Sie werden sich fragen, warum ich hier bin. Keine Sorge, es stehen noch keine Wahlen an. Als Mitglied der Bundesregierung weiß ich aber, was wir an Ihnen haben“, lobte Dr. Michael Spindelegger zum Auftakt der Holzgespräche am Semmering. Er selbst genießt es, seit zehn Jahren in einem Holzhaus zu leben. Kenntnis hat er auch vom heimischen Waldflächenzuwachs der vergangenen 50 Jahre: 300.000 ha (das ist eine Fläche so groß wie das Mühlviertel).
Herausforderungen meistern
„Die kaskadische Nutzung ist schon eine sehr beeindruckende Sache. Wichtig ist auch die bessere Vernetzung von Wirtschaft und schulischer Ausbildung“, hielt Spindelegger fest. Dies war auch ein Ziel der wirtschaftspolitischen Zukunftsinitiative Unternehmen Österreich 2025, um den heimischen Wirtschaftsstandort nachhaltig zu stärken. Für den Holzsektor nannte er drei große Herausforderungen:– Die ökologische: Die Zukunft verlangt neue Energieformen sowie effiziente und ressourcenschonende Nutzungen – und keine weitere Außernutzungsstellung von Wäldern.
– Die ökonomische: Hohen Produktionskosten im Inland ist mit Innovation und Know-how zu begegnen. Der österreichweit etablierte Passivhausbau wäre eine Chance als Exportschlager. „Ich bin gerne bereit, ein Paradeprojekt mit einem Österreichhaus aus Holz zu unterstützen.“ Hinsichtlich des Holztransports gelte es bei Rail Cargo Austria (RCA), unternehmerfreundlicher zu werden: „Wenn wir schon pro Jahr 7 Mrd. € aus dem Haushalt für Zuschüsse oder Haftungen vergeben, dann muss gewährleistet sein, dass die Bahn ihre Güter auch zu einem fairen und wettbewerbsfähigen Preis transportiert.“
– Die kreative: Holz hat noch viel Verarbeitungspotenzial. Die Verwendung muss wieder Kultur und Mode werden, Interesse wecken und Atmosphäre schaffen.
Keine Substanzsteuern oder andere Anschläge auf das Eigentum
Mit Erbschafts- oder Vermögenssteuern sei der Wirtschaft nicht gedient. Spindelegger hatte dazu auch eine Geschichte parat: „Der amerikanische Botschafter erzählte mir erst unlängst, dass ihn der wiedergewählte Präsident Obama gefragt hätte, warum es eigentlich in Österreich so wenige Arbeitslose gibt. Die Antwort: Weil es bei uns keine Erbschaftssteuer gibt.“ Der Verkauf oder die Zerschlagung von Unternehmen erfolgen dort vor allem deshalb, weil die nachfolgende Generation die Erbschaftssteuer nicht aufbringen könnten. Das Eigentum müsse als Grundwert in Österreich geschützt werden.Leise, aber unverrückbar
„Unsere Branche macht keine großen Schritte, aber viele konsequente. Wir brüllen auch nicht laut, wir sind fleißig“, umschrieb Georg Adam Starhemberg, Vorsitzender der Kooperationsplattform Forst Holz Papier (FHP), die Charakterzüge der Branche. Holz sei eine heimische, unverrückbare Größe. Hand in Hand sei noch viel miteinander bewerkstelligbar. Er übergab Spindelegger als Nachtlektüre die erste gedruckte Ausgabe des Leistungsberichtes der Wertschöpfungskette Forst, Holz und Papier (Download: www.forstholzpapier.at).FHP-„Bittgesuche“ an die Bundesregierung
Franz Titschenbacher, Vorsitzender des Ausschusses für Forst- und Holzwirtschaft der Landwirtschaftskammer Österreich, ersuchte Spindelegger bei den Finanzierungsverhandlungen am EU-Sondergipfel für 2014–2020, in der Säule 2 entsprechende Rahmenbedingungen für die Forstwirtschaft und ländliche Entwicklung sicherzustellen.Dass die Jugend ein klares Bekenntnis für den Weg der Holznutzung brauche, machte Rudolf Rosenstatter, Obmann Waldverband Österreich, deutlich: „Unsere Programme laufen nicht nur bis 2025, wir planen für drei Generationen.“
Für stabile rechtliche und politische Rahmenbedingungen sprach sich DI Felix Montecuccoli, Präsident Land & Forst Betriebe Österreich, aus. Der Forst brauche auch keine einschränkenden Managementpläne. Aktuell seien 200 Naturwaldreservate mit 8000 ha und über 6000 ha BIOSA-Flächen im Privatwald zu finden. Zudem liegen mehr als zwei Drittel aller Natura 2000-Gebiete im Wald.
Dkfm. Wolfgang Pfarl, Präsident der Austropapier, machte darauf aufmerksam, dass die österreichische Zellstoff- und Papierindustrie zwar auf Basis von 50 % Altpapier produziere, aber Schwierigkeiten in der Holzversorgung habe. Man benötige auf lange Sicht eine Perspektive, die in Europa in der Roadmap 2050 festgeschrieben wurde.
Zum Club du Bois („Klub des Holzes“) im Europaparlament nach Brüssel lud Laszlo Döry, Präsident von EPF (European Panel Federation) und Sprecher der Span- und Faserplattenindustrie, Spindelegger in der Funktion des Außenministers ein. Effizienzkriterien für die Energieerzeugung aus Biomasse seien in den Gesprächen mit den Mitgliedsstaaten genauso wichtig wie die kaskadische Nutzung. Mehr Wertschöpfung bedeute auch höhere Mehrwertsteuer-Einkünfte.
Dr. Erich Wiesner, Vorsitzender Fachverband Holzindustrie Österreich, verwies auf die im Ministerrat beschlossene österreichische Strategie zur Anpassung an den Klimawandel. Im 400 Seiten dicken Papier wurde dokumentiert, dass die Verwendung von nachhaltigen Rohstoffen einen Beitrag zur CO2-Senkung leisten kann. „Das ist grundsätzlich erfreulich. Aber es wird ein Papier bleiben, wenn es nicht zu begleitenden Maßnahmen kommt.“
Selbst bei einem gesunden Verständnis von Föderalismus ist es für Wiesner unverständlich, dass Österreich neun Bauordnungen braucht. Zudem existiere eine Musterbauordnung vom Österreichischen Institut für Bautechnik, die in den Bundesländern noch immer nicht oder nur mit landesspezifischen Anpassungen übernommen wurde. Wiesner vermisst den industriellen Ansatz: „Wir sind von Entscheidungen einzelner Bezirksbaubehörden abhängig.“
Christoph Kulterer, Vorsitzender der österreichischen Sägeindustrie, forderte mehr Unterstützung im Transportwesen: „Wir befördern ungefähr ein Viertel unseres Holzes mit der Bahn. Allerdings sei die Wirtschaftlichkeit auf der Schiene nicht mehr gegeben. Wir müssen daher auch die technischen Möglichkeiten im Straßenverkehr ausnutzen können. In Europa fährt man heute mit 44 t.“
Aus der Reserve locken
„Rationalisierung ist in der Forstwirtschaft zum Hundertstel-Krimi geworden. Die Erzeugungskosten beeinflussen die Wirtschaftlichkeit entscheidend, wurden aber bereits stark gesenkt“, zeigte Ing. Johannes Loschek, MM Forsttechnik, auf.„Bei nachhaltiger Faserversorgung und globaler Wettbewerbsfähigkeit will die Zellstoff- und Papierindustrie die Wertschöpfung bis 2050 um 50 % zu steigern und die CO2-Emissionen um bis zu 80 % vermindern“, bezifferte DI Christian Skilich, Operations Director Mondi Europe & International. Dies verlange aber noch bahnbrechende („Breakthrough-“) Technologien.
Hermann Blumer, Geschäftsleitung Création Holz, Herisau/CH, machte auf die Problematik des „Dürfens und des Könnens“ im Holzbau unter dem komplexen Titel „Korrektive Effizienz mit Humandiversität“ aufmerksam. So wie es in der Familie verschiedene Verhaltensmuster gibt, sei man auch mit „roten Linien“ im Holzbau konfrontiert. Seine zehn Ratschläge (Gebote) dazu:
1) Vereinen Sie Bedenkenträger, Risikoträger, Kompetenzträger, Vorsichtsträger, Wissensträger, Würdenträger zur Teamarbeit.
2) Sagen Sie als Verantwortungsträger den Würdenträgern, dass die Würde wächst, wenn diese den Holzwissensträgern mehr Freiheiten geben.
3) Veranlassen Sie in ihrem Umkreis, das man nicht sagt: Es ist verboten“, sondern: Es ist erlaubt."
4 bis 6): Holen Sie sich fremde „Propheten“ ins Land. Lassen Sie diese mit ihren kühnen Ideen gewähren. Versprechen Sie, dass Sie mit Ihrem ganzen Wissen, Können und unterschiedlichen Charakteren die Lösung finden werden.
7 bis 10): Nutzen Sie die Gunst der Stunde für das Holz. Lassen Sie die ökologischen Muskeln spielen. Sorgen Sie für Pro-Holz-Gesetze, -Zulassungen, -Zertifikate, -Journalisten und -Politiker. Kreieren Sie holzfreundliche Gesetze.
Kein Blatt vor den Mund nehmen
Journalistenrunde, v. li.: Helmut Brandstätter, Christine Haiden, Ernst Sittinger und Michaela Seiser © DI Andreas Fischer
„Vieles wird von Ihnen zu technisch und ökonomisch erklärt. Wenn man von Holz nur als Rohstoff redet, dann werden Sie dem nicht gerecht, um was es eigentlich geht“, ergänzte Haiden. Wald & Holz habe auch mit Düften, Emotionen und einer komplexen Lebensgemeinschaft zu tun. Dass Hochhäuser auch aus Holz gebaut werden können, weiß Haiden erst seit Kurzem.
„Ich glaube, Sie haben einfach eine zu geringe Durchschlagskraft in ihrem Lobbying. Sie müssen auch nicht als Bittsteller gegenüber dem Außenminister agieren: Der stellvertretende Regierungschef ist Ihr Angestellter“, hielt Seiser fest.
Sittinger ortete ein großes Spannungsfeld infolge zunehmender „Verstädterung“: „Ich selbst bin ein Stadtkind und gehe in den Wald, um Ruhe zu haben. Wenn dann dort einer mit der Motorsäge einen Baum fällt– na, mehr brauche ich nicht.“ Kopfschüttelnd übt er auch Kritik an gelben Schildern mit Querbalken mitten im Wald. „Ich frage mich dann immer: Soll ich jetzt quer durch den Wald gehen oder umdrehen?“ Des Weiteren gebe es immer mehr Forststraßen. „Inzwischen sind das schon richtige Autobahnen und das um unser Steuergeld. Ich würde auch als Mountainbiker liebend gern darauf fahren.“
Sein Fazit zur kaskadischen Nutzung: „Für mich gibt es jetzt noch mehr Fragezeichen und Hemmschwellen. Nach den dargelegten Prämissen traue ich mich jetzt kein Holz mehr zu verheizen, bestenfalls meinen Sessel, aber warum sollte ich?“ Beim Möbelkauf sollte auch über das Herkunftsland informiert werden.
Zur Öffentlichkeitsarbeit: „Erwarten Sie nie, dass der Journalist Ihr Pressesprecher wird. Der Journalismus lebt davon, ehrlicher Makler öffentlicher Auseinandersetzungen zu sein. Wir lassen uns nicht weichklopfen, nur überzeugen – das ist etwas völlig anderes. Mehr können wir Ihnen, fürchte ich, nicht versprechen!“