Lawinen - Hochwässer - Muren

Ein Artikel von DI Gerhard Baumann, Wildbach- und Lawinenverbauung, Graz | 04.05.2006 - 00:00
Drei Ereigniswellen erschütterten im Vorjahr die Sektion Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV) Steiermark. Im Februar waren es die Lawinen, im Juli die Hochwässer und schließlich im August die katastrophalen Hangmuren.

Der Lawinenwinter
Zentren der Schneefälle und Lawinenabgänge waren die Bereiche des Ennstales, des Ausseer Raumes, im Gesäuse und Prächichler Raum bis zum Hochschwabgebiet.
Insgesamt wurden rund 100 Lawinenabgänge registriert. Es kam zu Schäden in Siedlungsgebieten und an Verkehrseinrichtungen. Rund 200 ha Wald sind vernichtet worden.
Für die WLV Steiermark ergaben sich folgende Konsequenzen:
Flächendeckende Bereitstellung von Gefahrenzonenplänen bis 2010
Weiterentwicklung des Gefahrenszonenplans (GZP) als Sicherheitsinstrument
Gründung der Schutzwaldplattform Steiermark am 1. Juni 2005
Erstellung des Lawinenschutzprogrammes Steiermark
Lawinenschutzprogramm
Ziel des Lawinenschutzprogrammes Steiermark war es, jene Lawinengebiete herauszufiltern, die vorwiegend Siedlungsbereiche betreffen und Schutzmaßnahmen erfordern. Ähnlich dem Landesschutzwaldkonzept - stellt diese Generalplanung eine wichtige Basis für die weitere Ausarbeitung von Lawinenschutzprojekten dar.
Die Umsetzung kann jedoch nur langfristig erfolgen. Zum umfassenden Schutz vor Naturgefahren zählen neben den temporären Maßnahmen der Behörden, auch die Errichtung von Schutzbauten und Galerien durch die Straßenverwaltung sowie die permanenten Lawinenschutz-Aktivitäten der Wildbach- und Lawinenverbauung Steiermark.

Lawinenschutz für Vordernberg
Vordernberg liegt am Hangfuß des Gebirgszuges der Vordernberger Mauern und ist durch zahlreiche Lawinen und Steinschläge bedroht. Zum Schutz des Ortes wurde von der WLV das größte Flächenwirtschaftliche Projekt (7,3 Mio. €) mit der Fachabteilung Forstwesen ausgearbeitet. Zum Einsatz  kommt eine Kombination zahlreicher technischer und forstlicher Maßnahmen. Umfangreiche Stützverbauungen wie Stahlnetze, Schneebrücken aus Stahl und Holz schützen den Ort. Aufforstungen und Schutzwaldverbesserungen sollen einen langfristigen Schutz der Region bewirken.

Dramatische Hochwassersituation
Die zweite Hochwasserwelle im August des Vorjahres betraf vor allem die  Gemeinden Gasen und Haslau. Das Genua-Tief über der Adria führte zu katastrophalen Starkniederschlägen (200 mm in 18 Stunden) im Bezirk Weiz, im Bereich um die Fischbacher Alpen. Die Niederschläge lösten massive Hangrutschungen - oft bis auf den anstehenden Fels - in den über 45° steilen, phyllitischen Hangauflagen aus. 50 Häuser wurden vermurt oder zerstört. Leider waren auch zwei Todesopfer zu beklagen. Zahlreiche Häuser waren evakuiert. Eine umfangreiche Studie zur Analyse der Ereignisse wurde in Auftrag gegeben. Sie ist die Basis für die Revision des GZP und weitere Schutzmaßnahmen. Insgesamt wurden in der Steiermark Sofortbauprogramme mit fast 3 Mio. € umgesetzt. Diese werden 2006 fortgesetzt und abgeschlossen.
Hochwasserrückhalt
Um die Hochwassersituation besser in den Griff zu bekommen, fördert die WLV gemeinsam mit der Wasserwirtschaft im Land Steiermark, den Hochwasserrückhalt. Dadurch können schädliche Auswirkungen von Überflutungen durch Verminderung der Abflussspitze hintan gehalten werden. Falls zuwenig natürlicher Rückhalteraum vorhanden ist, werden Hochwasserrückhaltebecken errichtet. Im Vorjahr wurde das bisher größte Becken in   Birkfeld fertig gestellt. Die Staumauer ist 21 m hoch, der Rückhalteraum beträgt fast 400.000 m³. Die Hochwasserwelle wird von 83 m³/s auf 30 m³/s reduziert. Insgesamt errichtete die WLV bereits 20 Anlagen, 15 weitere sind geplant.

Gefahrenzonenplanung
Ein weiteres WLV-Ziel ist es bis 2010 alle 346 Gemeinden der Steiermark mit einem GZP auszustatten, 210 wurden bereits fertig gestellt. Im Vorjahr ist es auch gelungen -  gemeinsam mit der Wasserwirtschaft und der Raumplanung im Land Steiermark -  die Verordnung zur hochwassersicheren Entwicklung der Siedlungsräume zu verabschieden. Demnach können in Roten Zonen keine Bauländer mehr ausgewiesen werden.

Katastrophenschutz, Wildbachräumung
Gemeinsame Veranstaltungen mit der Katastrophenschutzabteilung beim Land und dem Bundesheer ergänzen die WLV-Aktivitäten. Ein weiterer Themenschwerpunkt ist derzeit die Forcierung der nach Forstgesetz für die Gemeinden bestehenden Verpflichtung zur Wildbachbegehung und -räumung. Die WLV Steiermark  betrachtet die rechtzeitige Freihaltung der Gräben und Gerinne von Wildholz als wichtigen Teil des vorbeugenden Katastrophenschutzes. Verklausungen können so leichter verhindert werden.
In Zusammenarbeit mit den Bezirkshauptmannschaften werden die Gemeinden verständigt, sogenannte Wildbachbegeher namhaft zu machen. Diese werden dann anlässlich bezirksweiser Veranstaltungen fachlich und rechtlich geschult. In diesem Zusammenhang soll auch das Steiermärkische Waldschutzgesetz novelliert werden, um die Praxis der Wildbachbegehungen besser in den Griff zu bekommen. Der Waldbesitzer und Uferanrainer ist verstärkt zu verpflichten.
Bauwerke und Projekte
Eine Regionalstudie wurde für das Gebiet der Fischbacher Alpen-Breitenau in Auftrag gegeben. Ziel ist die Erarbeitung von bestehenden Schutzdefiziten und das Anbieten von Lösungskonzepten zum umfassenden Schutz vor Naturgefahren durch Hochwässer und Rutschungen auf regionaler Ebene.
Auch Gemeinschaftsprojekte mit der Wasserbauverwaltung des Landes Steiermark werden vermehrt erstellt, um eine gesamtheitliche Betrachtung sicher zu stellen. Für die Grazer Bäche, welche im Vorjahr starke Schäden verursachten, wird derzeit ein solches Programm erarbeitet. Auch die Erhebungen im Zuge der Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EUWRRL) erfolgen gemeinsam mit dem Land nun für die Einzugsgebiete 10 bis 100 km².
Nach den Ereignissen imVorjahr erfolgten wichtige Planungen für die Schoberwieslawine in Grundlsee, den Haslauerbach (Gemeinde Haslau), im Marktbach in Semriach (Hochwasserrückhaltebecken) oder den Mittergrabenbach (Gemeinden Weißkirchen, Maria-Buch-Feistritz).
Im Jänner wurde auch das HW-Rückhaltebecken in Maria Lankowitz, mit 28 m Bauhöhe - das größte Becken der WLV Steiermark - finanziert. Ein wichtiges Projekt startet auch in Schladming, im Trenkenbach. Im Schutze von Geschiebe-Maßnahmen erfolgen Gewässerrenaturierungen. Das größte Steinschlagschutzprojekt läuft derzeit in der Gemeinde Peggau nördlich von Graz. Eine stark gefährdete Siedlung am Hangfuß wird durch Steinschlagnetze geschützt.

Strategie 2010
In eine entscheidende Phase ist die Reorganisation der WLV Steiermark gekommen. Nach der Zusammenlegung der beiden Gebietsbauleitungen im Ennstal erfolgt noch in diesem Jahr der Spatenstich für das neue Büro mit Bauhof in Liezen. Die alten Bauhöfe in Admont und Stainach werden aufgelassen. Für die  Standorte in Scheifling und Bruck laufen umfangreiche Sanierungsprogramme zur langfristigen Sicherstellung der Maßnahmensetzung.
Die Umsetzung der WLV-Strategie 2010 startete im Vorjahr mit der Entwicklung von Kennzahlen zur Optimierung der Leistungserbringung. Durch eine Kundenbefragung unter den 346 steirischen Gemeinden - jährlich werden  Schutzmaßnahmen in rund 70 Gemeinden gesetzt - will die WLV Steiermark ihre  Leistungserbringung verbessern. Intern läuft dazu ein Projekt zur Qualitätssicherung der WLV-Kernleistungen.
Der Bereich Öffentlichkeitsarbeit wird durch Broschüren, Pressekonferenzen, Messen, Vorträge, Events weiter aktiv ausgebaut. Vermehrt sucht die WLV auch Kontakte in Schulen, um Kinder und Lehrer zum Thema „Schutz vor Naturgefahren” zu sensibilisieren. Am 3. Juli wird die WLV Steiermark gemeinsam mit dem Land Steiermark, der Stadt Graz und dem Lebensministerium das Fest der Flüsse in Graz feiern.