Lieber ein Mal zu viel warnen
Rechtsanwalt Dr. Volker Riepl informierte über die Warnpflichten des Holzbau-Meisters © Kathrin Lanz
„99 % der Warnungen, die mir in meinem Arbeitsalltag unterkommen, sind falsch gemacht“, berichtete Dr. Volker Riepl in Hinblick auf Warnpflichten des Holzbau-Meisters. Der Rechtsanwalt führt eine auf Bauprozesse spezialisierte Kanzlei in Linz. So würde folgende Warnung vor Gericht nicht ausreichen: „Achtung, eine Fensterbankneigung mit 0,7 Grad entspricht nicht der Norm.“ Riepl weiß, welche drei Punkte eine ordnungsgemäße Warnung beinhalten muss: Sie lässt erkennen, dass ein Schaden besteht. Zusätzlich führt sie die Folgen des Schadens vor Augen. Darüber hinaus gibt sie dem Bauherrn hinreichend Entscheidungsgrundlage darüber, ob z.B. die weitere Ausführung unterbleiben soll. Dies allein zu beachten, reiche aber noch nicht aus: „Bitte warnen Sie umfassend. Vergessen Sie das zehnte Risiko nicht. Wenn doch, ist die Nennung der neun Risiken davor zwecklos. Mir ist schon klar, dass das in der Praxis aufwendig ist.“
Aber nicht nur Umfang und Inhalt, sondern auch der Adressat ist essenziell. „Die Warnung hat an den Auftraggeber, nicht den Architekten oder die Örtliche Bauaufsicht zu gehen!“ Ein weiterer Praxistipp des Rechtsanwalts betrifft die Wartungsanleitung für Fenster, die dem Bauherrn übergeben wird. Die Frage ans Publikum: „Bei wem von Ihnen beinhaltet die Anleitung Folgen einer falschen Wartung?“ Aus dem Auditorium tönten Verneinungen. Der Bauherr könne bei Ausbleiben eines solchen Hinweises vor Gericht behaupten: „Niemand hat mich über mögliche Folgen einer falschen Wartung aufgeklärt.“ Damit komme er vor Gericht durch.
„Sag alles, was du weißt!“
Alfred Tanczos, Richter am Oberlandesgericht Graz, referierte über Haftungsfragen am Bau © Kathrin Lanz
Aus dem Leben gegriffen: Ein Dachdecker, ein Spengler, ein Zimmerer und die Örtliche Bauaufsicht sind an einem Werk beteiligt. Ein Feuchteschaden am Flachdach tritt auf, der nicht eindeutig einem einzelnen Gewerk zugeordnet werden kann. Um mit dem Bauherrn weiterhin im Geschäft zu bleiben, zahlt der Zimmerer den ganzen Schaden. Mit solcherlei Fällen ist Alfred Tanczos, Richter am Oberlandesgericht Graz, tagtäglich befasst und weiß: „Der Zimmerer muss aber trotzdem nicht auf den Kosten sitzenbleiben. Die Verjährungsfrist beträgt hier 30 Jahre. Innerhalb dieser Frist könnte der Zimmerer je ein Viertel von den übrigen drei Beteiligten zurückfordern.“
Ein weiterer Fall, den der Richter beschrieb, betraf die Prüf- und Warnpflicht. „Prinzipiell gilt: Sag alles, was du weißt.“ Konkret betraf das Beispiel falsch ausgeführte Spenglerarbeiten. Der Handwerker führt eine Verblechung am Flachdach, wie vom Architekten im Ausführungsplan vorgesehen, aus.
Die Folge: Wasser hinterläuft die Fassade. Das Gerichtsurteil lautete sinngemäß: „Für einen durchschnittlich ausgebildeten Spengler wären diese Fehler im Ausführungsplan erkennbar gewesen.“ Der Spengler hätte also den Bauherrn informieren müssen und haftet somit. Ein Fall, der sich leicht auf weitere Gewerke umlegen lässt.
Eine Selbstverständlichkeit?
Der Schweizer Tragwerksplaner Pirmin Jung präsentierte einige seiner rund 150 mehrgeschossig umgesetzten Holzbauten © Kathrin Lanz
Traditionellerweise organisierte proHolz Tirol an einem Abend der Bildungswoche in Alpbach ein „Come Together“ und einen Vortrag. Diesmal konnte der Verein den Tragwerksplaner Pirmin Jung für ein Referat gewinnen. Unter dem Titel „Bauen mit Holz: eine Selbstverständlichkeit?“ präsentierte der Schweizer einige seiner rund 150 mehrgeschossigen umgesetzten Holzbauten. „Wir müssen Holz mit Hirn einbauen“, kommentierte er den Holzeinsatz nicht nur im mehrgeschossigen Bereich. „Zusätzlich müssen wir für die Kombination von Baustoffen offen sein, um die beste Lösung zu finden“, berichtete Jung aus seiner Erfahrung.