Prozesse analysieren, Daten vernetzen
Prozesse müssen miteinander analysiert und gemeinsam Rationalisierungen getroffen werden. Dafür sind digital vernetzte Daten notwendig. Besser bekannt ist dies unter dem Begriff „Industrie 4.0“. Sie wird auch intelligente Produktion oder die Vierte Industrielle Revolution genannt und bezeichnet die Informatisierung der Fertigungstechnik und der Logistik in der Maschine-zu-Maschine-Kommunikation.Aber wie „Industrie 4.0-fähig“ sind die Wald- und Holzindustrie? Experten und Branchenkenner diskutierten dieses Thema am AGR-Rohstoffgipfel, der gemeinsam mit dem Kongress der Säge- und Holzindustrie veranstaltet wurde. Beide Verbände konnten rund 350 Teilnehmer im Congress Centrum in Würzburg begrüßen.
„Wer nicht in die digitale Welt einsteigt, wird einen Wettbewerbsnachteil haben“, prophezeite Volker Schiek, Geschäftsführer Landesnetzwerk Mechatronik BW, in seinem Impulsreferat. „Industrie 4.0 heißt nicht, Mitarbeiter zu ersetzen, sondern diese bestmöglich einzusetzen und zu informieren.“ Schiek nannte einige Beispiele, wie etwa einen Roboter für das Ausgrasen zwischen Baumkulturen. Dieser erledige die Arbeit an sich selbst. Das Wissen dafür sei immer von Menschen implementiert. Die vernetzte Fertigung in der Möbelindustrie sei ebenfalls ein gelungenes Beispiel für Industrie 4.0. Große Unternehmen hätten es geschafft, Optimierungen in der Herstellung, der Verpackung und im Transport umzusetzen, sodass enorme Effizienzsteigerungen möglich waren.
Zu viel „Zettelwirtschaft“
Dr. Ekkehard von Bodelschwingh, Leitung Logistik und Einkauf Controlling Rundholz bei Ilim Timber, berichtete über den Status quo der IT-gestützten Holzbereitstellung aus Sicht einer Holzindustrie. Er attestierte den Unternehmen „keine durchgängige Datenerfassung“ (oftmals mehrfach und manuell) und zu viel Zettelwirtschaft. Die Betriebe hätten vielfach eine veraltete IT beziehungsweise mangelnde Routine im EDV-Umgang. Die Holzindustrie verfüge aber über entsprechende Systeme, wie etwa Eldat oder ERP-Lösungen. Hier sei aber die Schwierigkeit, dass vor allem bei Eldat jeder Kunde mit anderen Formaten arbeite.Was ist zu tun? „Alle Beteiligten müssen das Prozessbewusstsein erhöhen. Die Wertschöpfungskette ist ganzheitlich zu betrachten“, meinte von Bodelschwingh. Die Kommunikations- und Informationsstruktur müssen verbessert werden, ebenso die Transparenz der Abläufe. „Die digitale Welt muss in den Wald“, forderte Klaus Bockelmann von Bockelmann-Holz, Lüneburg/DE, im anschließenden Experteninterview. Die Technik sei vorhanden, aber es „menschelt“ noch zu sehr. Heute werden dieselben Daten oft mehrmals abgetippt, das sei fehleranfällig und unwirtschaftlich.
Offen sein für Neues
„Die Industrie 4.0 stellt neue Anforderungen an Produktionssystem und Maschinen. Der Technologiefortschritt kombiniert Maschinenbau mit Software und Telekommunikation“, sagte Dr. Klaus Schilling, Zentrum für Telematik in Würzburg. Fernwartung sei ein großes Thema, um Stillstandszeiten in entfernten Fabriken zu minimieren, ebenso wie ein verbesserter Materialfluss durch flexible, autonom fahrende Transportroboterfahrzeuge. „Roboter können schon in kleineren Handwerksbetrieben attraktive Einsatzfelder finden“, sagte Schilling. „Veränderungen sind nicht aufzuhalten. Die Bevölkerung wird älter. Darauf müssen sich die Betriebe einstellen und mehr in Richtung Automatisierung unternehmen.“
„Achten Sie nicht nur auf Ihre Kernkompetenzen, sondern schauen Sie auch nach vorne und hinten, um Ihre Effizienz zu steigern und Geld zu verdienen“, riet Friedhelm Rücker von der Friedhelm Loh Group. „Man muss sich die gesamte Prozesskette ansehen und analysieren, wo es klemmt.“
Wo steht die Sägeindustrie?
Wo die Sägeindustrie heute steht, ist laut Dr. Carsten Merforth vom Beratungsunternehmen Unique Forestry and Land Use, Freiburg/DE, nicht pauschal zu beantworten: Es kommt auf die Größe beziehungsweise die Kunden jedes Unternehmens an. Speziell bei Großsägewerken gebe es bereits Tendenzen hin zu Industrie 4.0. „Es gibt schon viele einzelne hohe Standards und teilweise bereits auch Umsetzungen. Oft ist aber keine IT-Anbindung von Maschinen und Prozessen vorhanden – da befinden sich die Betriebe eher am Stand Industrie 2.X bis 3.X. Größtenteils gibt es keine innerbetriebliche und in der Regel überbetriebliche Vernetzung“, meint Merforth. „Man braucht aber zuerst digitale Daten – also Industrie 3.0 –, um die Industrie 4.0 im Betrieb zu implementieren.“Die Krux beziehungsweise das Fazit: In Würzburg waren sich die Experten einig, dass es keine „Patentlösung“ für die Sägeindustrie hinsichtlich Industrie 4.0 gebe. Jedes Unternehmen müsse für sich eine Lösung finden. Datenaustausch untereinander – sei es zwischen Forst und Säge oder zwischen einzelnen Maschinenanbietern innerhalb eines Unternehmens – finde aufgrund des Konkurrenzdenkens nicht statt. „Für 4.0 ist es notwendig, die Systeme zu öffnen und Unternehmensgrenzen zu überschreiten“, meinte Nossol.
„Die Verbände – wie wir als DeSH oder die AGR – können in gewissen Dingen unterstützen und etwa Hilfestellungen bei Datenauswertungen geben oder Branchen zusammenbringen. Die Industrie 4.0 muss aber jeder Betrieb für sich selbst in die Hand nehmen“, ergänzte DeSH-Geschäftsführer Lars Schmidt.