Wissenschaft

Verliert der Wald seine Senkenfunktion?

Ein Artikel von Raphael Kerschbaumer | 15.02.2023 - 09:40

Eines vorweg: Die in der Studie behandelten finnischen Wälder verfügen nach wie vor über eine Nettosenkenfunktion. In Summe nimmt sie jedoch seit vielen Jahren stetig ab, errechnete das Natural Resources Institute Finland (Luke).

In Kombination mit anderen Landnutzungsfaktoren konnte jedoch nach der Analyse des finnischen Treibhausgasinventars 2021 festgestellt werden, dass der LULUCFSektor (Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft) insgesamt bereits mehr emittiert als absorbiert. Es gelingt dem Wald somit nicht mehr, die Emissionen aus anderen Landnutzungen auszugleichen.

Gestresster Wald

Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Die Studie nennt jedoch drei primäre Faktoren, die für den Rückgang der Senkenfunktion verantwortlich gemacht werden können:

  • Die Altersstruktur der Wälder: Speziell bei Kiefern sind die Zuwachsraten bei einem Bestandesalter zwischen 20 und 40 Jahren am höchsten. Vor allem im Norden Finnlands ist der Großteil der Waldbestände jedoch bereits 60 Jahre und älter.
  • Die Wachstumsraten verlangsamen sich aufgrund klimatischer Einflüsse und Faktoren. Die intensive Trockenperiode zwischen 2018 und 2020 setzte auch den Wäldern im Norden Europas deutlich zu und beeinflusste in erster Linie das Wachstum der Bäume negativ.
  • Holzeinschlag: Laut der Studie wächst der Bedarf nach finnischem Rundholz zunehmend. Höhere Einschlagsmengen schmälern natürlich auch den gebundenen Kohlenstoffanteil im Wald. Der Einfluss intensivierter Aufforstungsprogramme greift, bezogen auf die Senkenfunktion, klarerweise auch erst deutlich zeitverzögert. Obwohl die Erntemenge zuletzt wieder leicht zurückging, wird sie auch aufgrund des Ausfalls russischer Importe mittel- bis langfristig weiter zunehmen. (Anmerkung: 2000 betrug die Differenz zwischen Biomassezuwachs und -abgang noch rund 21 Mio. m³, 2021 zuletzt nur mehr 12 Mio. m³).

Schnellschüsse befürchtet

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Wälder sind eine unserer wichtigsten Kohlenstoffsenken. Ein Zusammenspiel unterschiedlicher Einflussfaktoren setzt dieser wichtigen Funktion jedoch zunehmen zu. © Staffan Widstrand

Die Studie spricht an, dass Maßnahmen für eine Verhinderung weiterer Entwaldung einen unmittelbaren Effekt auf die CO2-Bilanz des Waldes hätten. Einerseits wäre dies eine einfache Lösung, um schnell Antworten auf die großen Fragen zur Erfüllung der Klimaziele zu finden, andererseits wäre eine mögliche Holzeinschlagsbremse nur eine kurzfristige Lösung, ohne dabei einen so wichtigen nachhaltigen Langzeiteffekt zu erzielen.

Die Studie war jedoch Grund genug, um in Finnland eine rege politische Diskussion auszulösen. Es wird kritisiert, dass die Ergebnisse eines einzigen Jahres bereits zu umfangreichen Maßnahmen führen sollen. Dies wiesen die Forscher jedoch mit der Aussage zurück, dass das Jahr 2021 lediglich der Höhepunkt eines Jahrzehnts trendähnlicher Entwicklungen mit steigenden Abholzungsraten und rückläufigen Zuwächsen sei. „Es ist sinnlos, sich selbst einzureden, dass dies nur eine einjährige Ausnahme ist“, kommentierte Raisa Mäkipää, Luke-Professorin, die Politdebatte, wie die Helsinki Times berichtete. Andere wiederum lassen erneut Forderungen nach monetären Anreizsystemen laut werden, die eine Außernutzungstellung des Waldes finanziell vergüten würden.

Den politischen Diskurs außer Acht gelassen, sollten die Forschungsergebnisse jedenfalls ein Weckruf und Warnsignal sein. Sowohl für die hiesige als auch unsere heimische Forstwirtschaft soll und muss neben einer nachhaltigen Bewirtschaftung ein klimafitter Wald die oberste Prämisse sein, um den zukünftigen Aufgaben und Herausforderungen gewachsen zu sein.

Hier geht's direkt zur im Text behandelte Studie des Natural Resources Institute Finland (LUKE). 

Natural Resources Institue Finland (LUKE)

Luke ist eine Forschungseinrichtung, die dem finnischen Ministerium für Land- und Forstwirtschaft untersteht. Es hat die Aufgabe, wettbewerbsfähige Unternehmen auf der Grundlage einer nachhaltigen Nutzung erneuerbarer natürlicher Ressourcen sowie das Wohlergehen und die Vitalität des ländlichen Raums zu fördern.