Mehr als nur ein Flirt

Ein Artikel von Administrator | 23.08.2001 - 00:00
In etlichen Workshops stellten der österreichische Forstverein und die Universität für Bodenkultur im Rahmen der Forsttagung Beziehungen zwischen Wissenschaft und Praxis auf verschiedenen Gebieten der Waldwirtschaft zur Diskussion. Ein Befund im Schutzwald ist einfach: Er ist in weiten Bereichen überaltert, verlichtet, zu wenig verjüngt und soll verbessert werden. Das ist nicht neu, das weiß und hört man seit Jahrzehnten. Und seit ebenso langer Zeit werden Sanierungsmaßnahmen gesetzt, die punktuell auch Erfolge brachten, eine Schutzwaldsanierung auf breiter Front ist aber nicht zu verzeichnen, Strategien für eine Verbesserung dieser Lage sind also gefragt.
Einen Überblick über die seit den frühen „Hochlagen- und Schutzwaldsanierungsprojekten” (1972) erfolgte Entwicklung, die über die „Gemeinsame Erklärung über Maßnahmen zur Verbesserung der Schutzwirkung des Waldes” (1991) bis zu der „Neuorientierung der österreichischen Strategie zur Sicherung und Verbesserung der Schutzwirkung des Waldes” (1999) reicht, gab Min.-Rat Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Kudjelka, BMLFUW.
Der Wandel in der Bezeichnung von „Schutzwald” zu „Schutzwirkung des Waldes” ist dabei zu beachten. Die Notwendigkeit, aber auch Probleme einer integrierten Waldbewirtschaftung, bei der so unterschiedliche Interessen wie Einkommen für die Waldeigen-tümer, Schutz vor Naturgefahren, Natur- und Landschaftsschutz, Jagd, Weide etc. aufeinander abzustimmen sind, hob Dipl.-Ing. Dr. Gerhard Weiß, Boku, hervor. Schwerpunkte: Betonung des Nutznießerprinzips in der Kostenfrage, stärkere Beteiligung interessierter Gruppen an der forstlichen Planung, gezielte Steu-erung der Schutzwaldverbesserung und eine kommunikationsorientierte Aus- und Weiterbildung.
Ökokontrolling. Die Landesforstdirektion Tirol hat 1996 ein Ökocontrolling zur objektiven Beurteilung von Maßnahmen der Schutzwaldverbesserung entwickelt. Dipl.-Ing. Dr. Dieter Stöhr stellte die Arbeitsweise vor und unterstrich die Notwendigkeit, Prozesse während einer Projektlaufzeit steuernd zu begleiten sowie Erfahrungen aus dem Controlling für die weitere Planung nutzbar zu machen. Ein wichtiger Bestandteil des Verfahrens ist die Verjüngungsanalyse, da die Verbissschäden den weitaus größten Teil der Verjüngungshemmnisse darstellen. Untragbar hoher Verbiss bei Schutzwaldprojekten führe zu deren Einstellung, worüber auch die Öffentlichkeit informiert werde.
Dass in der Schutzwaldbewirtschaftung neben voller fachlicher Kompetenz auch die Fähigkeit und die Bereitschaft zu konstruktiven Auseinandersetzungen mit Vertretern von Interessen sehr verschiedener Art bestehen müsse, hob Dipl.-Ing. Dr. Georg Rappolt, Boku, hervor.Verbiss als Verjüngungshindernis. Mit Dipl.-Ing. Andreas Reiterer kam ein Vertreter des Forsttechnischen Dienstes für Wildbach- und Lawinenverbauung, Sektion Vorarlberg, zu Wort, also jener Gruppe Forstleute, die mit dem Schutzwald und insbesondere seiner Bewirtschaftung und Sanierung hautnah befasst ist. Reiterer sah in einer ausreichenden und standortgemäßen Verjüngung der heute vielfach überalterten und verlichteten Waldbestände den Kernpunkt der Sanierungsmaßnahmen. Er kritisierte die immensen Verluste durch den Verbiss, ohne den man sich viele Sanierungsprojekte rundweg ersparen könnte.
Im Gespräch. In der Diskussion ging es vor allem um Fragen der Finanzierung von Sanierungsmaßnahmen, um Eigentümer-, Nutznießer- und Unterliegerinteressen, Bannlegungsfragen, um die Beziehung Bund-Länder, Controlling, Wild und Jagd und um die Beziehung zwischen der Wissenschaft und der Praxis.
Wald und Wild sind dankbare Diskussionspunkte: Jeder weiß etwas darüber und keiner fühlt sich verantwortlich, jedenfalls nicht alleinverantwortlich und somit nicht zum Handeln verpflichtet.
Ob Univ.-Prof. Dr. Hubert Dürrstein bei seinen Einleitungsworten mit dem Moliere-Zitat „Wir sind nicht nur für das verantwortlich, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun” auch an das leidige Wildschadensthema gedacht hat? Aber auch in Bezug auf die Boku wurde darüber geklagt, dass von ihr kaum Impulse ausgingen, um die ökologische und ökonomische Bedeutung der Wildschäden ins rechte Licht zu setzen.
Mag sein, dass die Forschung Wildschäden nicht mehr als einen Arbeitsschwerpunkt sieht. Wäre aber nicht doch die verstärkte Publikation von Forschungsarbeiten wie etwa über die Wertänderung geschälter Bestände oder die Funktionsveränderung von Beständen, die durch selektiven Verbiss systematisch entmischt werden, von Interesse und eine wichtige Argumentationshilfe für die Praxis?
Waldökosystemsanierung. Auswirkungen verschiedener Baumarten und -mischungen auf den Waldboden waren im Rahmen eines Großprojektes im Bereich der Flyschzone (Kreisbach/NÖ) und Molassezone (Kobernausserwald/OÖ) untersucht worden, deren Ergebnis im Rahmen der Forsttagung vorgestellt und diskutiert wurden. Univ.-Prof Dr. Gerhard Glatzel ging davon aus, dass Buche den Boden tiefer durchwurzelt und damit auch besser erschließt als die Fichte. Insbesondere gelange das von der Buche aufgenommene Kalzium über die Blätter und Streu in den Oberboden, was die Humusbildung und den Säuregrad günstig beeinflusse.
Die verbreitete Meinung, dass die Buche es der Fichte ermögliche, im Mischbestand mit ihren Wurzeln in tiefere Bodenschichten vorzudringen, wurde nicht bestätigt. Unterschiedliche Baumarten nutzten eben unterschiedliche Bodenbereiche. Die Zweckmäßigkeit der Beimischung von Buche zu sekundärer Fichte, was zum Aufbau nicht natürlicher Buchen-Fichten-Mischungen führe, wurde erörtert. Fichte und Klimaerwärmung. Baumarten sollten eher im Schwerpunktgebiet als an den Grenzen ihrer natürlichen Verbreitung angebaut werden. Bedeutend sind nicht nur Mittelwerte, sondern insbesondere Extreme, wenn auch nur kurze Zeit einwirkend, die für das Überleben sehr bedeutend sein können, sowie die sich mit dem Klima ändernde Schädlingssituation.
Posterschau. Die Posterschau, in die Univ.-Prof. Dr. Hubert Sterba einführte, bot interessante Einblicke in Fachgebiete und Arbeitsweisen der Forschung. So wurde von Gerhard Banko über eine Kartierung der Fichtenreinbestände aus Satellitenbilddaten berichtet. Bei der Differenzierung nach Baumarten gebe es noch Probleme, Zusatzinformationen aus terrestrischen Erhebungen seien notwendig. Univ-Prof. Dr. Hubert Hasenauer und Stefan Pietsch präsentierten die Verwendung von Modellen zur Abschätzung von Stoffkreisläufen.
Ertragsvergleiche zwischen Buche und Fichte zeigten, dass die Buche auf guten Standorten mit der Fichte in der Volumsleistung mithalten kann, in der Wertleistung nicht (H. Ritzinger et al.). Auf ärmeren Standorten sei die Fichte der Buche stets überlegen. Fragen der Betriebssicherheit und der Bodenerhaltung wurden angesprochen.
Eine Borkenkäferstudie (P. Baier et al.) befasst sich mit Befallsdisposition bzw. Abwehrvermögen gegenüber dem Buchdrucker sowie mit der Bast- qualität, die für die Larvenentwicklung wichtig sei.Saftfluss und Wasserregime. In einer Studie kommt P. Hietz zum Ergebnis, dass die Buche einen höheren Wasserbedarf habe als die Fichte. Dementsprechend stark veränderten sich die Bodenwasservorräte (G. Jost und P. Schume). Der oberflächliche Wasserabfluss scheine auf guten Standorten weniger von Bedeutung zu sein als bei Rohhumus (H. Holzinger und Univ.-Prof. Dr. Hanns Wolfgang Weinmeister. O. Moser