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Dekan Prof. Dr. Dr. h.c. Gero Becker, Freiburg/D © Peters

Große Kronen - weißes Holz?

Ein Artikel von Administrator | 27.03.2002 - 00:00
Die Teilnehmerzahl überraschte: über 400 Gäste drängten am 19. März in das Kolloquium „Großkronige Buchen - Ein Konzept zur Wertholzerzeugung?” in Freiburg/D.
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Dekan Prof. Dr. Dr. h.c. Gero Becker, Freiburg/D © Peters

Vom Brennholz zum Designermöbel. Der Gastgeber, Dekan Prof. Dr. Dr. h.c. Gero Becker, skizzierte die Karriere der Buche: Zu Beginn der Industrialisierung frei von qualitativen Ansprüchen auf maximale Massenleistung gezüchtet, übernahm diese Baumart unter dem Einfluss waldgeschichtlicher Analysen sowie naturnaher Waldbaukonzepte eine führende Rolle.
Ihre Preisentwicklung verdeutlicht, dass globale Märkte helle Farbe und homogene Eigenschaften honorieren - wie diese Merkmale in starken Dimensionen schneller erzeugt werden können, ist Gegenstand gemeinsamer Forschungsaktivitäten von Universität und Forstlicher Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA).
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Prof. Konstantin Freiherr von Teuffel, Leiter der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg, Freiburg/D © Peters

Dimensionierung von Qualifizierung getrennt. Basierend auf einem Vorschlag von Altherr (1965), beginnt das vorgestellte Konzept mit extensiver Jungbestandspflege zur Qualifizierung im Dichtschluss - bis zur astfreien Schaftlänge entsprechend 25 bis 30% der Endhöhe. Für diesen Zeitraum sind Auswahl und Markierung von 60 bis 80 Z-Stämmen vorgesehen. Nun gelte es, deren Kronen von Bedrängern freizuhalten und hier den Zuwachs zu konzentrieren. Den fließenden Übergang zur einzelstammweisen Nutzung markieren 45 cm BHD, den Zieldurchmesser definierte er bei 60 cm.
Wie Prof. Konstantin Freiherr von Teuffel, Leiter der FVA, betonte, erfolge die Verjüngung nicht plenterwaldartig, sondern gruppen-, horst- oder kleinbestandsweise.
Nie mehr als 100. Daten von 75 zwischen 1875 und 1960 angelegter Versuchsflächen analysierte Dipl.-Forstw. Helmut Finkbeiner vom Freiburger Institut für Waldwachstum. Höhere Z-Baumzahlen und größere, astfreie Schaftlängen produzieren demnach ein höheres Hektar-Volumen astfreien Holzes. Eine geringere Anzahl großkroniger Z-Bäume erreicht dagegen schneller größere Dimensionen - und steigert die Erlöse über reduzierte Erntekosten.70 großkronige Buchen untersuchte Joachim Klädtke von der Abteilung Waldwachstum der FVA. Bis diese den Zieldurchmesser von 60 cm erreichen, dauert es 90 Jahre - für BHD 80 cm bedarf es zwischen 120 und 130 Jahren.
Schnell erwachsene Buchen - als Grenzwerte nannte Klädtke 60 cm BHD und 120 Jahre - produzieren überwiegend weißes Holz. Der Rotkern verteile sich gleichmäßig auf „matt- und normalwüchige” Exemplare und steige mit zunehmendem Alter an. Klädtke folgerte daraus eine frühzeitig einsetzende Lichtwuchsdurchforstung ab einer astfreien Stammlänge von 8 bis 10 m sowie die Auswahl von maximal 100 Z-Stämmen je Hektar.
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Georg Josef Wilhelm, Leiter Fachbereich Biologische Produktion, Landesforstverwaltung Rheinland-Pfalz © Peters

Kronenbasis angehalten. Auch die Landesforstverwaltung Rheinland-Pfalz will starke, astreine, rotkernfreie und spannungsarme Buchen erzeugen. Georg Josef Wilhelm, Leiter des Fachbereichs Biologische Produktion, untersuchte 70 baden-württembergische, pfälzische und lothringische Buchen - bei 33 Exemplaren erfolgte eine so deutliche Begünstigung, dass sich deren Kronenbasis im Alter zwischen 50 und 100 nicht weiter nach oben verlagerte (Leitmerkmal).
Die frühzeitige Förderung der Z-Stämme bei einer astfreien Schaftlänge von 9 m im Alter 35 erzeugte hochwertiges Stammholz über mittlere Radialzuwächse zwischen 3,5 und 5,2 mm. BHD 60 überschritten die Bäume mit Kronenschirmflächen von 110 m m² zwischen 80 und 100 Jahren - bei über 190 m m² brachten es diese Exemplare in 120 Jahren gar auf BHD 80.
Wilhelm bezeichnete Buchen mit niedriger Schwerpunktlage als außerordentlich stabil und gut mischbar innerhalb dauerwaldartiger Strukturen.
Lichtwuchsbetrieb modelliert. Andrew Haywood erstellte aus Umtriebszeit, Zieldurchmesser, astfreie Schaftlänge sowie Anzahl der Z-Bäume ein Modell für den Lichtwuchsbetrieb. Sein Resümee: je früher die Lichtstellung, desto größer die relative Kronenlänge. Für Zieldurchmesser über 50 cm im Alter 120 benötigt der Baum mindestens 60% relative Kronenlänge.
Gläserne Stämme. PD Dr. Ute Seeling und Prof. Dr. Gero Becker trennten zur Analyse des Buchen-Rotkerns 60 Stämme sektionsweise auf. 3-dimensionale Darstellungen der räumlichen Verteilung im Stamm („glass logs”) verdeutlichten die spindelartige, im Durchmesser nach oben zunehmende Form, die eine Prognose aufgrund rein äußerer Merkmale erschwere.
Auch bei großkronigen Buchen beobachteten sie einen ab dem Alter 120 deutlich zunehmenden Rotkernanteil - dessen Durchmesseranteil bliebe aber zunächst gering. Waldbaulich konsequent sei es, relativ kurze und dicke Erdstammstücke zu produzieren.
Daneben wirken sich große Kronen günstig auf die Statik des Baumes aus: je größer die Kronenschirmfläche, desto geringer die beobachteten Spannungen im Holz.
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Elmar Kirsch, Danzer Funierwerk, Reutlingen/D © Peters

Noch stärker? Auch betriebswirtschaftllich rentiere sich das Konzept: Prof. Dr. Helmut Brandl, FVA, kalkulierte holzerntekostenfreie Erlöse von 200 bis 250 €/ha/J für großkronige Buchen - gegenüber 150 bis 200 €/ha/J bei konventionellem Betrieb.Bevor sich vehemente Diskussionen über mögliche, fatale Folgen für die bereits angelaufene Vermarktung rotkernigen Holzes sowie die Anzahl der Z-Stämme und die Bewirtschaftung der „Zwischenfelder” entzündeten, verpackte Elmar Kirsch, Danzer Furnierwerk, Reutlingen/D, sein Fazit dezent, aber deutlich: Sinnvoll sei es, früh und konsequent Z-Stämme zu erziehen und in 120 Jahren auf hochwertige 60 cm BHD zu bringen: „Noch stärker kann sein, muss aber nicht.”
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Über 400 Gäste informierten sich am 19. März in einem prall gefüllten Hörsaal der Univerdität über ein neues Buchen-Wertholzkonzept © Peters