nachhaltiger Forstwirtschaftspraktiken in Indien finden. Laut dem Indian State of Forest Report 2019 sind rund 24,5 % der Landesfläche bewaldet. Aufgrund der Übernutzungen und illegaler Einschläge nimmt diese jedoch Jahr für Jahr ab. Dies lässt die importierte Menge kontinuierlich steigen und führt dazu, dass Indien, bezogen auf die Volumina, in der globalen Holzimport-Rangliste bereits auf dem dritten Platz rangiert.
Warum braucht Indien den Holzimport?
Zum einen ist schon allein aufgrund der hohen Bevölkerungszahl die Nachfrage nach Holz und Holzprodukten besonders hoch. Weiter gibt es in Indien zahlreiche industrielle Anwendungen für hölzerne Produkte. Dazu zählen neben der Bau- auch die Möbel- sowie Papier- und Verpackungsindustrie. Die wachsende Wirtschaft und Infrastruktur des Landes fördern diese Entwicklungen zusätzlich.
Weiters ist in vielen Fällen der Import der landeseigenen Produktion auch in puncto Kosten überlegen. (Anmerkung d. Red.: In Indien erfolgt die Schnittholzproduktion in vielen Fällen noch mit technischen Mitteln, die in Europa längst in Museen zu finden sind. Produktivität und Output liegen folglich auf sehr geringen Niveaus.) Zuletzt sind die hohen – und auch gestiegenen – Anforderungen an Qualität und Eigenschaften der Hölzer ein zusätzlicher Grund für stetig wachsende Importzahlen, da diese mit heimischen Holzarten schlicht nicht erfüllt werden könnten.
Warum wird der indische Holzimport weiter zunehmen?
Das BIP der weltweit viertgrößten Wirtschaftsmacht betrug 2022 3,469 Bio. US-$. Seit 1991 ist Indien kontinuierlich in den führenden 10 % der global am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften. Hauptsächlich aufgrund des Dienstleistungssektors, welcher 2022 für 53 % des BIP verantwortlich war. Dahinter rangieren der Industriesektor (26 %) und die Landwirtschaft (20 %) auf den Plätzen zwei und drei. Innerhalb der Industrie ist der Bausektor ein wesentlicher Faktor, der im vergangenen Jahr rund 11 % des BIP Indiens beisteuerte. Indien wird sich zudem erwartungsgemäß bis 2030 zum weltweit drittgrößten Markt für Bauprodukte entwickeln und zusätzlich die global höchsten Wachstumsraten aufweisen.
Zwischen 2011 und 2015 stieg der indische Holzimport um 900.000 m3/J (9,3 %/J). Dem Trend folgend, würde 2023 die kumulierte Importsumme auf 31,5 Mio. m3 steigen. Da diese Zahlen jedoch bereits erreicht wurden, kann die Höhe des zukünftigen Bedarfs derzeit nur erahnt werden.
Ist der Holzbau der größte Abnehmer Indiens?
Historisch hat der Holzbau keine große Tradition und Relevanz in Indien. Laut Erhebungen aus 2021 lag die Holzbauquote lediglich bei 3,4 %. Ziegel, Lehm und Beton sind dem Holz anteilsmäßig um Längen voraus, da sie in Indien traditionell als hochwertigere Produkte für den Bau angesehen werden.
In welchen indischen Industriezweigen wird Nadelholz verwendet und in welchen Mengen?
Aus der aktuellsten Erhebung im Jahr 2011 geht lediglich eine Untergliederung in drei Teilbereiche hervor. Demnach wurde der indische Holzverbrauch (Brennholz ausgenommen) in Wohnungsbau, Möbel und landwirtschaftliche Erzeugnisse unterteilt. Speziell für den gesamten Verpackungs-, Platten-, Sperrholz- und Möbelmarkt gibt es jedoch keinerlei offizielle Schätzungen.
Ein Blick in ein indisches Lager von Megamet, einem der führenden Importeure Indiens für europäisches Nadelschnittholz © Megamet Steels
Kauft Indien nur Rundholz?
Der Holzeinschlag betrug in Indien 2020 rund 85 Mio. fm. Weitere 15 Mio. fm Rundholzäquivalente (RWE) wurden importiert. 65% des gesamten Holzimports laufen dabei über die Hafenstadt Kandla im Westen des Landes, wobei heute bereits ein Gutteil aus Schnittholzimporten besteht. Der Anteil an Rundholzimporten fiel von 83 % im Jahr 2007 auf 48 % in 2018.
Datacube-Info
Nadelschnittholz-Exporte von Europa nach Indien 2022
- Deutschland: 411.000 m3
- Schweden: 55.000 m3
- Österreich: 49.000 m3
- Finnland: 17.000 m3
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Wie hat sich Indien vom Rund- zum Schnittholz bewegt?
Alles begann damit, dass führende indische Unternehmen aus der Holzbranche anfingen, die Vorteile von Schnitt- gegenüber Rundholz zu bewerben. Die Struktur der verarbeitenden Betriebe in Indien besteht vorwiegend aus kleinen Sägewerken rund um die Region Kandla. Genaue Zahlen zu deren Produktion und vor allem Produktivität können aufgrund ihrer Kleinteiligkeit nur schwer erhoben werden.
Durch breit angelegte Marketingkampagnen konnten in den vergangenen Jahren jedoch etliche Verarbeiter dazu bewogen werden, von Rund- auf Schnittholz umzusteigen. Auch Preisanstiege vom Nadel- gegenüber dem Laubholz begünstigten diese Entwicklungen.
Was sind die Treiber für Nadelholzkonsum in Indien?
Indiens Exporte in den Bereichen Pharmazeutika, Maschinen- und Anlagenbau, Automobilzulieferer oder Metallen, wie Eisen, Stahl oder Aluminium, sind von großer Bedeutung für den Welthandel. Die indischen Verpackungshersteller arbeiten mit den großen Exportzentren vorwiegend auf Vertragsbasis zusammen. Der Schnittholzverbrauch in diesem Sektor stieg über die Jahre kontinuierlich. Heutzutage ist zudem in Verträgen nicht selten zu lesen, dass europäisches kammergetrocknetes Schnittholz eine wesentliche Voraussetzung darstellt. Dies sorgte für einen Anstieg der europäischen Marktanteile in diesem Segment.
Wie sieht die Zukunft in anderen Sektoren aus?
Die stetig wachsende Mittelschicht mit höherem Einkommen in Indien verändert auch das Konsumverhalten der Bevölkerung, vor allem im dekorativen Bereich und in Möbelanwendungen, zugunsten importierter Laub- und Nadelhölzer.
Gemeinsam mit politischen Reformen betreffend ausländische Investitionen im Bausektor dürfte dies den Holzimport weiter ankurbeln. Weiters ist auch in Indien der Trend hin zu nachhaltigen Anwendungen und Alternativen spürbar. Einzelne Unternehmen planen bereits hölzerne Leuchtturmprojekte in Indien – unter der Verwendung von verleimten Massivholzprodukten, wie Leimbindern und Brettsperrholz.
Warum wird die europäische Sägeindustrie von Indien profitieren?
Indiens Wirtschaft wächst weiter rasant. Für 2023 prognostiziert der International Monetary Fund (IMF) ein Wachstum von 8,2 %. Damit wäre Indien die global am stärksten wachsende große Volkswirtschaft. Die exportorientierte Produktion, massive Investitionen in die Infrastruktur des Landes und die weiter voranschreitende Urbanisierung lassen den Bedarf an Holz weiterwachsen. Indien positioniert sich weiter als bedeutender Mitbewerber, um lukrative Produktionsstandorte global führender Unternehmen zu gewinnen – zuletzt kündigte beispielsweise der US-Riese Apple an, in Indien tätig zu werden. Trotzdem bleibt der indische Holzmarkt derzeit weiter chaotisch und sehr klein fragmentiert. Rundholzimporte befinden sich jedoch bereits seit Jahren im deutlichen Abschwung – vor allem aus Australien, Uruguay oder dem afrikanischen Kontinent.
Die logische und offensichtliche Antwort auf die Probleme in Kombination mit dem hohen Bedarf sind die europäischen Betriebe. Im geografischen Vorteil gegenüber anderen Regionen bietet sich hier auch aufgrund vieler bereits lang bestehender indisch-europäischer Beziehungen eine große Chance.
Richtigstellung
In diesem Beitrag kam es zu einem Übersetzungsfehler aus dem Originaltext der Autorin. Bei den angeführten Mengen, wie beispielsweise dem gesamten indischen Holzbedarf, handelt es sich nicht rein um Schnittholz, sondern um die Summe sämtlicher Holzprodukte und verwandten Erzeugnisse. Dazu zählen laut dem zitierten Bericht des indischen Zentrums für Wissenschaft und Umwelt (CSE) neben Schnittholz auch sämtliche Holzwerkstoffe, Faser- und Industrieholz sowie Bambus. Den Großteil der indischen Einfuhrmenge machen laut CSE-Bericht Rundholz- und Papierimporte aus. Ausgenommen ist stets Brennholz.
Laut Informationen des indischen Ministeriums für Handel und Industrie lag 2022 die gesamte Nadelschnittholz-Importmenge bei rund 765.000 m3.
Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen!