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420 LKW pro Woche: Die Trockengehaltsprobe dient als Grundlage der Abrechnung © Dr. Stefan Peters

Integrierte Produktion

Ein Artikel von Dr. Stefan Peters | 11.05.2006 - 00:00
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420 LKW pro Woche: Die Trockengehaltsprobe dient als Grundlage der Abrechnung © Dr. Stefan Peters

Gerüchten zufolge refinanzierte sich die erste Papiermaschine über Münzfunde eines auf dem Gelände in Stockstadt/ DE entdeckten, römischen Castells – „jedenfalls fast“, schmunzelt Dr. Wilfried Müller, Finanzdirektor bei M-real Stockstadt anlässlich der Vorstellung des integrierten Zellstoff- und Papierwerkes nahe Aschaffenburg/DE.
Unter der Philosophie umweltfreundliche Verfahren, erneuerbare Naturstoffe und wiederverwendbares Produkt, entstehen hier mit einer Kapazität von jährlich 170.000 t TCF-Sulfit-Zellstoff knapp 420.000 t Natur- und gestrichene Papiere.Trimodal. Das unmittelbar am Main gelegene, 375.000 m² Areal mit 200.000 m² Erweiterungsfläche verfügt über Anschlüsse für Schiff, Bahn und LKW. 510.000 fm/J Buchen-Industrieholz akquiriert Thosca Holz, Hösbach/DE, in den umliegenden Mittelgebirgen.
Wie Erich Sauer, Produktionsleiter Zellstofferzeugung, im Rahmen einer Rundganges erläuterte, löscht M-real wöchentlich 420 Lkw-Ladungen Buchen-Rundholz sowie 40 LKW mit Hackschnitzeln von Pollmeier, Creuzburg/ DE. Die obligatorische Holzprobe dient der Bestimmung von atro-Gewicht sowie der Abrechnung. Per Portalkran zum Aufgabetisch befördert, trennen fünf Sägen das Rundholz in bis zu 1,5 m lange Stücke auf.Wassergedämpft. Per Längsförderer erreichen die Rundhölzer eine rotierende, wassergelagerte, 30 m lange Trommel. Darin schlagen sich die Hölzer nach dem Friktionsprinzip gegenseitig die Rinde ab – diese fällt durch Schlitze nach außen zur thermischen Nutzung, während ein Wasserbad fängt die Steine auffängt.
Nach dem Einsatz der Metalldetektoren erfolgt das Hacken in gleichmäßige, 5 bis 6 mm starke Hackschnitzel, die per Blasleitung ihre Hackschnitzel-Silos.Dampf gegart. Ein 5 bis 5,5 Stunden währender, diskontinuierlicher Kochprozess bei 138° C setzt die gewünschte Zellulose mit Magnesium-Bisulfit, frei – homogener die Hackschnitzel, desto besser dringt jetzt die Kochsäure ein. Das durch den Kochprozess zerkleinerte Lignin wird mit 170 bis 180 m³ Waschfiltrat ausgewaschen, eingedickt und verbrannt. Die Rauchgasreinigung nach thermischer Nutzung gewinnt die Kochingredienzien zurück.Dampfgebügelt. Nach dem Abtrennen von verbliebenem Holz und Ästen pressen Flügelräder den Zellstoff durch Sortierer mit 0,13 bis 0,15 mm schmalen Schlitzen und es erfolgt eine Nachsortierung im Cleaner, bevor das Produkt für 4 bis 5,5 Stunden durch Wasserstoffperoxid den gewünschten Weißgrad erhält. Eine 50 m lange Langsiebmaschine bringt den Zellstoff in Bahnform: Von der Stoffdichte 2,4% saugen Vakuumpumpen Wasser, Dampf wird aufgeblasen sowie die Bahn gepresst. In der Trockenpartie steigern beheizbare Trockenzylinder den Stoffgehalt auf 75% bis 90%, bevor der 2005 neu installierte Querschneider sowie die neue Ballenlinie von Metso, Jyväskylä/FI, die Stoffbahn in 81 x 81 cm große und 380 mm hohe Blütterstapel, zu sechs bis acht in Ballen verwandeln. Der Bedarf an Rohstoffen je Tonne Zellstoff beläuft sich nach Aussage von Sauer auf 2 t Holz, 2,9 t Dampf, 36 m³ Wasser, 150 l Trinkwasser sowie 170 m³ Luft (Sauer).
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Unter Dampf: Mit bis zu 950 m/min produziert die PM2 bei M-real die Basis für gestrichene Papiere © Dr. Stefan Peters

Gemahlen. Für die Papierherstellung mahlen Doppelscheibenrefiner und Trommel-Refiner den Zellstoff getrennt nach langen und kurzen Fasern. In Rahmen der Stoffaufbereitung erhält das Zellstoff-Gemisch optional zusätzlichen Farbstoff: Blauviolett sorgt später für besonders weisse Oberflächen.Fliegend gewechselt. Mit 1% Stoffdichte per Düsen eingeschossen, richten sich die Fasern je nach Geschwindigkeit des Laufbandes aus – bei der Papiermaschine PM2 von Voith, Heidenheim/DE, sind es bis zu 940 m/min – und vernetzen sich über Wasserstoff-Brücken miteinander. Nach Entwässern, Pressen, Glätten und Trocknen rollt ein 6 m langer Leertambour die 5,6 m breite Bahn bis zu einem Gewicht von 20 t auf. Der nächste Tambour, bereits auf entsprechende Drehzahl gebracht, wechselt fliegend ein und nimmt die per Luft geschnittene Bahn auf.
Während die PM1, 1963 von Black Clawson, New York/US, installiert und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt, Naturpapiere mit 80 bis 300 g/m², erzeugt. entstehen auf der PM2 von 1970 50 bis 79 g/m² leichte Papiere, die per Streichmaschine SM ihre speziellen Oberflächen erhalten.
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10 t Farbe pro Ansatz: Die Farbküche liefert das Material für die Streichmaschine (SM1) © Dr. Stefan Peters

Gestrichen. Die Streichküche liefert dafür 10 t Farbe pro Ansatz – die Rohpapierrollen aus der PM2 erhalten in der SM zunächst einen Vor-, dann einen Deckstrich, jeweils von Infrarot-Trocknern und Schwebetrocknern an- sowie fertig getrocknet. Während Kunststoff-Rollen eher matte Oberflächen erzeugen, führen beheizbare Kalander zu glatten Papieren, jeweils zwischen 90 bis 135 g/m².Konfektioniert. Nach einem optionalen Aufenthalt im vollautomatischen Rollenlager für 21.500 t Papier erfolgt in der Ausrüstung die Konfektionierung zu Formaten von minimal 28 x 420 mm sowie maximal 1650 x 1600 mm – 90% aller Papiere (365.000 t/J verlassen Stockstadt größer als DIN A4 druckfertig formatiert, 10% als Rollen. Nach dem Schneiden, Stapeln auf Palette und Ausrichten erfolg die luftdichte Folierung.Energiegeladen. Vier Kesselanlagen sorgen für die Herstellung von 465 t/h Frischdampf per Kraft-Wärme-Kopplung, Turbinen für die Umwandlung zu Strom erreichen eine Ausnutzung von 80%. Bereits seit 1955 werden die Reststoffe aus der Produktion (Dicklauge sowie Rinde) in zwei von der Kesselanlagen verbrannt. Seit 1977 investierte M-real an diesem Standort insgesamt 200 Mio. € in die Umweltschutztechnik – mit jährlichen Betriebskosten von 20 Mio. €.
Hauptkostenfaktor dabei ist die Abwasserbehandlung. Sie erreicht Reinigungsgrade bei BSB5 von 99,6% sowie bei CSB von 97,8% und hat eine Entsorgungskapazität von 50.000 m³ täglich.Nachbarschaftlich. Ein paar hundert Meter weiter südlich auf der gleichen Main-Seite will Pollmeier, Creuzburg/DE, Ende diesen Jahres sein neues Buchensägewerk starten. Die Kapazität von 500.000 fm/J im Endausbau dürfte gute Aussichten auf den nachbarschaftlichen Transfer frischer Hackschnitzel und damit Kostenreduktionen bieten.

M-real-Stockstadt-Facts

Gegründet 1898 von der Actiengesellschaft für Maschinenpapierfabrikation Aschaffenburg/DE
Produkte (2005): Zellstoff (153.000 t), Naturpapiere (194.000 t) und gestrichene Papiere (201.000 t); 90% als Formatpapier
Umsatz (2005): 292 Mio.
Mitarbeiter: 916 (davon 57 Auszubildende)
Geschäftsführer: Bernhard Jäggi