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Gropyus

Bau völlig neu gedacht

Ein Artikel von Gerd Ebner | 17.03.2020 - 13:39
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Bernd Oswald © Gropyus

Diese Idee überzeugte ein Gründerteam mit Veteranen der Immobilien-, Bau- und Technologieindustrie – beispielhaft seien genannt: Florian Fritsch ist Vorsitzender des Aufsichtsrats. Der Gründer von Kalrock ist Immobilienentwickler und erfolgreicher Investor für Tech-Start-ups. Mit an Bord sind etwa Leute aus dem Umfeld von Lieferheld/Delivery Hero und Zalando. Im Aufsichtsrat sitzt der Präsident der österreichischen Wirtschaftskammer, Harald Mahrer.

CPO (Chief Production Officer) und verantwortlich für die Produktentwicklung und Produktion ist ein bekannter Name der Holzbranche: Bernd Oswald, vormals KLH, Mayr-Melnhof Holz, Mondi oder Cree.

Das folgende Gespräch wurde mit Oswald in Wien in den gediegenen Räumen von Wolfgang Rosam, der die Kommunikation von Gropyus leitet, geführt.

Trennbar, leistbar, digital

In den vergangenen beiden Jahren reiften im Gründerteam die Überlegungen für ein System, welches das Baugeschehen umkrempeln soll. Oswald definiert einen gesamtheitlichen Ansatz der Ressourcennutzung und macht diesen auf drei Fundamenten fest:

  • Alles muss weitgehend nachhaltig und transparent sein: Maximierung des Nutzens nachhaltiger Materialien
  • Wohnen muss leistbar sein.
  • Höchstmögliche Digitalisierung in der Planung, Produktion und auch im Gebäudebetrieb

Der Wohnungsbau ist konjunkturunabhängig. Leistbarer Wohnraum wird immer benötigt.“ „Die Produktion ist mitunter eine Notwendigkeit, um ein höheres Wertschöpfungsziel zu erreichen. Wir produzieren auch, um Vorteile zu lukrieren – nicht um des Produzierens willen.


Bernd Oswald

Ohne Holz geht es nicht

Ersteres erfordert nachhaltige Rohstoffe. Daher setzt Gropyus primär auf den Holzbau. Die Elemente müssen so intelligent gefertigt sein, dass diese wieder trennbar beziehungsweise auch austauschbar sind. „Das erfordert einen komplett neuen Bauprozess. Gegenwärtig erwirbt ein Bauherr ein Grundstück und hat eine Verwertungsidee. Nun schafft ein Künstler – also der Architekt – ein kleines Kunstwerk. Diesen Prototyp gießt ein Bauingenieur in einen Plan, der von allen nachfolgenden Beteiligten für jeden Verwendungszweck neu adaptiert wird: Bauunternehmen, Installateur, Elektriker, Holzbau. Die Planungskosten explodieren“, erklärt Oswald die Gegenwart am Beispiel des europäischen Baus.

Gropyus will alles selbst in die Hand nehmen: der Erwerb und die Entwicklung von Grundstücken ebenso wie die Errichtung von frei stehenden Vier- bis Achtgeschossern in Großstädten. Oswald: „Doch für Entwickler sind wir ebenso Partner und bieten ihnen eine Plattform, um nachhaltig, on time, on budget und schnell zu bauen. Die Untergrenze sind für uns 10.000 m2-Projekte. Die Bauteile dafür können, müssen aber nicht aus unserer Produktion kommen. Doch montieren wir alle Elemente selber. Wir vermieten auch sämtliche Wohnungen, keine wird verkauft.“

Vermieten unter 10 €/m2

„Jedes Bauelement wird auf seine Funktion hin optimiert. Damit sollen möglichst wenige Ressourcen verbraucht und die Elemente möglichst lange in Gebrauch sein. Durch die systematische Digitalisierung und Automatisierung wollen wir je nach Lage Mieten unter 10 €/m2 anbieten. Das ist weit unter dem, was derzeit bezahlt wird. Und trotzdem bestechen unsere Bauten im Design und in der Materialität. Sie sind höherwertiger und lebenswerter als der klassische Wohnungsneubau. Dieser Ansatz ist in so vielen Aspekten neu. Daher sind wir für viele Investoren so interessant“, erläutert Oswald.

Langfristige Nutzung, trotzdem geringe Gestehungskosten

Die Gropyus-Gebäude haben Passivhausstandard und werden standardmäßig mit Photovoltaik-Fassaden ausgestattet. „Ein konventioneller Bauherr würde die Wohnungen verkaufen wollen. Dafür wäre diese Art der Fassade wohl zu teuer. Da wir die Gebäude aber bis zum Lebensende betreuen, macht Photovoltaik Sinn“, argumentiert Oswald und ergänzt: „Oberste Zielsetzung ist eine möglichst langfristige Nutzung zu geringsten Gestehungs- und Betriebskosten.“

Engagieren wird sich Gropyus vorerst nur in der DACH-Region, wo man den „größten Rückstand am Bau“ ortet. Hohe Hürden waren Dutzende Landesbau-Ordnungen. „Wir haben aber für alle Wunschstädte die Genehmigungen, selbst Achtgeschosser zu errichten“, ist Oswald stolz. „Das System ist überall gleich. Nur in der Dimensionierung gibt es Unterschiede.“

Serienfertigung – trotzdem vielfältig

Gearbeitet wird ausschließlich mit Systemkomponenten. „Trotzdem ist das nötige Maß an Individualisierung möglich“, meint Oswald. Für dieses Bausystem setzte man Holzbautechniker, Programmierer, Architekten und Mechatroniker nebeneinander. Diese müssen dafür sorgen, dass sich alle Gebäudekomponenten ineinanderfügen – systemisch, räumlich, funktionell. „Wenn man sämtliche Schritte von der Planung bis zur Vermietung in der Hand hat, kann man alle Ineffizienzen dazwischen minimieren“, bringt es Oswald auf den Punkt. Höchstmögliche Digitalisierung ist dabei der Kern von Gropyus. Parallel zum physischen Gebäude gibt es den digitalen Klon. Mit jedem errichteten Gebäude will man besser werden.

Eine Plattform – nämlich die eigene

Die eigentlichen Kunden von Gropyus sind die Mieter als Nutzer der Mehrgeschosser. Bis zur Errichtung derselben arbeitet man ausschließlich für sich selber. Es wird nicht jedes Bauteil selber gefertigt, montiert aber sehr wohl. Oswald erklärt es am Beispiel der Automobilindustrie: „Es gibt viele Zulieferer für eine Plattform. Zusammengesetzt wird aber alles bei TESLA.“

Richen versorgt Gropyus sukzessive mehr

Im Dezember erwarb Gropyus die BSH-Produktion von Mayr-Melnhof in Richen. Oswald erklärt den Schritt damit, dass in den Gropyus-Gebäuden auch BSH verbaut werde. Derzeit plant Gropyus zehn Projekte. „Dafür erhalten wir schon BSH. Den Rest vermarktet Mayr-Melnhof für uns. In ein, zwei Jahren werden wir alles für den Eigenbedarf benötigen“, sagt Oswald voraus. Er betont aber mehrmals im Gespräch, dass man primär kein Produzent sei. „Vielmehr ist die Produktion oft nötig, um ein höheres Wertschöpfungsziel zu erreichen. Wir produzieren, wenn wir Vorteile lukrieren können.“

Höhere Wertdichte

Dass es weitere Übernahmen in der Holzbranche geben wird, verneint Oswald. „Wir haben die Lieferkette im Griff. Nahezu alle Holzbauprodukte sind Commodities, die man kurzfristig kaufen kann. Wir werden uns bei anderen bedienen“, so sein Ansatz. „Unser Weg ist jener der finalen Veredlung mit deutlich höherer Wertdichte.“

Eigene Roboterzellen für die Fertigung

Ein weiteres Unternehmen wurde 2019 erworben: Gropyus Engineering mit aktuell mehr als 20 Mitarbeitern in Steinhaus bei Wels. Sie sollen die Roboter-Fertigungszellen herstellen, welche die Bau-Elemente fertigen. „Dabei geht es aber nicht einfach darum, manuelle Prozesse zu automatisieren. Wir fragen zuerst: Was muss das Endprodukt können – und überlegen dann, wie man dorthin kommt“, sagt Oswald. „Wenn ein Roboter nur die Teile einer Riegelwand hält und zusammennagelt wie ein Mensch, ist das noch kein Quantensprung. Wird die Funktion der Riegelwand optimiert und dann mit geringsten Kosten gefertigt, entsteht etwas Neues. So kommt zusätzliche Intelligenz rein.“

Oswald ist kein bedingungsloser Fan von BSP. In dem Produkt erkennt er einen „Innovationsprozess von hinten“. „Die Säger haben sich überlegt, wie sie Seitenware verwerten können. Der Baunutzen stand dabei nicht im Fokus.“

BSP nicht effizient

Gropyus würde BSP benötigen, „aber gleich mit Leitungsführungen – das gibt es nur noch nicht. Derzeit verschlingt BSP eigentlich noch zu viel Holz, die Relation passt noch nicht“.

Gropyus AG

Sitz: Dornbirn

Personen: 
Florian Fritsch, Aufsichtsratsvorsitzender; Gründer Kalrock, Immobilienentwicklung und Start-up-Investor;
Dr. Harald Mahrer, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender; Präsident der Wirtschaftskammer Österreich;
Bernd Oswald – CPO, Produktentwicklung und Produktion

Zweck: Schaffung von hochwertigem, ressourcenschonendem, leistbarem Wohnraum

System: vorgefertigter, voll integrierter Holz-Systembau durch Digitalisierung, Automatisierung und Vorfertigung

Mitarbeiter: 160 (Anfang 2020)

Finanzen: Gropyus ist mit Eigenkapital ausfinanziert, Fremdkapital holt man für Projektfinanzierung

Gründung: 1919 gründete Architekt Walter Gropius die Kunstschule Bauhaus. Sie steht für puristisch geradlinige Architektur mit hohem Wohlfühlfaktor, Konzentration auf vermeintliche Details, die große Unterschiede machen. 100 Jahre später gründete sich Gropyus.