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Hans-Jörg Wechselberger, Neumarkt/DE © Peters

Glasklare Allianzen

Ein Artikel von Dipl.-FW Dr. Stefan Peters | 21.06.2004 - 00:00
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Hans-Jörg Wechselberger, Neumarkt/DE © Peters

Es gibt keine Organisation, welche die Landesforstverwaltungen ersetzen könnte,” charakterisierte Hans-Jörg Wechselberger, Leiter des zentralen Einkaufs bei Pfleiderer, Neumarkt/ DE, die Situation zwischen Forst- und Holzwirtschaft. „Wenn das Holz nicht geliefert wird, muss die Industrie in den Wald”.Dramatische Lage. Wechselberger, der 2003 in Mitteleuropa 6,5 Mio. t Holz erwarb, befürchtet, dass sich mit schrumpfender Präsenz der Landesforstverwaltungen auch der Kleinprivatwald - mit 40%igem Anteil - aus der Fläche zurückziehe.Diese „Situation ist viel ernster, als wir glauben” und bedürfe völlig neuer Gestaltung. In Bayern stünden forstliche Unternehmer auf der Straße, da mangels Geld keine öffentlichen Aufträge vergeben würden. Dringend erforderlich seien daher jetzt „glasklare Allianzen”, bei denen „jeder das macht, was er am besten kann.”
Unter dem leicht monströsen Titel „Forstverwaltungen - hoffnungslos? Forstunternehmer - am Hungertuch? Holzindustrie - international wettbewerbsfähig? Eine Strategie aus der Krise”, lud der Deutsche Forstunternehmerverband (DFUV), Wietze/DE, am 19. Juni zum Abschlußforum im Rahmen der 14. KWF-Tagung nach Groß Umstadt/DE. Moderiert von Dr. Rainer J. Eder, Leiter des Österreichischen Agrarverlages, Leopoldsdorf bei Wien, rangen 5 Referenten um tragfähige Lösungen.
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Hans-Jürgen Narjes, Wietze bei Celle/DE © Peters

Tödliche Ausschreibungen. Die Interessen von 3000 „schlagkräftigen und leistungsfähigen” Forstunternehmern mit 8000 Mitarbeitern, 1000 Harvestern und 3000 Forwardern vertritt Hans-Jürgen Narjes, Vorsitzender des DFUV. Hauptprobleme sind für ihn die schwierige wirtschaftliche Lage und der bürokratischer Aufwand: „Die deutsche Forstwirtschaft kann nicht ausschreiben”. Seine Branche ohne eigenen Waldbesitz sei von guter Kooperation mit den Wunschpartnern Waldbesitz und Holzindustrie abhängig.Partnerschaftliche Kette. Martin Gehringer, Leiter Holzernte & Transport bei Zellstoff Stendal Holz, Arneburg/DE, benötigt für das gleichnamige Zellstoffwerk mit einem Investitionsvolumen von 1 Mrd. € jährlich 3 Mio. m³ Rohholz-Äquivalente, 2 Drittel davon als Rundholz, das restliche Drittel als Hackschnitzel. Vom Aufbau dieser „partnerschaftlichen Prozesskette” profitierten neben 1500 frischen Arbeitnehmern auch der Waldbesitz über gestiegene Preise für Industrieholz.Unverstanden. Dr. Uwe Sayer, Geschäftsführer des FSC Deutschland, Freiburg/DE, schließt gerne Allianzen mit Gewerkschaften, Umweltverbänden und der Papierindustrie und bemüht sich nicht nur um die Zertifizierung, sondern um die Akzeptanz von Wald und Holz. Unter dem Motto „gute Waldwirtschaft wird belohnt” formulierte er zahlreiche Forderungen. So solle die Politik die Holzverwendung steigern, die Waldbesitzer nicht nur an die Holzproduktion, sondern auch an Gemeinschaftsaufgaben denken und die Forstverwaltungen den FSC nicht boykottieren. Während er der Industrie empfahl, künftig „vom Wald bis ins Wohnzimmer” zu denken, nahm er den Verbänden die „einseitige Information über den FSC” übel.
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Ministerialdirigent Gerd Janßen, Hannover/DE © Peters

Individuelle Lösungen. Missionarischen Eifer und Aggresivität abzulegen sowie seine Umgangsformen zu verbessern, empfahl dem FSC-Geschäftsführer Ministerialdirigent Gerd Janßen, KWF-Vorsitzender und Leiter der niedersächischen Landesforstverwaltung „Wenn der Ton ein besserer wäre” - wie etwa auf dem 1. Deutschen Waldgipfel - dann sei er „zur sachlichen Diskussion bereit”.
Die deutsche Holzwirtschaft beweise ihre internationale Konkurrenzkraft durch steigende Exporte. Da der Himmel keine höheren Holzpreise schicke, könne das Ziel - nachhaltige Forstwirtschaft - nur über sinkende Kosten erreicht werden. Zunächst müsse aber in den Köpfen der Menschen die sektorale durch eine geschlossene Betrachtung ersetzt werden. Für die Rolle des Unternehmers böte sich nicht nur die eine, sondern eine Vielzahl individueller Lösungen.
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Cornelia Behm, MdB, Berlin/DE © Peters

Bürokratischen Wust aufräumen. „Politik sollte am besten gar nicht in den Markt eingreifen”. Die Diplom-Agraringenieurin und grüne Bundestagsabgeordnete will Waldbesitzer von gesellschaftllichen Kosten - etwa den Aufwendungen für Wasser- und Bodenverbände oder die Verkehrssicherungspflicht entlasten sowie Forstbetriebsgemeinschaften und Forstwirtschaftliche Vereinigungen stärker unterstützen. Dafür sollen nach dem Willen von Cornelia Behm Fördermittel fließen. Mit der Novelle des Bundeswaldgesetzes solle auch der bürokratische Wust aufgeräumt werden.Fuhrunternehmer in der Illegalität. Nachdem Diskussionsbeiträge aus dem Auditorium zeitweise recht emotional vorgetragen, Narjes Schönfärberei vorgeworfen und Sayer als Ideologe tituliert wurde, kam es zu inhaltlichen Annäherungen: So wünschte sich ein Unternehmer „einen Befreiungsschlag von überbordenden Regeln und Bedingungen”.
Andere Stimmen mahnten daneben an, dringend die Bedingungen für den Holztransport zu verbessern - außerhalb Deutschlands seien 50 bis 60% schwerere Lasten möglich. Das Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi), Berlin/DE, halte sich hier zurück, so Behm, um neue Schäden und zusätzliche Kosten zu vermeiden und versprach dazu einen erneuten Vorstoß beim Bundesverkehrsministerium.Leben von der Forstwirtschaft. Mit „großer Freude” vernahm Janßen aus den Aussagen der Bundestagsabgeordneten, daß über die reine Forstwirtschaft hinausgehende Leistungen vergütet werden sollen. Sofern die Normen nicht über ein novelliertes Bundeswaldgesetz erhöht würden, sieht er gute Chancen für ein Überleben der Forstwirtschaft, die derzeit noch zu kämpfen habe.
Behm verspach in der abschließenden Runde, neue Standards setzen zu wollen und die Förderkriterien „so umzustricken,” dass Leistungen über der Norm vergütet werden. 1,2 Millionen Beschäftige der Forst- und Holzwirtschaft „sollen davon leben können”.