SWOT-ANALYSE ZU 75 JAHREN HOLZKURIER  

Holz wird der „Mega“-Rohstoff

Ein Artikel von Holzkurier Redaktion | 14.10.2021 - 09:05
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Josef Zerle, Geschäftsführer ­Weinmann Holzbausystemtechnik, St. Johann/DE © Homag/Weinmann

Was sehen Sie als …

1) … die größten Stärken

2) … die größten Schwächen

3) … die größten Chancen

4) … die größten Risiken

für unsere Branche?

  1. Die Regionalität der Betriebe erlaubt es durch Einsatz von Technologie und Digitalisierung, qualitativ hochwertige Endprodukte auch durch KMU zu erzeugen. Die Nähe zur nachhaltigen Waldwirtschaft mit hohem gesellschaftlichem Nutzen (Klimaproblemlöser) führt zu einer hohen positiven Identifizierung der Bevölkerung und damit auch zu einer positiven Arbeitsmarktsituation für diese innovativen Unternehmen. Familiengeführte Unternehmen und Start-ups werden in nie dagewesener Weise die herkömmliche Baustrukturlandschaft verändern – „Ziegelunternehmen“ werden entweder zu Holz oder anderen nachwachsenden Stoffen umswitchen. Durch die Nutzung von innovativer, netzwerkbasierter und humaner Technologie wird sich das Bauhandwerk grundlegend verändern. Die Flexibilität und der hohe Ausbildungsstandard unserer Unternehmer werden dafür ideal geeignet sein. 
  2. Insbesondere auf der Halbfertigseite wird sich der Kampf um Rohstoffe (Holz) und Marge (Gewinn) wieder verschärfen. Dadurch werden wenige große Unternehmensgruppen überleben, was zu monopolartigen Strukturen führen kann. Die Digitalisierung in seiner umfassenden Form sowie die Generation der digital natives wird, wenn wir uns nicht bedingungslos darauf einstellen, unsere größte Schwäche werden. Durch die Digitalisierung werden neue, branchenfremde Player in den traditionellen Markt der Holz be- und verarbeitenden Industrie eindringen. Diese Player haben ihren Ursprung im IT-nahen Umfeld. Von diesen wird zum Beispiel die Hardware „Haus“ eher wie ein Hardwareträger, vergleichbar mit einem iPhone-Chassi, oder Auto-Chassi gesehen, welches um die Nutzung einer einfach zu bedienenden und profitablen Software herum gebaut ist. Die heutigen Branchenverbände werden von neuen transnationalen „Communities“ abgelöst werden. Diese zeichnen sich durch unprätentiöse Zusammenarbeit und „shared values“ aus. 
  3. Es wird das Zeitalter des industriell vorgefertigten nachhaltigen Wohnbaus aus Holz kommen. Holz wird als Rohstoff, der neben seinen hervorragend technischen Eigenschaften auch CO2 speichert und nachwachsend ist, als der „Mega“-Rohstoff angesehen werden. Es wird zur gesellschaftlichen Norm werden, Produkte nach ihrem CO2-Footprint zu beurteilen. Unser Wohnen wird sich zunehmend auf die jeweilige Lebenssituation ausrichten, es wird bedürfnis- und tätigkeitsorientiert, nachhaltig und gesund gewohnt und gearbeitet. Produktionsstätten werden wieder näher an und in die Städte ziehen. Die Produktion wird ein integraler Bestandteil der Städteplanung werden – das ist die Chance für KMU. In 25 Jahren wird sich der Rohstoffverbrauch von Holz pro Quadratmeter umbauten Raumes drastisch reduzieren. Bauvorschriften werden neben dem CO2-Footprint auch Cradle to Cradle als Maßgabe gelten. Dies wird heutige Produkte, wie beispielsweise CLT, vor Herausforderungen stellen. Durch neue statisch belastbare schlanke Trägerkonstruktionen wird der Holzverbrauch reduziert. Die Digitalisierung erlaubt bereits beim Holzeinschlag den optimalen Einsatz für die jeweiligen Endprodukte – dies ist die Chance von vertikal integrierten holistisch operierenden Großunternehmen. 
  4. Das größte Risiko für unsere Branche liegt in uns selbst. Sind wir bereit, die Herausforderungen als Chance zu sehen, und nutzen wir die noch nie dagewesenen Möglichkeiten? Ich sehe viele positive Ansätze von Unternehmern, die bereits heute überkommene Denkkulturen überwinden und neue unkonventionelle Wege beschreiten. Wer nicht – auch als KMU – strategisch plant, vernetzt arbeitet und alle Möglichkeiten innerhalb seiner „Community“ nutzt, wird es schwer haben. Dabei wird es von großer Bedeutung sein, sein Unternehmen selbst als Marke zu definieren, basierend auf klaren Werten und Nutzenversprechen. Nehmen wir mal an, Amazon oder Google werden Holzbe- und -verarbeiter – wie würde dann die Landschaft aussehen? In diesen disruptiven Unternehmensmodellen liegen die Risiken für uns. Wird Wald zur Mangelware? Oder wird Wald gesellschaftlich zum hohen Gut – mit einem dementsprechend hohen Wert? Werden wir diesen Holz-Wert durch innovative, ressourcenschonende Produkte effektiv und kostengünstig in bezahlbaren Wohnraum umsetzen können? Es liegt an uns, diesen gesellschaftlichen Wandel nicht nur zu begleiten, sondern vorne mit dabei zu sein – Konkurrenzdenken, proprietäres und kurzfristiges Handeln anstelle einer langfristigen, nachhaltigen und wertebasierten Strategie könnten die größten Risiken für die Unternehmen und die Branche sein. Erkennen wir die Risiken und beginnen wir heute, daraus Chancen für unsere Branche für die nächsten 25 Jahre zu machen.