Aufgewachsen in der väterlichen Zimmerei am Weissensee in Kärnten, war Christof Weissenseers Karriereweg alles andere als vorgezeichnet. Eigentlich wollte er an der Wiener Kunstakademie Architektur studieren, ging dann aber vor über 35 Jahren nach Nordamerika. Dort verbrachte der frisch gebackene HTL-Absolvent über sechs Monate in Kanada, wo er die Hängegleiterproduktion seines Onkels übernehmen hätte können. Stattdessen stieg er aber doch in den Drei-Mann-Betrieb seines Vaters ein und absolvierte berufsbegleitend ein BWL-Studium in Klagenfurt.
Damals stellten die Bauern das Material und der Zimmerer lediglich seine Arbeitskraft zur Verfügung. Angebote, Stücklisten sowie andere Bürotätigkeiten gab es kaum und wurden von Weissenseers Vater ohnehin als unproduktiv und damit nicht als Arbeit angesehen. Mit dem aufkommenden Tourismus rund um den Weißensee in den 1980er Jahren wehte plötzlich ein neuer Wind, den sich Weissenseer zunutze machte und damit den Grundstein des Unternehmens Weissenseer Holz-System-Bau in seiner heutigen Form legte.
In 50 Jahren kann man dann aus alten, bestehenden Gebäuden die Komponenten für ein neues Haus gewinnen.
Visionär und pragmatisch zugleich
Zwei der Quintessenzen für den Erfolg eines Unternehmens sind laut Weissenseer eine klare Vision sowie eine ebensolche Mission, die das Handeln aller Mitarbeiter bestimmen. Die Vision lautet: „Jeder Erdenbürger soll in einem Plusenergiehaus leben dürfen.“ Natürlich ist dem Holzbaumeister bewusst, dass sich diese Idee in einem Menschenleben nicht umsetzten lässt, aber dennoch kann man daraus eine klare Mission ableiten, an der sein Team Tag für Tag arbeitet: Die Errichtung von nachhaltigem und leistbarem Wohn- und Arbeitsraum aus standardisierten Bauteilen mit hoher architektonischer Qualität.
Neben mehrgeschossigen Wohn- und Bürogebäuden liegt der Fokus auf Sanierungsprojekten und exklusiven Einfamilienhäusern. Letztgenanntes sei zwar ein kleines Segment, aber enorm wichtig für Innovationen: „Hier wollen unsere Kunden nur das Beste, was uns Raum für neue Entwicklungen lässt. Manche dieser Ideen kommen dann auch im Mehrfamilienhausbau zum Einsatz.“
Dabei hält Weissenseer den Konkurrenzkampf einzelner Holzbauprodukte ebenso entbehrlich wie jenen von Holz gegenüber Beton und Stahl. „Wir setzen immer das passendste Produkt ein, wobei wir neben der Funktionalität und Nachhaltigkeit auch immer die wirtschaftliche Komponente im Blick haben. Zudem ist es uns wichtig, mit möglichst wenig Holz möglichst viel Volumen in Holzbauweise zu errichten“, macht Weissenseer seinen Standpunkt klar.
Außenwände fertigt das Unternehmen in Riegelbauweise, Zwischendecken bis 5 m Spannweite sowie tragende Zwischenwände mit Brettsperrholz. Nicht tragende Zwischenwände führt Weissenseer hingegen als Trockenbau aus: „Eine Holzwand mit Lehmputz würde das Dreifache kosten. Hier sind wir ebenso pragmatisch wie beim Einsatz von Stiegen und Balkonen aus Betonfertigteilen in der Gebäudeklasse 5.“
Mit Maschinen heizen
Gefertigt werden die Elemente in Greifenburg, wo das Unternehmen 2008 die sogenannte WCB-Factory (Weissenseer Compact Building-Factory) errichtete. Die Idee dahinter war eine Produktion auf möglichst kleinem Raum – autark und als Plusenergie-Standard ausgeführt. „Vom ersten Entwurf bis zur tatsächlichen Umsetzung ist es uns gelungen, das Hallenvolumen um 70 % zu reduzieren“, berichtet Weissenseer und ergänzt, dass man damit Boden, Baukosten, Heizungsenergie und Wartungsaufwand spare.
Ausgestattet mit dreifach verglasten Scheiben, einer 40 cm-Dämmung sowie einer Fußbodenheizung, übernimmt die Abwärme der Maschinen die Raumheizung. Diese beziehen ihre Energie wiederum aus der PV-Anlage am Dach. „Anfangs wurden wir für diesen Aufwand belächelt. Aber spätestens mit dem enormen Anstieg der Energiepreise vor zwei Jahren verstummten die letzten Kritiker“, so Weissenseer und führt weiter aus: „Natürlich können wir in der WCB-Factory nicht alles machen. Das ist aber auch gar nicht unser Anspruch. Viel wichtiger ist es für uns, in unserem hoch spezialisierten Bereich effizient und leistungsfähig zu sein.“
Der angesprochene Bereich ist die maximal mögliche Vorfertigung von Elementen von einem 50-köpfigen Expertenteam unter kontrollierten Bedingungen. Nur so könne man effizient arbeiten, die Zeit auf der Baustelle kurz halten und etwaige Fehler vermeiden.
Weltweit tätig
Bereits seit 15 Jahren hält Weissenseer ein Büro in Wien, seit 2016 ein weiteres in Berlin sowie Unternehmensbeteiligungen in Kasachstan und China. „Wir denken global, handeln aber dennoch regional“, betont der Holzbaumeister. Bei sämtlichen Projekten, die sich mittlerweile beinahe auf allen Kontinenten finden, arbeitet das Unternehmen eng mit Partnern vor Ort zusammen, denen man auch gleich das ganze Know-how zur Verfügung stellt. Nicht Patente, sondern ein gemeinsames, offenes Miteinander erachtet Weissenseer hier als den richtigen Weg.
Rücknahmegarantie für Häuser
Den Architekten sieht Weissenseer als Dirigenten, der den Holzbau, die Statik, die Bauphysik, die Ökologie sowie alle weiteren relevanten Faktoren gemeinsam, in Form eines Gebäudes, zum Klingen bringt. Nur mit den besten Musikern könne auch der Dirigent Höchstleistungen erbringen, zieht Weissenseer den Vergleich und nimmt dabei die Architekten auch in die Pflicht. Diese müssen möglichst langfristig denken und ein Objekt so interpretieren, dass man es auch noch in 100 Jahren verwenden könnte.
„Hat ein Gebäude dann doch sein Ende erreicht, braucht es Konzepte, mit denen wir die eingesetzten Baumaterialien wiederverwerten können“, greift der Holzbaumeister den Cradle-to-Cradle-Gedanken auf und spinnt diesen fort: „In 50 Jahren kann man dann aus alten, bestehenden Gebäuden die Komponenten für ein neues Haus gewinnen.“ Damit das auch tatsächlich möglich wird, braucht es allerdings eine exakte Dokumentation aller eingesetzten Materialien, eine Standardisierung der Bauteile, wieder auflösbare Verbindungen, eine plausible Rentabilitätsrechnung und in erster Linie den Willen, das auch tatsächlich umzusetzen. Hier denkt Weissenseer an eine Rücknahmegarantie für jedes Gebäude, die den Erbauer langfristig an das Objekt bindet: „Das Resultat wären deutlich hochwertigere und langlebigere Bauten, bei denen der Holzbau seine Stärken noch besser ausspielen kann.“