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Mit 36 m wurde in Risch-Rotkreuz im Sommer 2018 der höchste Holzbau der Schweiz fertiggestellt. Unmittelbar daneben entstehen derzeit zwei weitere Holz-Hybride mit 30 und 60 m Höhe.
© ERNE AG Holzbau, Laufenburg, Roger Frei, Zürich

Holzbauunternehmen des Jahres 2019

„Hochhaus“ überlegen

Ein Artikel von Günther Jauk | 28.11.2018 - 08:33
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Mit 36 m wurde in Risch-Rotkreuz im Sommer 2018 der höchste Holzbau der Schweiz fertiggestellt. Unmittelbar daneben entstehen derzeit zwei weitere Holz-Hybride mit 30 und 60 m Höhe. © ERNE AG Holzbau, Laufenburg, Roger Frei, Zürich

In Risch-Rotkreuz folgt auf einen 36 m ein 60 m Holzhybridbau und in Frankfurt wird nach einem Schulgebäude mit 210 Modulen jetzt ein 22.000 m2-Projekt mit über 500 Einheiten realisiert. Mit diesen Megaprojekten macht Erne Holzbau weit über die Schweizer Landesgrenzen hinaus von sich reden. Bemerkenswert sind aber nicht nur die gigantischen Dimensionen, sondern auch viele Detaillösungen, die das Unternehmen in den vergangenen Jahren entwickelte.

Ein Kernelement, das bei Modulen und Hochhausprojekten zum Einsatz kommt, ist das selbst entwickelte System Suprafloor Ecoboost. Dabei handelt es sich um spezielle Holz-Beton-Verbundelemente, die neben dem Erfüllen der mechanischen Eigenschaften und gewünschten Deckenstärke die Gebäudemasse thermisch nutzen. Entstanden ist das Produkt als Weiterentwicklung der klassischen Holz-Beton-Verbunddecke. „Das herkömmliche System war kaum noch konkurrenzfähig. Da wir die Kosten nicht weiter senken konnten, mussten wir den Nutzen erhöhen“, gibt Thomas Wehrle, Mitglied der Geschäftsleitung, Einblick. Erreicht hat Erne Holzbau dieses Ziel – neben dem bereits erwähnten thermisch aktivierten Beton – mittels eines ausgesprochen hohen Vorfertigungsgrades.
Bei den Hybriden in Risch-Rotkreuz mit den Projektnamen Suurstoffi S22 (36 m) sowie Suurstoffi Baufeld 1 (30 und 60 m) mussten die auf der Unterseite in Sicht gelieferten Elemente nur noch eingehängt werden. Laut Erne Holzbau ergibt sich daraus eine um vier bis sechs Monate verkürzte Bauzeit gegenüber mineralischer Bauweise.

Was der Markt benötigt

Seit der Unternehmensgründung 1906 von Josef Erne hat sich das Bauunternehmen beständig entwickelt und dabei immer wieder neue Lösungen auf den Markt gebracht. Bereits 1945 übernahm man einen Holzbaubetrieb – 20 Jahre später folgte die Abspaltung einer eigenen Holzbaudivision. Neben der Fensterproduktion, Tischler- und Zimmereiarbeiten lag der Fokus von Erne Holzbau anfangs auf Baustellencontainern aus Holz. Rückblickend betrachtet, war dies bereits der erste Schritt in Richtung Modulbau.

Als der Markt für Holzcontainer mit dem Fall des Eisernen Vorhanges Ende der 1980er-Jahre einbrach, begannen die Schweizer, hochwertige Raummodule zu entwickeln. Heute errichtet man in diesem Bereich vorwiegend Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser und Altersheime. Ähnlich der Suprafloor Ecoboost-Deckenelemente gilt es auch im Modulbau, den Nutzen nach oben zu schrauben. Gegenüber mineralischen Lösungen liegt der Vorteil in der kurzen Bauzeit. Verglichen mit Stahlcontainern, punktet das System mit guten Wärme- und Schallschutzeigenschaften. „Würden wir nur den Preis betrachten, kämen wir nie an Stahlcontainer heran. Sobald aber die Anforderungen an Wärmeschutz und Raumklima steigen, sind Module aus Holz die wirtschaftlich sinnvolleren Lösungen“, erläutert Wehrle.

Die optimale Fertigung

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Die Suprafloor Ecoboost-Elemente fertigt Erne Holzbau im Werk vor – auf der Baustelle werden sie nur noch eingehängt © ERNE AG Holzbau

Mit dem Einstieg in den Modulbau startete Erne Holzbau Anfang der 1990er-Jahre ein Nomadenleben. „Für jeden Großauftrag mieteten wir möglichst nahe an der Baustelle eine Werkshalle, in der wir unsere Module fertigten“, erinnert sich Wehrle. Ein Umstand, der sich 2004 mit dem Ankauf des Standortes Stein nahe der deutschen Grenze änderte.

Seither ist man bestrebt, den Material- und Produktionsfluss zu optimieren. Bedenkt man die Größe einzelner Projekte mit mehreren Hundert Modulen, ist dies eine logistische Meisterleistung. Parallel zum optimierten Materialfluss hat Erne Holzbau seine Fertigung in den vergangenen Jahren weitgehend automatisiert. 2009 investierten die Schweizer in eine 50 m lange Bearbeitungsstraße mit Multifunktionsbrücke von Weinmann, 2015 folgte die Inbetriebnahme der bis dahin größten Robotikanlage für Holzbauteile in Europa. Der Portalroboter mit sieben Achsen und flexiblem Werkzeugwechselkopf ermöglicht die Fertigung hochkomplexer Elemente mit bis zu 48 m Länge. Das Projekt entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Softwareunternehmen Rob-Technologies sowie mit dem Robotik-Spezialisten Güdel und wurde 2017 mit dem Schweighofer-Innovationspreis ausgezeichnet. Da derart große Entwicklungsprojekte mit vielen Unsicherheitsfaktoren behaftet sind, bedarf es neben des nötigen Know-hows auch der richtigen Einstellung. „Zum Glück ist die Familie Erne immer offen für neue Technologien und hat zudem auch den Mut, derart große Projekte als Erster umzusetzen“, berichtet Wehrle.

Neue Märkte

Beim Besuch des Produktionsstandortes Stein fällt einem derzeit als Erstes ein in Bau befindliches Parkhaus ins Auge. Anstelle von Stahl setzt Erne Holzbau bei diesem viergeschossigen Projekt ebenfalls auf Holz und Beton. „Wir waren am Anfang ausgesprochen skeptisch, da es bis dahin noch keine Parkhäuser in Holz gab. Nach mehreren Entwürfen und Kalkulationen fanden wir aber eine wirtschaftlich sinnvolle Holz-Hybrid-Lösung“, berichtet Wehrle. Sollte das Projekt Schule machen, wäre es ein weiterer – von Erne geebneter – Markt für den Holzbau.