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Jägerin bei der Ansitzjagd: Mit dem Schuss ist auch das nahe stehende Wild gewarnt. © Volkmar

Rot und Schwarz regulieren

Ein Artikel von DDI Martin Schuster | 09.05.2013 - 17:05
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Jägerin bei der Ansitzjagd: Mit dem Schuss ist auch das nahe stehende Wild gewarnt. © Volkmar

Eines wurde den 800 Besuchern der 19. Jägertagung gleich zu Beginn unmissverständlich zu verstehen gegeben: „Wenn wir das Problem der steigenden Wildbestände und Schäden bei Rot- und Schwarzwild nicht selbst lösen, dann werden es andere tun”, formulierte es Niederösterreichs Landesjägermeister DI Josef Pröll.
In dasselbe Horn stieß auch Univ.-Prof. Dr. Klaus Hackländer, Institut für Wildbiologie und Jagd (IWJ), Universität für Bodenkultur (Boku), Wien. Trotz stärkerer Bejagung in den Jahren 2000 bis 2012 sei bis dato beim Rotwild noch keine Reduktion zu erkennen. Er macht dafür ein „Zuviel an Tradition“ verantwortlich. Zudem sei eine mangelnde Bereitschaft zu neuen Bejagungsstrategien und Formen der Gemeinschaftsjagd festzustellen. „Nur mit der Ansitzjagd allein wird man – trotz ihrer unbestrittenen Vorteile – eine effektive Reduktion nur schwer durchführen können”, formulierte es Hackländer. Weiters wies er auf die Tatsache hin, dass für ihn die Jagd mehr sei als eine reine Schädlingsbekämpfung.

Führend vs. säugend?

Ein weiteres, bereits im Vorfeld heftig diskutiertes Thema griff Dr. Felix Knauer, Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Veterinärmedizinischen Universität Wien, auf. Der Begriff „führende Bache“ sei zu hinterfragen und an die jagdliche Praxis anzupassen. Nahezu alle Landesjagdverbände kennen eine Schonzeit für die führende Bache. Nun ist gerade die Leitbache, mit Ausnahme der kurzen Zeit des Frischens, das ganze Jahr „führend“. Da speziell beim Schwarzwild eine Reduktion ohne einen entsprechenden Bachenabschuss nicht umsetzbar ist, plädiert Knauer für eine Differenzierung zwischen „führend“ und „säugend“. Die säugende Bache soll demnach weiterhin unter allen Umständen geschont werden, da die Frischlinge noch deren Hilfe bedürfen. Hingegen ist laut Knauer nichts gegen die Erlegung einer führenden Bache einzuwenden, sobald deren Frischlinge keine Streifen mehr aufweisen.
Einen spannenden Exkurs zur Schwarzwildbejagung lieferte in diesem Zusammenhang Dr. Oliver Keuling, Tierärztliche Hochschule Hannover. Er nannte die frühzeitige Frischlingsbejagung als zielführend und erläuterte parallel dazu die zum Teil überbewertete Bedeutung der Leitbache. Als eine erfolgversprechende Möglichkeit nannte Keuling die gezielte Erlegung der Leitbache etwa vier Wochen vor der Drückjagdsaison. Unerfahrene Kleinrotten seien dann leichter zu erlegen.

Pro Ansitzjagd

Wildbiologie Thomas Huber referierte in Aigen detailliert über die Möglichkeiten und Grenzen für Hunde und Jäger bei der Bewegungsjagd auf Schwarzwild und plädierte trotz aller Begeisterung und Notwendigkeit, revierübergreifende Gemeinschaftsjagden durchzuführen, auch für eine „Würdigung der Ansitzjagd“. Für ihn bedeute der Ansitz zudem ein Sammeln an Erfahrungen und eine Übung des Ansprechens des Wildes. Dieses bewusste Aufnehmen an Informationen sei für ihn der Schlüssel zum Erfolg bei der Vorbereitung auf eine Bewegungsjagd.

Keine Zeugen hinterlassen

Ähnlich formulierte es auch der Allgäuer Berufsjäger Stefan Pfefferle, indem er sein Modell für sichtbare Schalenwildbestände trotz starker Bejagung vorstellte. Eine Kernaussage lautete: „Keine Zeugen hinterlassen.“ So sollte unter allen Umständen eine Verknüpfung von Mensch und Schuss für das Wild vermieden werden. Ideal wäre unter diesem Aspekt, entweder das ganze Kleinrudel – Tier-Kalb oder -Schmaltier – zu entnehmen oder unbeschossen ziehen zu lassen.
In der Bejagung sind für den Berufsjäger vor allem Alttiere, neben denen bereits mehrere Kälber erlegt wurden, ein echtes Problem: „Diese werden bisweilen so vorsichtig und erfahren, dass sie fast unbejagbar und unsichtbar werden.”

Freizeitjäger

Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Faktor für den Jagderfolg ist die dafür investierte Zeit. Immer mehr Jäger haben immer weniger Zeit, um immer mehr Schalenwild zu erlegen. Sieht man einmal vom Berufspersonal ab, so ist die Gruppe der Freizeitjäger (oder wie man diese nicht hauptberuflichen Jäger nennen mag) jene, die einen hohen Anteil an der Abschusserfüllung einnimmt. Egal, ob beruflich oder in der Freizeit gejagt wird, ein pauschales Urteil ist hier nicht möglich. Was ist dann wirklich der Grund, warum es mit der Wildstandsreduktion nicht klappt? Teilweise seien es mangelnde Kenntnis und mangelndes Interesse, häufig jedoch auch ein mangelnder Wille, lautete die Antwort.
Fakt sei, dass man mit vielen Freizeitjägern auch einen großen Pool für die Abschusserfüllung zur Verfügung hat. Entsprechend geschult und motiviert, können diese eine wertvolle Arbeit leisten und dem leidigen Thema der Wildschadensproblematik Abhilfe schaffen. Genauso sollten auch Berufsjäger nicht die Augen für die Ansprüche des Waldes verlieren.

Überfordert?

Noch differenzierter sieht es Dr. Friedrich Reimoser vom FIWI. Aktuell befinden sich die Bestände von Rot- und Schwarzwild auf einem „Allzeithoch“. Das bringt wiederum das Risiko mit sich, dass Wildschäden und -krankheiten vermehrt auftreten und eine spürbare Wildstandsabsenkung für viele Freizeitjäger nahezu unmöglich wird. Reimoser ortet das Problem vor allem darin, dass einerseits verabsäumt wurde, von einer Aufhege auf eine Wildstandsregulierung umzuschalten, und andererseits kein Gesinnungswandel in den Köpfen zahlreicher Jäger bei den anzuwendenden Methoden eingetreten ist.
Der ökologisch denkende und agierende Jäger ist heute mehr denn je gefordert und auch der „Forstpartie” stellte Reimoser die Rute ins Fenster. Durch jahrelang verabsäumte Durchforstungsmaßnahmen wurde die Wildschadensdisposition der Waldvegetation deutlich erhöht. Analog dazu seien gerade die in Österreich angehäuften Abschussrückstände bei Rot- und Schwarzwild ein großes Pro­blem. Bezug nehmend auf das Thema Freizeitjäger, sprach Reimoser diesen durchaus guten Willen zu, wenngleich die Praxis zu zeigen scheint, dass es vielerorts ohne professionelle Hilfe nicht mehr geht.