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Gondeln prägen das Bild von Venedig - nur noch wenige beherrschen das Handwerk des Gondelbauers © Kanzian

Marken-Gondel

Ein Artikel von Dr. Johanna Kanzian | 12.10.2004 - 00:00
Venedig ohne Gondeln - das wäre für viele Millionen Besucher aus aller Welt einfach unvorstellbar. Im Herzen von Venedig hat sich die traditionelle Handwerkskunst der Gondelbauer erhalten. In der ganzen Stadt gibt es nur noch fünf Werkstätten, die die hohe Kunst des Gondelbaus beherrschen - einer der Bekanntesten ist Roberto Tramontin.
Tramontin arbeitet gemeinsam mit seinem 83-jährigen Vater Nedis. Mit ihm wird vermutlich die Tradition des Gondelbaus zu Ende gehen, da Roberto keine Söhne hat, denen er die Werkstatt eines Tages übergeben könnte. Venedig-Liebhaber bis nach Japan. „Es gibt viele Sammler, die zu allem bereit sind, um eine echte Gondel zu bekommen. Auch Liebhaber der Stadt Venedig, die ein Erinnerungsstück mitnehmen möchten, kommen vorbei. Da sie die Steine nicht mitnehmen können, nehmen manche den Rumpf einer Gondel mit”, erzählt Tramontin. „Ich habe beispielsweise eine Gondel nach Japan verkauft. Diese wurde in ein Becken in einem Glasmuseum gegeben: Es wurde ein Palazzo Grassi im Kleinformat”, freut sich Tramontin.
Eine Gondel wird aus acht verschiedenen Holzarten hergestellt und ist elf Meter lang, wiegt 300 Kilogramm und hat nur zwei Metallteile: die Verzierung am Bug und die Spitze des Hecks. Überdies ist sie asymmetrisch: die linke Seite ist 24 Zentimeter länger. Dennoch ist es ein überaus einfaches Boot, das von einer einzigen Person mit nur einem Ruder bewegt werden kann. Ein wichtiges Detail dazu: die Rudergabel-Forcola (siehe Beitrag S. 21).
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Gondeln prägen das Bild von Venedig – nur noch wenige beherrschen das Handwerk des Gondelbauers © Kanzian

Acht Holzarten. Um eine Gondel zu bauen, braucht man 60 Tage. Eingesetzt wird Eiche, Fichte, Lärche, Linde, Mogano, Nuss, Ulme und Kirsche. Die Seiten bestehen aus Eiche. „Der Boden aus Fichte wird in Österreich eingekauft”, so Tramontin. „Es gibt fünf Merkmale, die beweisen, dass die Gondel in unserer Werkstätte gebaut worden ist”, erläutert der Handwerker. Bevor das Holz verbaut wird, wird es ein Jahr lang im Unternehmen gelagert. „Durch die natürliche Trocknung erhalten wir eine optimale Qualität für die Weiterverarbeitung”, betont Tramontin.Wie vom Großvater gelernt. Gefertigt wird heute noch so, wie er es von seinem Großvater, dem Unternehmensgründer gelernt hat.
Die letzten fünf Gondelbauer in Venedig haben sich zusammengeschlossen. Er ist der Einzige, der nach dem alten System arbeitet. „Das Metermaß wird nicht eingesetzt - viel einfacher ist es mit dem pede veneto”, so Tramontin.Gewicht des Ruderers entscheidend. Großteils werden die Gondeln von Hand gefertigt. Kaum zu glauben, aber jede Gondel muss genau auf das Gewicht des Gondoliere abgestimmt sein.
Zwei bis drei neue Gondeln pro Jahr werden gebaut. Das Hauptgeschäft ist aber die Restaurierung der alten Gondeln in Venedig.
Auch Segelboote fertigt Tramontin. Derzeit gibt es weniger zu tun. Tramontin führt alles auf den 11. September 2001 zurück. Durch den Anschlag ist der Tourismus stark zurückgegangen, es werden auch weniger Gondolieri gebraucht.
Seit 1925 werden Gondeln in die ganze Welt exportiert.
„Motorboote drohen der Gondel den Garaus zu machen. Durch das Traditionsbewusstsein, wird die Kunst jedoch weiter bestehen und die alte ehrwürdige Gondel wird mit Venedig weiterleben”, hofft Tramontin.
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Marken-Gondel: Schriftzug und Wappen von Tramontin © Kanzian

Tramontin-Facts
Gegründet: 1884 von Domenico Tramontin
Inhaber: Roberto Tramontin
Sparte: Gondelbauer in Venedig
Anzahl gebauter Gondeln: Drei pro Jahr