Im August 2016 konnte erstmals Wärme in das örtliche Fernwärmenetz eingespeist werden. Einen Monat später lieferte das Kraftwerk Strom für das öffentliche Stromverbundnetz in Dänemark. Seither betreibt der Energieexperte die Anlage unterbrechungsfrei.
Vorausgegangen war ein aufwendiges Ausschreibungsverfahren in mehreren Stufen, bei welchem sich das niederösterreichische Unternehmen Polytechnik durchsetzen konnte. Entscheidungsgebend waren für Hillerød Forsyning die hohe Verfügbarkeit und Langlebigkeit der Anlagen, die umfangreiche Erfahrung im Bau schlüsselfertiger Biomasse-Heizkraftwerke sowie das technisch ausgeklügelte Konzept für den vorliegenden Anwendungsfall.
Das Lieferungs- und Leistungsprogramm der Energieexperten aus Weissenbach umfasste neben der gesamten Anlagentechnik die Genehmigungsplanung sowie sämtliche Bauarbeiten und Baunebenleistungen. Strenge dänische und europäische Regelwerke in Bezug auf die Arbeitsstättenrichtlinien setzte Polytechnik um. Hierzu gehören, abgesehen von den notwendigen Sozialräumen, ebenfalls eine behindertengerechte Ausführung sowie ein Ruhebereich für Mitarbeiter. Klimatisierte Arbeitsräume, eine Aufzugsanlage, barrierefreie Sanitärräume, eine zentrale Absauganlage sowie speziell für Thermoölanlagen geeignete Brandmelde- und Brandlöschanlage mit Schwerschaum-Löschstationen erfüllen diese Ansprüche. Besonderen Wert legte der Auftraggeber auf ein ansprechendes Design mit Bezug zur Biomasse als erneuerbaren Energieträger.
Gute Zugänglichkeit trotz Platzmangels
Gute Zugänglichkeit: Trotz enger Platzverhältnisse sind die Anlagenbestandteile gut zu erreichen © Polytechnik
Besonders die eingeschränkte Zugänglichkeit war für Polytechnik herausfordernd. Im Süden des Grundstückes befindet sich in direkter Nachbarschaft ein Erholungsgebiet mit Wochenend- und Ferienhäusern. Östlich ein stark frequentierter Recyclingpark und an der Westgrenze ist ein denkmalgeschützter Steinwall, welcher nicht beseitigt werden durfte. Im Norden befindet sich das bestehende Kesselhaus mit einer Biomasseanlage, die für die Fernwärmeversorgung benötigt wurde und durchgängig in Betrieb bleiben musste.
Trotz aller Herausforderungen gelang es Polytechnik, bei der Planung und Umsetzung der Anlagen auf eine gute Zugänglichkeit und Wartungsfreundlichkeit aller Anlagenkomponenten zu achten. Einen Vorteil gab es: Hillerød Forsyning betreibt ein sehr großes Fernwärmenetz, das von mehreren Energieerzeugungsanlagen gespeist wird. Selbst im Sommer kann das Biomasse-KWK noch mit 50% Last betrieben werden. Um Lastspitzen auszugleichen, verbauten die Ingenieure vorsichtshalber einen Pufferspeicher mit einer Kapazität von 600 MWh.
Von der Brennstoffverwertung …
In Hillerød verwertet man ausschließlich Hackschnitzel aus naturbelassenem Waldrestholz. Aufgrund der Platzverhältnisse ist eine optimale Brennstoff-Logistik notwendig. Die per Lkw angelieferten Hackschnitzel gelangen nach Gewichtsbestimmung und Brennstoffanalyse in einen tief liegenden Brennstoff-Abkippbunker. Über zwei redundant ausgeführte Hallenkrane wird das Hackgut im Brennstofflager verteilt. Eine intelligente Logik ermöglicht eine optimale Vermischung von Brennstoff unterschiedlicher Beschaffenheit, sodass die Feuerungsanlage mit einer homogenen Brennstoffqualität beschickt werden kann. Das großzügig dimensionierte Brennstofflager befindet sich 5 m tiefer und ist in der Lage, den Brennstoffbedarf für sieben Tage im Volllastbetrieb zu decken.
Robust ausgeführte und hydraulisch gesteuerte Schubböden und Querförderer bringen die Hackschnitzel in die Feuerkammer. Gegenläufig fahrende Schieber und eine Brandlöscheinrichtung gewährleisten, dass ein Rückbrand von der Feuerung zum Brennstofflager in jedem Betriebszustand und insbesondere im Störfall verhindert wird.
Das Herzstück der Anlage bilden die von Polytechnik installierten, adiabaten Brennkammern mit hydraulisch betätigtem Vorschubrost. Um eine vollständige Verbrennung zu gewährleisten und niedrige Emissionen selbst bei einem Wassergehalt von über 50% zu garantieren, gestalteten die Polytechnik-Ingenieure die Brennkammer in einer großzügigen Dimension. Weiterführend modifizierte man die Zufuhr der Verbrennungsluft so, dass zurückgeführte Rauchgase mit mehreren mit Frequenzumformern versehenen Gebläsen individuell geregelt werden können. Dadurch ist es möglich, die Brennkammertemperatur exakt zu kontrollieren – einerseits, um einen vollständigen Ausbrand sicherzustellen, und andererseits, um die Entstehung von Kohlenmonoxid oder thermischen Stickoxiden weitestgehend zu vermeiden.
… zur Energieerzeugung
Nach erfolgter Verbrennung der Hackschnitzel durchströmen die heißen Rauchgase die beiden Thermoölkessel. Hier erfolgt die Wärmeübertragung auf den Thermoölkreislauf. Das Medium wird auf 312°C erhitzt. Die Kessel besitzen eine Nennleistung von jeweils 12,5 MW.
„Thermoölanlagen bewähren sich bereits seit Jahrzehnten in der Holzindustrie. Der Vorteil liegt im drucklosen Betrieb der Anlagen, selbst bei hohen Betriebstemperaturen. Da das Medium empfindlich auf Überhitzung reagiert, strömen die Rauchgase um die Rohre. Das Thermoöl selbst fließt in den Röhren. Dadurch lässt sich der Volumenstrom des Mediums leicht überwachen“, weiß man bei Polytechnik zu berichten.
Eine Innovation ist das neue Polyclean-Heizflächenreinigungssystem. Auf den Rohren können Ablagerungen von Flugasche entstehen. Diese beeinträchtigen den Wärmeübergang und verschlechtern den Wirkungsgrad der Anlage. Um dies zu verhindern und die Ascheablagerungen vollautomatisch während des laufenden Anlagenbetriebes zu entfernen, verbaute Polytechnik einen hitzebeständigen Druckluftschlauch mit einer am Ende befindlichen Düse. Dieser wird auf eine Schlauchtrommel auf- und abgewickelt und durch Stutzen am Erhitzerdeckel automatisiert in den Kessel eingeführt. Dies ermöglicht die Abreinigung der gesamten Kesselheizfläche, ohne einen Abrieb auf den Heizflächen zu verursachen.
Zur Steigerung des Anlagenwirkungsgrads wurden nach jedem Thermoöl-Kessel ein Thermoöl-Economiser und anschließend ein Luftvorwärmer installiert. Dadurch ist es möglich, bei einer Betriebstemperatur von 312°C einen feuerungstechnischen Wirkungsgrad von mehr als 89% zu erreichen.
Reine Luft dank Zyklonabscheiders
Die Vorabscheidung von Flugasche aus den Rauchgasen erfolgt mittels Multizyklonen. Luftvorwärmer und Multizyklone werden von Polytechnik selbst konstruiert und hergestellt. Ein Elektrofilter sorgt für die Abscheidung von Feinstaub aus den Rauchgasen.
Durch den Einsatz einer Kondensationsanlage wird der Staubgehalt im Rauchgas schon so weit reduziert, dass die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden können. Polytechnik hat bei dem Projekt in Hillerød der Kondensationsanlage einen Elektrofilter vorgeschaltet. Dadurch wird der Anfall von Schlamm in der Anlage weiter reduziert; die Kondensationsanlage weist eine erheblich längere Verfügbarkeit auf. Der Gesamtwirkungsgrad der Anlage steigt auf über 100%.
Für die Polytechnik-Anlage sprechen die geringen Emissionswerte, welche weit unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte liegen – ein Zeichen für eine hohe Verbrennungsgüte.
Wirkungsgradoptimierung
Mit der Installation einer zusätzlichen Wärmepumpe ging Polytechnik auf die Bedürfnisse des Kunden ein. Nach der Kondensation können die Rauchgase noch weiter abgekühlt werden. Mit einem COP-Wert von über 5 können bei 400 kW elektrischer Antriebsleistung bis zu 2400 kW zusätzliche Wärme erzeugt werden.
Strom aus organischen Flüssigkeiten
ORC-Module besitzen zahlreiche Vorteile. Zum Beispiel benötigen die Anlagen keinen Überhitzer und können im Vergleich zu herkömmlichen Dampfturbinen mit einem deutlich geringeren Arbeitsdruck betrieben werden. Ferner ist das Medium nicht korrosiv und muss nicht aufbereitet werden, es entsteht kein kontinuierlicher Wasserverbrauch.
Das Argument, wonach Dampfturbinen einen besseren Wirkungsgrad als ORC-Turbinen aufweisen, trifft nur auf den reinen Kondensationsbetrieb zu. Im KWK-Betrieb erreicht man mit einem ORC-Modul vergleichbare Wirkungsgrade.
Da das Kraftwerk in Hillerød ausschließlich wärmegeführt betrieben werden sollte, überwogen letztendlich die Vorteile der ORC-Technologie. In Dänemark verbaute Polytechnik zwei ORC-Module mit einer Generator-Klemmenleistung von jeweils 2,6 MW. Beim Anschluss der Module an das öffentliche Stromnetz musste der anspruchsvolle Danish Grid Code, ein Pendant zur deutschen BDEW-Richtlinie, eingehalten werden. Synchrongeneratoren schufen hier Abhilfe. Gegenwärtig werden 3,5 MW Strom sowie 27,5 MW Nutzwärme erzeugt.