Henkel_Kanada.jpg

© Shutterstock.com/i viewfinder

Holz-Henkel

Kanada statt Russland

Ein Artikel von Günther Jauk | 31.10.2023 - 08:39

Am 10. Juli 2022 endete eine Ära. Fünf Monate nach dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine traten weitere scharfe Sanktionen der Europäischen Union gegenüber Russland in Kraft. Darunter fiel das Importverbot für Schnittholz und damit auch die hierzulande ausgesprochen beliebte Sibirische Lärche.

Ein Unternehmen, das von dieser Maßnahme besonders betroffen war, ist Holz-Henkel, Göttingen/DE. Das VEHQ-zertifizierte Hobel- und Handelsunternehmen ist Teil der Cordes Holding und schlug im Jahr rund 80.000 m³ dieser Holzart um. „Zum Glück hatten wir zu diesem Zeitpunkt einen Lagerstand von etwa 50.000 m³ und damit einen angenehmen Puffer“, berichtet Holz-Henkel-Geschäftsführer Torsten Herzel.

Nichtsdestoweniger begannen Herzel und sein Team unmittelbar, über gleichwertige oder gar bessere Alternativen nachzudenken. „Wir haben uns eingangs überlegt, wo wir ähnliche klimatische Bedingungen mit vergleichbar schönen Lärchen finden, und uns damit die falschen Fragen gestellt“, erinnert sich Herzel. Die richtige Frage lautete indes: Wo finden sich klimatische Bedingungen, die in vergleichbaren Holzeigenschaften resultieren – unabhängig von der Holzart? Und die Antwort lautete: in der  kanadischen Provinz Britisch-Kolumbien.

In einigen Bereichen schneidet die Kanadische Douglasie sogar besser ab als die Sibirische Lärche.

Henkel_Herzel.jpg
Torsten Herzel, Geschäftsführer Holz-Henkel

Bemerkenswerte Holzeigenschaften

Kan. Douglasie Rhombus .JPG

Optisch ansprechend und bemerkenswert gute Holzeigenschaften: Mit Kanadischer Douglasie will Holz-Henkel die fehlende Sibirische Lärche in Europa ersetzen © Holz-Henkel

Der Erfolg der Sibirischen Lärche in Europa ist auf ihre positiven Eigenschaften in vielerlei Hinsicht zurückzuführen. Während die Kunden die Dauerhaftigkeit, den geringen Wartungsaufwand sowie die Optik schätzen, stehen für Industrie und Handwerk Feinjährigkeit und einfache Bearbeitbarkeit im Vordergrund. Der Handel wiederum schätzt die gute Verfügbarkeit sowie das lukrative Preis-Leistungs-Verhältnis.

Auf der Suche nach Alternativen dazu landete Holz-Henkel in Kanada, genauer gesagt, in Interior Britisch-Kolumbien zwischen dem Küstengebirge und den Rocky Mountains. „Die richtige Kombination aus klimatischen Bedingungen und fehlender Zwischendurchforstung führt dort zu Feinjährigkeit, Feinastigkeit, Geradschaftigkeit und Eintriebigkeit“, erläutert Herzel,  der selbst verblüfft war ob der hochwertigen Hölzer aus diesem Gebiet. Neben der Kanadischen Lärche weckte insbesondere die Gebirgsdouglasie das Interesse des Unternehmens. Die Kanadische Lärche verfügt zwar über ähnlich gute Eigenschaften wie ihre Schwester aus Sibirien, allerdings ist ihr Verbreitungsgebiet begrenzt und die Verfügbarkeit feinjähriger Qualitäten entsprechend limitiert.

Anders verhält es sich mit der Kanadischen Douglasie. Diese ist laut Herzel in ausreichender Menge verfügbar, optisch ebenso ansprechend und übertrifft die Lärche in puncto Dauerhaftigkeit sogar. „Zudem nimmt die Douglasie gegenüber der Lärche im verbauten Zustand weniger Umgebungsfeuchte auf“, hebt Herzel eine weitere positive Eigenschaft hervor. Als dritte Holzart setzt Holz-Henkel auf Western Red Cedar. Diese weiche Holzart mit Dauerhaftigkeitsklasse 2 und zahlreichen gesunden Ästen sei allerdings etwas für ausgesprochene Holzliebhaber und damit ein Nischenprodukt.

Harte Arbeit

Kan. Lärche Rhombus.JPG

Die Kanadische Lärche steht ihrer sibirischen Schwester um nichts nach – sie ist allerdings nur begrenzt verfügbar © Holz-Henkel

Nachdem man die richtigen Hölzer ausfindig gemacht hatte, begann für das Team von Holz-Henkel erst der wahre Teil der Arbeit. „Wir mussten Partner finden, die uns sortenrein europäische Sortimente einschneiden und nach von uns vorgegebenen Kriterien sortieren“, fasst Herzel die Arbeit von neun Monaten zusammen, in denen sich die kanadischen Sägewerke Tolko und Kalesnikoff als erste strategische Partner herauskristallisierten. „Ebenso wie Cordes sind beides familiengeführte Unternehmen mit Handschlagqualität, tief im Markt drinnen und Freunde kurzer Entscheidungswege. Das passt einfach gut zusammen“, betont Herzel.

Als besondere Herausforderung nennt der Geschäftsführer, Unternehmen davon zu überzeugen, nach europäischen Standards einzuschneiden und zu sortieren. Dies sei in Nordamerika alles andere als üblich und mit einigen Hürden verbunden. Auf der anderen Seite werden die vorhandenen Sortimente mit gemischten Holzarten, schlechten Qualitäten und falschen Breiten in Europa nicht akzeptiert.
„Allein bei Tolko machten wir einen Probelauf mit 1500 fm, im Zuge dessen wir auch die Sortierrichtlinien festlegten. Im Gegenzug war Tolko mit acht Mann bei uns und hat  in allen Cordes Werken Probehobelungen besichtigt“, berichtet Herzel über den Start der Zusammenarbeit, der für beide Seiten immens wichtig war, um das Produkt vollends zu verstehen.

Es wurde Fuß gefasst

Nach den erfolgreichen Hobelungen – die auch den strengen VEH-Richtlinien genügen – lud Holz-Henkel 17 Handelskunden ein, von denen der überwiegende Teil  großes Interesse an der Douglasie zeigte. „Daraufhin haben wir den Schritt gewagt und eine größere Menge bestellt“, informiert Herzel und ergänzt: „Mit den 12.000 georderten Kubikmetern können wir den ersten Bedarf der Cordes-Gruppe  decken und darüber hinaus unsere Kunden mit Handelsware versorgen.“ Geliefert wird das Holz in den von Holz-Henkel definierten Dimensionen und Qualitäten, allerdings in den in Nordamerika üblichen Fußlängen. „Der Schwerpunkt liegt sogar bei 17‘, was 5,18 m entspricht und damit bestens den Anforderungen des  europäischen Marktes genügt“, erklärt der Geschäftsführer.

Langfristige Partnerschaft

Als Nächstes hofft Herzel, dass europäische Kollegen seinem Beispiel folgen, denn nur gemeinsam könne man den Markt aufbauen und die Branche von den Vorzügen der kanadischen Hölzer überzeugen. Natürlich sei es mit viel Aufwand verbunden, passende Sägewerke zu finden und mit ihnen ein Programm in europäischen Dimensionen zu entwickeln. Allerdings sei es die Mühen allemal wert.
Als wesentlichen Erfolgsfaktor der Unternehmung nennt Herzel die Planbarkeit für beide Seiten: „Wir und unsere kanadischen Partner haben in das Projekt sehr viel Arbeit hineingesteckt und streben eine möglichst langfristige und preisstabile Zusammenarbeit zum Vorteil aller an. Daran wird auch eine Wiedereröffnung des russischen Marktes nichts ändern.“