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24. Internationales Holzbau-forum

Was haben Eierschalen mit Holzbau zu tun?

Ein Artikel von Kathrin Lanz und Günther Jauk | 18.12.2018 - 13:30

Aus Sicht des Statikers Carsten Hein von Arup Deutschland aus Berlin gibt es beim Holzbau kaum eine Grenze nach oben. „Höhenbegrenzende Aspekte betreffen vor allem den Brandschutz und die Aussteifung“, konstatierte Hein in Garmisch. Das Unternehmen hat das Holzhochhaus „Haut“ mitgeplant, bei welchem in Amsterdam gerade Baubeginn ist. Ganz klar sei bezüglich Höhenrekorde jedoch: „Schon das, was wir derzeit im Bereich von 20 bis 30 m bauen, liegt deutlich außerhalb der Norm.“ Was aber nicht viel mehr heißt, als dass man immer wieder neues Terrain betritt und kaum auf Forschungsergebnisse zurückgreifen kann.

Halb so dick wie eine Eierschale

Auf ein 50 mm dickes Schalendach aus Buchensperrholz mit bis zu 11 m Spannweite folgt ein über 29 m frei spannendes Dach aus aufgelösten Kassettensegmenten. Dabei handelt es sich um ein Projekt der Universität Stuttgart. Als Vorlage für die filigranen, materialsparenden Konstruktionen diente das Plattenskelett des Sanddollars, einer Unterart des Seeigels. Gleich dem Meeresbewohner erhalten die Schalen ihre Stabilität durch die dreidimensionale Fügung vieler ebener, polygonaler Platten. Jede Platte und jede Zinkenverbindung sind dabei Einzelstücke. Die Lage und Form der einzelnen Elemente werden mithilfe integrativer, agentenbasierter Modellierung ermittelt. Dabei sucht sich jede Platte selbstständig die optimale Lage und Dimension. Nur 12 m3 Holz umspannen dabei 605 m3 Raum.

„Im Verhältnis ist unsere Konstruktion damit dünner als die Schale eines Hühnereis“, berichtet Prof. Achim Menges vom Institut für computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung in Stuttgart. Für noch leistungsfähigere und materialeffizientere Konstruktionen haben Menges und sein Team die massiven Plattensegmente jetzt in einer verklebten Kassettenkonstruktion aufgelöst. Je nach Polygongeometrie bestehen die Segmente aus sieben bis zehn Bauteilen, womit dem geringen Materialeinsatz ein massiv höherer Fertigungsaufwand gegenübersteht. Diese Herausforderung lösten die Forscher mithilfe zweier Industrieroboter.

Derzeit befindet sich ein erster Demonstrationsbau für die Bundesgartenschau 2019 in Bearbeitung. Dabei wird eine freie Spannweite von über 29 m bei einer Konstruktionshöhe von 160 mm realisiert, wobei die Plattenstärke in Summe nur 54 mm beträgt.

Telefon steht nicht mehr still

„Uns hat man am Anfang immer gesagt, mehrgeschossiger Holzbau in der Stadt – das gehe nicht“, erzählte Karl-Heinz Weiss, der seit fünf Jahren bei Lendlease in Australien tätig ist. Das Unternehmen wurde erst 1958 von einem Holländer gegründet. Erste große Aufmerksamkeit erlangte man dann mit dem International House Sydney im angesagten Stadtteil Barangaroo South. Das baute man 2017 fünf Geschosse hoch in Holz. „Seitdem steht das Telefon nicht mehr still“, informierte der Wahlaustralier mit Begeisterung.

Derzeit entsteht gerade ein Schwesterngebäude zu dem Bau. Ebenfalls in der Pipeline hat Lendlease ein über 20-stöckiges Hochhausprojekt. Der Entwurf wird aber nur ganz kurz auf die Wand projiziert. „Wirklich darüber reden werden wir, wenn wir auf der Baustelle sind.“