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© Günther Jauk

Österreich

Biomassezertifizierung – Kritik und Lösungen

Ein Artikel von Philipp Matzku | 18.10.2023 - 13:10

Die EU plant, im Zuge der Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (RED II) bis 2030 den Anteil der Bioenergie zur Deckung des Energiebedarfs auszubauen. Die Voraussetzung hierfür aber ist, dass die eingesetzte forstliche sowie landwirtschaftliche Biomasse und das Biogas nachweislich nachhaltig produziert werden. Biomasseheizwerke mit einer Brennstoffwärmeleistung über 20 MW müssen mit Stichtag 1. Januar 2024 eine Zertifizierung aller Waldbiomasse vorweisen, die sie einsetzen. Sollte keine Zertifizierung vorliegen, gilt die verwendete Biomasse nicht mehr als erneuerbar und ist bezüglich der CO2-Emissionen mit fossilen Energieträgern gleichzusetzen. 

Anerkannte Zertifizierungen

Freiwillige Zertifizierungssysteme, wie beispielsweise SURE (Sustainable Resources Verification Scheme) gelten laut dem Österreichischen Biomasseverband (ÖBMV) „als objektive und zuverlässige Möglichkeit, die Einhaltung der RED II-Kriterien zu dokumentieren. Diese werden von der EU-Kommission geprüft und anerkannt. SURE wurde vom europäischen Biomasseverband Bioenergy Europe gemeinsam mit Redcert entwickelt, um den Wirtschaftsbeteiligten im Biomasse- und Biogasmarkt ein praktikables System anzubieten und die Compliance mit den Anforderungen der RED II transparent, belastbar und rechtssicher nachzuweisen“.

In Österreich ist die Holzforschung Austria derzeit die einzige Zertifizierungsstelle für SURE, in Deutschland ist dies unter anderem die GFA Certification, Hamburg. Der Verband Land&Forst Betriebe Österreich kritisiert, dass mit dem Auslaufen der Übergangsfrist mit Ende 2023 kein ausreichendes Angebot von Zertifizierungsstellen für Österreich vorhanden sei. PEFC Österreich habe bei der EU-Kommission beantragt, als Zertifizierungssystem anerkannt zu werden, eine Genehmigung stehe aber noch aus, heißt es seitens des Forstverbandes.

Kritik an Abwicklung und Angebot

Österreich habe ein sehr strenges Forstgesetz und außerdem sei die gesamte Forstfläche des Landes PEFC-zertifiziert. „Es dürfen keine zusätzlichen Zertifizierungen notwendig sein. Aus der Absicht, Probleme in fernen Ländern zu lösen, dürfen keine neuen Probleme für heimische Waldbesitzer entstehen“, konstatiert Felix Montecuccoli, Präsident der Land&Forst Betriebe Österreich, und Franz Kirnbauer, Obmann der Sparte Handel und Holzindustrie in der Wirtschaftskammer Niederösterreich, ergänzt: „Die Synergienutzung von forstlicher Biomasse mit der dringend notwendigen Waldpflege ist ein Gebot der Stunde.“ Überbordende und praxisferne Bürokratieauflagen würden sowohl die Erreichung der Energieziele als auch die Anpassung der Wälder an den Klimawandel konterkarieren.

„Für Heizwerkbetreiber mit über 20 MW Wärmeleistung bedeutet es, dass teure Emissionszertifikate erworben werden müssen. Hier drohen finanzielle Schäden in Millionenhöhe“, betont Gerhard Sacher, Geschäftsführer der EVN Wärme, Maria Enzersdorf. Entstehende Kosten müssten aus Sachers Sicht an Fernwärmekunden weitergegeben werden. Wärmepreise könnten steigen.

Wer ist betroffen?

Eine seriöse Einschätzung der in Österreich zertifizierungspflichtigen Anlagen und Unternehmen in der Lieferkette sei „auf Basis unserer Datengrundlage nicht möglich“, erklärt Lukas Kuderer vom ÖBMV. In einem ersten Schritt müssen sich vor allem Biomasseheizwerke und -händler zertifizieren lassen, während für Forstbetriebe allenfalls im Nachhinein eine Kontrolle ihrer Selbsterklärung stattfindet. „Eine Beweismittelkette (Chain of Custody-Nachweis) ist nur für Energie- und vielleicht noch Industrieholz notwendig, nicht aber für Wertholz“, erläutert Bernhard Budil, Generalsekretär der Land&Forst Betriebe Österreich.

An Vereinfachungen des Zertifizierungsprozesses wird sowohl seitens der Zertifizierungsstellen als auch des Zertifizierungssystems gearbeitet. SURE anerkennt etwa das vereinfachte Nachweisformular für Forstbetriebe in Österreich. Kontrollen im Anlassfall seien aber möglich, weiß Budil zu be­richten.