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Herbstliches Farbenspiel: Wohl ein Dutzend verschiedener Baumarten und so manchen Fichten-Submissionsstamm kann man in der unteren Au an der Ill sehen. © R. Spannlang

Forstbetriebsgemeinschaft Ludesch-Großwalsertal

Au, Alm und Jagd

Ein Artikel von Robert Spannlang | 02.12.2020 - 10:32
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Solche Waldbilder sind meist nur mit durchgreifender Jagd zu erzielen. © R. Spannlang

Wie man deutlich sehen kann, sind in der unteren Au auch die Fichten wesentlich vitaler als in der oberen“, sagt mir Mario Vaschauner, als wir durch den Bestandesteil entlang der Ill in der Gemeinde Ludesch streifen. Was macht wohl den Unterschied? „Sicherlich auch die Ablagerungen der Gewässer aus dem Montafon über Jahrhunderte, die vor allem an den tieferen Stellen die Böden fruchtbar gemacht haben“, erklärt der junge Betriebsleiter der erst vor zwei Jahren gegründeten Forstbetriebsgemeinschaft Ludesch-Großwalsertal (FBG).

GEFÖRDERTE PROFESSIONALISIERUNG
Alles hatte damit begonnen, dass die Gemeinde Raggal 2015 bei der Agrargemeinschaft Ludesch und dessen Betriebsleiter Mario Vaschauner anfragte, ob ihre Waldflächen mitbetreut werden könnten. Nach dem augenscheinlichen Erfolg dieser Lösung brachte 2017 auch die Nachbargemeinde Ludesch ihre Schutzwälder ein. Ab dem Windwurf 2018, als in der Gemeinde Sonntag große Mengen Schadholz auf großteils schwierigen Lagen zu bergen waren und Profis statt Gemeindebeamten diesen Job zu übernehmen hatten, war man zu dritt im Bunde. 2019 erfolgte dann die offizielle Gründung der Forstbetriebsgemeinschaft Ludesch-Großwalsertal. „50 % der Lohn- und Lohnnebenkosten für die Betriebsleitung werden vom Land Vorarlberg übernommen. Der Rest sowie die Kosten der Bewirtschaftung werden je nach Anteil der Waldflächen im Ertrag auf die teilnehmenden Betriebe aufgeteilt“, betont Mario Vaschauner. Der Bruck-Absolvent gehört seit 2013 zum Team der Agrar Ludesch, das als FBG nun insgesamt 2350 ha Gemeindewälder betreut. „Im Hochsommer sind meine beiden Forstarbeiter in der Regel in den höheren Lagen bis 2000 m Seehöhe eingesetzt, in der Übergangszeit im Auwald“, so der forstliche Betriebsleiter.

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Landesforstdirektor Amann (re.) trifft im modernen Holzbau-Gemeindezentrum von Ludesch die Vertreter aus Raggal, Ludesch und Sonntag. © R. Spannlang

REICHES ANGEBOT DER NATUR DURCH JAGD SCHÜTZEN
Sind es in der unteren Au vor allem Bergahorne, Kirschen, Walnussbäume und Eichen, die sich natürlich verjüngen – in der oberen Au wird gegebenenfalls mit Setzlingen gearbeitet –, so sprießen an den Steilhängen im Gemeindegebiet Sonntag Weißtannen, Fichten, Buchen und gelegentlich ebenfalls Bergahorne und Eichen zwischen den Altbäumen. Die Nordhänge der Wälder in Raggal lieferten besonders feinjähriges Nadelholz und seien viel weniger käferanfällig als Bestände auf stark besonnten Hängen, führt Mario Vaschauner aus. Nicht umsonst hat sich das größte Sägewerk Vorarlbergs, das Bergwald-Sägewerk der Familie Erhart, im Walsertal etabliert. „Doch ich will die Weißtanne auch auf Südhängen im Gemeindegebiet von Sonntag – aus Gründen der Forstökologie, aber auch der Hangstabilisierung. Das Um und Auf für naturnahe Schutzwälder ist auch hier die Jagd“, erklärt der dreißigjährige Vorarlberger. Deshalb möchte er zusammen mit der Wildbach- und Lawinenverbauung in der Gemeinde Sonntag einen Projektwart installiert haben. „Wenn der Jagdpächter wiederholt hinter seinen Abschüssen zurückbleibt, dann greift der Projektwart durch und führt die Abschüsse selbstständig durch. Das hat sich bewährt und wird mittlerweile auch akzeptiert“, erzählt Mario Vaschauner. Natürlich habe er als forstlicher Leiter wiederum dafür zu sorgen, dass Forststraßen intakt und Schuss-Schneisen frei von sichtbehinderndem Bewuchs bleiben. Die Jägerei im Gebirge sei ohnehin herausfordernd genug.

AUF BRUSTHÖHE GESETZT UND STÄMME QUERGELEGT
Auf einem besonders steilen Südhang oberhalb des Dorfkerns von Sonntag waren schon vor vielen Jahren parallel zur Forststraße Wälle aus Gestein und Erde aufgeschüttet worden, die jetzt von Bergahorn-Bäumen bestockt sind. Viele von ihnen sind auf Brusthöhe gesetzt, die quergelegte, entrindete Stämme im Hang halten. „Das ist eine doppelte Absicherung des Hanges“, erklärt der Forstingenieur und fügt hinzu. „Man glaubt gar nicht, wie anstrengend die Stammentrindung mittels eines ,Bibers‘ (ein handgeführtes Entrindungsgerät, Anm.) ist.“ Aber Mario Vaschauner weiß, warum all dieser Aufwand nötig ist. „Hier in der Region haben schon zu viele Einwohner durch Lawinen ihr Leben verloren. Ordentlicher Gebirgswaldbau ist der beste Schutz für unsere Siedlungen.“ 

FBG LUDESCH-GROSSWALSERTAL: O-TON DER GEMEINDEVERTRETER(IN)
Alexandra Martin, Bürgermeisterin Gemeinde Raggal: Die Arbeiten im Wald waren mit Ressourcen der Gemeinde nicht mehr abzudecken. Das betrifft sowohl die Schadholzaufarbeitung als auch die regulären Waldarbeiten. Dann ist mit den Gemeinden Sonntag und Ludesch ein Gespräch in Gang gekommen, eine Forstbetriebsgemeinschaft zu gründen. Der Beitritt wurde beschlossen, weil es für uns eine ideale Lösung ist. Wir schätzen die professionelle Betreuung und transparente Abrechnung.

Joachim Bickel, Waldaufseher der Gemeinden Sonntag und Fontanella: Das Wichtigste, was die FBG für uns leistet, ist die Pflege der Schutz- und Bannwälder. Das war für uns vorher sehr schwer, selbst durchzuführen. Jetzt werden die Rückstände nach und nach aufgearbeitet und ich habe das Gefühl, dass durch die Gründung der FBG ein Schritt zur Professionalisierung gelungen ist.

Martin Schanung, Bürgermeister Gemeinde Ludesch: Unser Waldanteil an der FBG ist zwar klein, aber fast alles davon ist Schutzwald. Das Wohl unserer Gemeindebürger hängt von ihm ab. Wir haben zuletzt auch die Investitionen in seine Stabilität erhöht. Daher ist uns die Kooperation mit der FBG und den umliegenden Gemeinden bei der Waldbewirtschaftung sehr wichtig, weil wir hier Professionalität erwarten können, die uns wirklich schützen kann.

Daniel Ritter, Waldaufseher der Gemeinden Raggal und Ludesch: Ich finde die Initiative der FBG toll: Auf der einen Seite gibt es einen fixen Ansprechpartner für die Organisation der forstlichen Arbeiten. Auf der anderen Seite hat man den Schub an Motivation gespürt, forstliche Aufgaben anzugehen. Dieser Schwung ist auch bei Forstunternehmern angekommen, sie haben jetzt auch mehr Planungssicherheit.

Josef Pfefferkorn, Obmann der Agrargemeinschaft Stocklosungsfonds Ludesch: Wir haben überlegt, selbst Fachpersonal anzustellen und Geräte anzuschaffen. Die Agrargemeinschaft hat sich nun mit ihren Ressourcen gerne in die FBG eingebracht. Uns war neben einer fachkundigen Waldbewirtschaftung wichtig, dass dabei nicht ortsfremde Gesellschafter das Sagen haben, sondern dass die lokalen Strukturen gestärkt werden. Ein mögliches Ziel: Lehrlingsausbildung.

Werner Rinderer, Obmann des Holzkomitees der Gemeinde Sonntag: Mit 1270 ha sind wir der größte Waldflächeneigner der FBG. Wir haben durch die FBG eine professionelle und nachhaltige Waldbewirtschaftung. Dadurch können wir unsere Schutzwälder sanieren und stabilisieren, das hat für uns eine besonders hohe Priorität, weil wir damit besser vor Naturereignissen geschützt sind. Früher waren das „ehrenamtliche“ Tätigkeiten. Unseren Nachkommen können wir nun einen gesunden und klimafitten Wald übergeben.