Interview

Mit Wachstum durch die Krise

Ein Artikel von Günther Jauk | 02.07.2020 - 14:53

Trotz der COVID-19-Pandemie erzielte Haas Fertigbau in den ersten fünf Monaten 2020 ein ausgesprochen gutes Ergebnis: Um 20 % mehr Auftragseingänge in Österreich und knapp 40 % Zuwächse in Deutschland. Wie ist Ihnen das gelungen?

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Dr. Tanja Haas-Lensing    © Haas Group

Das sind nur die Stückzahlen, das tatsächliche Auftragsvolumen ist aufgrund höherer Ausbaustufen sogar noch stärker angestiegen. Die Zahlen sind ja bei vielen Fertighausherstellern gut. Hinzu kommt, dass zahlreiche Maßnahmen, die wir in den vergangenen beiden Jahren gesetzt haben, jetzt wirken. So haben wir etwa unser Produktsortiment abermals erweitert, den Vertrieb weiter ausgebaut und unser Erscheinungsbild am Markt verbessert. Mit zahlreichen Bausteinen wie diesen ist es uns gelungen, Marktanteile zu gewinnen. Natürlich profitieren wir auch von der grundsätzlich positiven Entwicklung des Holzfertigbaus. Themen wie Nachhaltigkeit, wohngesundes Bauen oder CO2-Bilanzen, die für uns zum Teil selbstverständlich sind, kommen jetzt auch bei unseren Kunden an.

Inwieweit hat Sie die Coronapandemie bislang trotz gut gefüllter Auftragsbücher beeinträchtigt und welche Maßnahmen haben Sie ergriffen?

Am Beginn der Pandemie haben wir unterschiedliche Szenarien durchgespielt und alle notwendigen Maßnahmen getroffen. Wir haben Schichten auseinandergezogen, so weit wie möglich auf Homeoffice gesetzt und auch auf den Baustellen alle nötigen Sicherheitsbestimmungen umgesetzt. Bisher hatten wir in Österreich keinen und in Deutschland drei Coronafälle. Anders als auf Großbaustellen ist es bei uns dadurch aber zu keinen großen Problemen gekommen. Bei einzelnen Rohwarenanlieferungen kam es zu Verzögerungen und Subunternehmen sind teilweise nicht gekommen – das war aber alles nicht dramatisch. Flaschenhälse gab es während des Lockdowns – aufgrund geschlossener Ämter – bei den Baugenehmigungen sowie Bemusterungen. Dadurch werden uns am Jahresende ein paar Einheiten fehlen, die wir nur verzögert abwickeln können. Aber aufgrund des bislang erarbeiteten Vorsprungs werden wir unsere Ziele dennoch erreichen.

Bemerken Sie aktuell einen Rückgang der Auftragseingänge oder vermehrte Stornierungen?

Im Gegenteil. Gerade in den vergangenen Monaten hatten wir ausgesprochen viele, sehr konkrete Interessenanfragen. Bei Stornierungen und Rücktritten stellen wir im Fertigbaubereich bislang noch keinen Anstieg fest – es wird sich aber noch zeigen, ob jetzt tatsächlich auch alle geplanten Finanzierungen durchgehen. Anders ist es im Gewerbe- und Industriebau – hier gibt es bereits Auftragsrückgänge und Stornierungen. Oft sind das bereits abschlussreife Projekte mit Baugenehmigungen, welche die Unternehmen aufgrund der unsicheren Zukunftsaussichten jetzt aber lieber noch um ein Jahr nach hinten verschieben. Derzeit befinden wir uns in dieser Sparte aber trotz der Rückgänge auf Vorjahresniveau.

Wie wird sich die Situation in Zukunft entwickeln?

Bei uns im Betrieb sind die bereits erwähnten Coronamaßnahmen nach wie vor in Kraft. Zudem warnen wir unsere Mitarbeiter regelmäßig, nicht zu lax mit der Situation umzugehen. Wie sich die Wirtschaftslage in den kommenden Monaten und Jahren entwickelt, ist aus heutiger Sicht schwer zu beurteilen. Laut diversen Studien soll es die Bauindustrie weniger stark, aber dafür langfristiger als andere Branchen treffen. Anders als in der Wirtschaftskrise 2007 und 2008 ist die Ausgangssituation aufgrund der hohen Auftragsbestände jetzt aber deutlich besser.Bis in die zweite Jahreshälfte 2021 sind wir gut ausgelastet, darüber hinaus verfolgen wir in den nächsten Monaten sehr wachsam die Entwicklung in den einzelnen Geschäftsfeldern und werden sicher unsere Aktivitäten im Bereich Wohnbau verstärken. Wenn sich der Gewerbebau längerfristig eintrübt, sehen wir Potenzial bei anderen Zielgruppen, wie etwa im Gesundheitswesen oder am Bildungssektor. Gebaut wird also auch weiterhin. Hinzu kommt, dass in jüngster Zeit auch Immobilieninvestoren, die früher nicht einmal darüber nachgedacht haben, heute in Holz bauen wollen. Wir bleiben aber auf jeden Fall wachsam und arbeiten weiter an unseren Zukunftsthemen zur Erhöhung der Vorfertigung und Digitalisierung entlang der gesamten Prozesskette.