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Umweltminister Stefan Mörsdorf, Saarbrücken/D © von Hohnhorst

Wald vor dem Staat schützen

Ein Artikel von Administrator | 11.06.2002 - 00:00
Welche Rolle künftig der Staat als Waldbesitzer spielen oder ob er diese besser nicht spielen soll, darüber reflektierte der amtierende saarländische Umweltminister am 29. Mai anlässlich der Jahrestagung des Deutschen Forstwirtschaftsrates DFWR in Mettlach/D.
Die Vertretung der deutschen Forstwirtschaft stellte außerdem ihre aktuellen Forderungen an die Politik - die Bundestagswahlen am 22. September bereits fest im Visier.Scharf geschossen. Scharfe Schüsse feuerte DFWR-Präsident Hermann Ilaender auf die Bundesregierung ab: 2001 hätten sich die Rahmenbedingungen der Forstwirtschaft nicht nur ökonomisch deutlich verschlechtert: Neben niedrigen Holzpreisen und einer miserablen Kunjunktur kämpften die Waldbesitzer auch noch mit einem „forstpolitisch äußerst turbulenten” Jahr. An erster Stelle nannte er das novellierte Bundesnaturschutzgesetz sowie die Struktur des Rates für Nachhaltige Entwicklung. Ilaender begrüßte diese nationale Nachhaltigkeitsstrategie ausdrücklich, verstand jedoch absolut nicht, „dass in dem 16-köpfigen, vom Bundeskanzler eingesetzten Gremium kein Vertreter der Forstwirtschaft Platz hat.” Mehrfache Angebote des DFWR an den Bundeskanzler seien bisher dankend abgelehnt worden.Konsequenzen des Waldgipfels. Als Initiator und Unterzeichner des „gesellschaftlichen Vertrages”, geschlossen anlässlich des 1. Deutschen Waldgipfels im Oktober 2001, kam der DFWR seiner Umsetzungsverpflichtung „ein Stück weit nach”: Die Mitgliederversammlung verabschiedete die „Mettlacher Erklärung”. Die wichtigsten Ergebnisse und Forderungen des Waldgipfels finden sich hier aufgegriffen und für eine operationale Umsetzung konkretisiert.Aufgeteilt in vier Themenkomplexe (sh. Kasten) will Ilaender diese Forderungen in die Politik einbringen und die Bundes-parteien um ihre Haltung dazu befragen. Deren Antworten „dürften für die 1,3 Millionen deutschen Waldbesitzer wichtige Erkenntnisse für die Bundestagswahl am 22. September geben”.Kabinettsorder oder professoraler Rat? Ilaenders Blick in die Geschichte verdeulichte, dass die Frage „Muss der Staat selbst Wald besitzen und bewirtschaften” je nach Region und Epoche unterschiedlich beantwortet wurde. Während 1808 eine Kabinettsorder König Friedrich Wilhelm III. von Preußen lautete: „...dass die Administration der Forste durch den Staat ebenso verwerflich sei wie jene bei der Acker- und Viehwirtschaft”, hiess es 1970 bei Prof. Dr. Karl Hasel, damals Direktor des Instituts für Forstpolitik, Holzmarktlehre, Forstgeschichte und Naturschutz der Georg August Universität Göttingen/D: „Die Eigenarten der Forstwirtschaft [...] machen es notwendig, dass sich der Wald weitgehend in öffentlicher Hand befindet.”
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Umweltminister Stefan Mörsdorf, Saarbrücken/D © von Hohnhorst

Ketzerische Fragen oder Überlebensstrategie? Dürfe der DFWR seine Tagung einer solchen „gefährlichen” Frage widmen? Laut Saarlands Umweltminister Stefan Mörsdorf müsse er dies sogar, solle die Diskussion nicht von anderen, fremdbestimmt für den Wald geführt werden: „Es wäre nicht nur naiv, es wäre geradezu fahrlässig zu glauben, dass nach erfolgter Privatisierung der Bahn und der Post, nach erfolgter Privatisierung so mancher Landesbeteiligung, niemand auf die Idee kommen würde, die Frage nach der Privatisierung des Waldes zu stellen.”
10 Thesen bildeten das Gerüst seines Vortrages:
1. Ökonomischer Erfolg und hohe ökologische Standards sind keine Gegensätze. Den altersstrukturierten, kahlschlagfreien Dauerwald mit Naturverjüngung bezeichnete Mörsdorf als gültigen Konsens. Kultiviert im privaten Wald, musste er allerdings erst gegen die Staatsforstverwaltungen durchgesetzt werden.2. Weder die Waldbesitzart noch die Rechtsform des Bewirtschafters sind entscheidend für den ökologischen Zustand des Waldes, sondern die Bewirtschaftung selbst. Staatsforst, Kommunalwald und Privatwald wiesen keine wesentlichen Unterschiede im Waldaufbau und hinsichtlich ihrer vielfältigen „Wohlfahrtswirkungen” für die Gesellschaft auf - eine „Vorbildlichkeit” des Staatsforstes sei damit per se nicht gegeben.3. Die großen Unterschiede der Wirtschaftsergebnisse der öffentlichen Forste und der Privatwaldbetriebe lassen sich nicht alleine aus den zusätzlich durchgeführten öffentlichen Aufgaben erklären. Laut Agrarbericht der Bundesregierung erwirtschaftet der Privatwald Überschüsse, während der Staatswald rote Zahlen schreibt und damit öffentliche Haushalte belastet. Die Unterschiede in den Betriebsergebnissen bezeichnete Mörsdorf „alles andere als marginal”: Sie stiegen zwischen 1999 -vor Lothar - und 2000 von 159 auf 232 € an - bezogen auf den Reinertrag I pro ha.4. Der eigentliche Grund für den ökonomischen Mißerfolg des Staatsforstes liegt in dem Versuch mit Beamten auf der Grundlage des sperrigen Dienst- und Haushaltsrechtes Produktion, in diesem Fall Holzproduktion zu betreiben. Die Suche nach den tatsächlichen Gründe für den ökonomischen Mißerfolg des Staatsforstes führte Mörsdorf zur nächsten These.5. Die Trennung forstlicher Produktion und forstlicher oder forstnaher Dienstleistung von der waldbehördlichen - hoheitlichen Tätigkeit erhöht die ökonomische Effizienz, verbessert aber auch die Kontrolle der Einhaltung der Spielregeln des Waldgesetzes und der Waldbaurichtlinien. Hier schöpfte Mörsdorf aus interner Erfahrung: SaarForst -ein Eigenbetrieb nach Landeshaushaltsordnung - und Forstbehörde, nach kontroverser Diskussion hervorgegangen aus der früheren Landesforstverwaltung, führten zu höherer Effektivität: „Ökonomische Ineffizienz kann nicht mehr unter dem Mantel einer behördlichen und auch ansonsten segensreichen, aber undurchschaubaren Förstertätigkeit versteckt werden. Neben erhöhter Transparenz durch Konzentration auf messbare, im Betriebsergebnis ablesbare Aufgaben und damit erhöhter leistungsorientierter Betriebsangehöriger werde gerade auch die Effizienz beim Einsatz öffentlicher Mittel erhöht: SaarForst als Auftragnehmer realisiere nur, was beauftragt und damit bezahlt wird.
Einheitsforstämter forstbehördlicher und gleichzeitig betrieblicher Funktionen existieren im Saarland nicht mehr: Während sich die Behörde auf hoheitliche Aufgaben konzentriere, solle der Forstbetrieb mittelfristig die schwarze Null zu erreichen. Dies bezeichnete Mörsdorf vor dem Hintergrund der ungünstigen Vorratsstruktur seines Bundeslandes als „keine einfache, aber eine leistbare Aufgabe”: „Nach knapp drei Jahren behaupte ich selbstbewusst, dass der Ansatz funktioniert.”Die Trennung in Behörde und Betrieb machte der Minister keineswegs an der Größe einer Landesforstverwaltung fest: „Je größer, und daher schwieriger überschaubar eine Struktur ist, umso stärker machen sich die positiven Auswirkungen einer Funktionstrennung bemerkbar.”6. Auch bei einer Trennung von Behörde und Betrieb lassen sich anspruchsvolle ökologische und soziale Standards verankern. Die „gute fachliche Praxis”, verankert im neuen Landeswaldgesetz, definiert hier die grundsätzlich kahlschlagfreie Waldwirtschaft. Damit wolle die Landesregierung zeigen, „dass eine derartige Gesetzesnovelle mit an-spruchsvollen ökologischen Inhalten im weitgehenden Konsens sowohl mit den Waldbesitzern wie auch mit den Umweltverbänden möglich ist, wenn man einen kooperativen Ansatz wählt.”Neben der vor wenigen Tagen für den SaarForst-Landesbetrieb verbindlich unterzeichneten Waldbaurichtlinie - die als technische Anleitung „Naturgemäßer Waldbau” fungiert - hat Mörsdorf vor wenigen Wochen einen „Urwald vor den Toren der Stadt” eingerichtet: 1000 ha wuchskräftige Standorte mit erntereifen Buchen-Altholzbeständen, dauerhaft aus der Nutzung genommen, sollen einen Beitrag zu Waldpädagogik, Waldkultur, Waldforschung und Biodiversität leisten.7. Eine Behörde braucht Beamte, ein Forstbetrieb nicht. Mörsdorf, der während seiner bisherigen Amtszeit noch nie einen Förster verbeamtet hat, will dies auch in den nächsten Jahren nicht tun. Daneben gebe es „keinen ersichtlichen Grund, dass die Betriebsangehörigen alle eine forstliche Ausbildung brauchen. Wenn der Verwaltungsdirektor eines Krankenhauses ein Kaufmann sein kann und kein Arzt sein muss, warum muss dann der Geschäftsführer eines öffentlichen Forstbetriebes ein Förster sein?”8. Bestimmte Aufgaben sind nur dem öffentlichen Waldbesitz zuzumuten. Öffentlichen Waldbesitz bezeichnete der Minister überall dort unverzichtbar, wo vorrangig andere Funktionen als die nachhaltige Holzproduktion erfüllt werden.9. Pragmatische Lösungen statt ideologischer Grundsatzdiskussionen. Mörsdorf plädierte dafür, das Thema „Privatisierung” zu diskutieren, nicht in vertraute Feindbilder und und Rollen zu verfallen, sondern stattdessen pragmatische Lösungen zu suchen und umzusetzen. So lägen im Saarland große Teile real erbgeteilten Privatwaldes brach. Bevor über den Verkauf von Staatsforst nachgedacht werde, sollten diese erst wieder in die - private - Nutzung genommen werden.
Der überwiegende Teil der Revierleiter im SaarForst-Landesbetrieb sei zwischen 40 und 45 Jahren alt und verbeamtet. Da wolle sich der Minister„durchaus noch 15 Jahre Zeit lassen”, bevor er öffentlich über die Privatisierung von Staatsforstflächen nachdenkt. Bis dahin könne der Betrieb nur dann reüssieren, wenn er mit immens hohen fixen Personalkosten möglichst hohe Umsätze erwirtschaftet - und dazu benötigt er Fläche.
Als mittelfristig sinnvoll bezeichnete er es, nicht arrondierten Staatswald außerhalb der Ballungsräume zu privatisieren, auch um landwirtschaftliche Betriebe zu stärken. Wesentliche Aufgabe bleibe jedoch, die ökonomische Effizienz des staatlichen Forstbetriebes zu erhöhen. Hierzu sei zwingend kein Eigentümerwechsel sondern die Trennung von behördlicher und betrieblicher Funktion erforderlich. Das Modell des Landeseigenbetriebes bezeichnete Mörsdorf allerdings nicht als „Ende unserer Entwicklung.” Mörsdorfs 10. These entlieh sich der Minister an besonders prominenter Stelle: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben”.
Mettlacher Erklärung
Aufbauend auf den Inhalten des Waldgipfels leitet der DFWR für dessen Folgeprozess konkretisierte Konsequenzen und Forderungen ab:
I. Eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Forstbetriebe, die aus den beständig steigenden gesellschaftlichen Anforderungen an den Wald resultiert, ist aufzuhalten und auszugleichen.
II. Die positiven Effekte der Wälder und Holzverwendung zur Eindämmung der Klima-veränderung (Senken- und Substitutionseffekte) müssen intensiver untersucht, stärker berücksichtigt und der Öffentlichkeit intensiver vermittelt werden.
III. Die Forstwirtschaft ist als unverzichtbarer Partner für die Nachhaltige Entwicklung zu berücksichtigen.
IV. Die Verwendung von Holz aus nachhaltiger Waldwirtschaft ist zu fördern.