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Rainer Rutsch erklärt die Anatomie eines Fensterbogens, Mitglieder einer Exkursion im Meckesheimer Werk hören gespannt zu © DI Robert Spannlang

Alt wie neu

Ein Artikel von DI Robert Spannlang | 06.09.2006 - 00:00
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Rainer Rutsch erklärt die Anatomie eines Fensterbogens, Mitglieder einer Exkursion im Meckesheimer Werk hören gespannt zu © DI Robert Spannlang

„Fenster sind nicht bloß Löcher in der Wand, die man verschließen will.” Dass DI Rainer Rutsch, Architekt und Geschäftsführer des Erzeugers von Holz-Fenstern und -Türen Rutsch, Meckesheim/DE, mit dieser Aussage nicht Allgemeinplätze besetzt, wird Besuchern in den Werkshallen des Familienunternehmens glaubhaft vor Augen geführt: Mit hohem technischen und handwerklichen Aufwand werden dort alte, erhaltenswerte Holzfenster historischer Gebäude restauriert oder detailgetreu nachgebaut. Bereits 70% des Umsatzes wird bei Rutsch mit Renovierung und thermischer Aufrüstung von Altfenstern erwirtschaftet.

Aussehen von gestern, Anforderungen von heute.
„Dass diese Fenster dann bei Wärme-, Schallund Einbruchschutz sowie beim Pflegeaufwand dem Standard moderner Fenster entsprechen, wird vom Kunden erwartet”, fügt der Badener hinzu. So werden etwa Altfenster und historische Kastenkonstruktionen mit Mini-Isolierglas oder Vorfenstern aufgerüstet. Isolierglas-Scheiben erhalten dabei auch oft farblich angepasste Stege im Scheibenzwischenraum.

Rutsch-Facts

Gegründet: 1922
Geschäftsführer: DI Rainer Rutsch
Umsatz: 4 Mio. €/J
Mitarbeiter: 50
Produkte: Holzfenster, Holztüren
Holzarten: je nach Wunsch, vorw. Eiche, Lärche, Kiefer, Kirsche, Meranti, Hemlock
Leistungen: Beratung, Planung, Fertigung, Montage, Reparatur-, Wartungs-Service
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Stilistische Autentizität und Passivhaus-Standard müssen kein Widerspruch sein © DI Robert Spannlang

Sprosse als Markenzeichen. Das „Sprosse 22”-System ist das Ergebnis einer Kooperation mit einem Hamburger Fensterbauer und einem Glaserzeuger, mit dem besonders dauerhafte Lösungen für schmale Isolierglas-Sprossenfenster verwirklicht werden können: Dabei werden die äußeren Sprossen fest mit dem Flügelrahmen und die inneren mit der Glasleiste verdübelt. Extrem schmale Ansichten im Stulpund Kämpferbereich sowie Flügel-Unterstücke mit integrierten Wetterschenkeln sind weitere Ergebnisse der Produktentwicklung.

Keine Prozessverkettung.
Die individuelle Ausführung von stilgerechten Holzfenstern erfordere einen hohen Anteil von Facharbeitern im Werk, betont Rutsch. „Wir sind eine große Bautischlerei ohne Prozessverkettung. Das Holz sagt uns, was zu tun ist, nicht die Maschine”, merkt der Geschäftsführer an.
Edle Produkte erfordern sorgfältig ausgewählte Rohstoff-Herkünfte: Die verwendete Eiche, Kiefer und Lärche bezieht man aus Wuchsgebieten wie der Pfalz, dem Odenwald und dem Bayerischen Wald. Rutsch verwendet zudem selten lamellierte Kanteln. „Oft sind Mittellagen von schlechter Holzqualität”, weiß der Fensterbauer, der mit Schwester Sibylle Boy das Unternehmen in dritter Generation leitet.
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Hat noch eigenes Büro: Seniorchef Karl Rutsch vor Kastenfenster © DI Robert Spannlang

Renommierte Referenzobjekte. „Für einen Holzfensterbau-Betrieb ist unsere Auftragslage gut”, verrät Rutsch mit Blick auf das triste wirtschaftliche Umfeld der Branche: Seit 1995 habe sich die Anzahl der verkauften Fenstereinheiten in Deutschland halbiert, reine Holzfenster-Erzeuger verzeichneten teilweise noch größere Einbußen. Seine Ausnahme-Stellung führt er auch darauf zurück, dass seine Klientel - vorwiegend bessergestellte Privatkunden - „weniger konjunktur-abhängig” sei.
Als Referenz können die Meckesheimer Fensterbauer auf Großprojekte in Berlin/DE wie den Sitz der Deutschen Bank oder das ZDF-Hauptstadtstudio, verweisen. Einzigartig in seinem produktionstechnischen Anspruch seien aber laut Rutsch die Bauchbogen-Fenster für das Dresdner Schloss gewesen: Die nach außen gewölbten Rahmen dieser Bogenfenster erforderten maßgefertigte Schablonen. „Die obere Fensterkantel musste also doppelt gebogen werden”, resümiert der Architekt.

Öffentliche Vergabe-Praktiken verbessern.
Nicht nach dem Billigst-, sondern nach dem Bestbieter-Prinzip solle bei Sanierungs-Ausschreibungen für denkmalgeschützte Gebäude der Zuschlag erfolgen, beklagt Rutsch die bisherige Vergabe-Praxis. So will Rutsch - Mitglied im Exekutivrat der Initiative Pro Holzfenster und Teilnehmer beim RAL-Güteverband - auch weiterhin keine Abstriche bei der Qualität seiner Produkte machen. Den Diskontmarkt mögen andere besetzen.