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Mit 42?m Spannweite ist diese Verbindung über die Donau bei Sigmaringen Deutschlands größte Holz-Schwerlastbrücke - sie stammt von Müllerblaustein © Müllerblaustein

Untrennbar verbunden

Ein Artikel von Hannes Plackner | 26.11.2013 - 16:08
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Reinhold Müller, ist in dritter Generation Geschäftsführer des Baden-Württemberger Holzbauunternehmens Müllerblaustein © Müllerblaustein

Seit Jahren taucht im Holzkurier regelmäßig der Name Müllerblaustein auf. 2008 war Geschäftsführer Reinhold Müller Sprecher am Internationalen Holzbauforum in Garmisch. 2010 folgte ein Bericht über den „Turmbau zu Hemer“. 2012 stellte der Holzkurier das Abbundzentrum Ulm vor, an dem Müllerblaustein beteiligt ist. Immer wieder stoßen die Redakteure auf Vorzeigeholzbauten aus der Blausteiner Werkstätte. Zuletzt waren das die neue Zentrale von Steico in München und der Verwaltungsbau vom Hygieneunternehmen Vogt in Steinheim/DE. Unisono wurden die Betreuung des Bauvorhabens und die hochwertige Ausführung gelobt.
Das Tüpfelchen auf dem „i“ ist aber Müllerblausteins Engagement für die Weiterentwicklung des Holzbaus. Der Betrieb entwickelt eine komplett neue Holzbaumethode mit. Gemeinsam mit der Clusterinitiative Forst und Holz Baden-Württemberg und Kuka wird im Dezember ein Industrieroboter in Blaustein installiert. Dieser wird Multiplex-Platten für Freiformgeometrien verarbeitet. Zusammenfassend: Müllerblaustein ist Holzbaubetrieb mit langer Tradition, der hochwertige Objekte errichtet und die Methoden weiterentwickeln will. Dafür verleiht die Redaktion die Auszeichnung zum „Holzbauunternehmen des Jahres 2014“.

Jeder Sohn war Zimmerer

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Sporthalle in Holzbauweise © Müllerblaustein

Die Selbstverständlichkeit, mit der Müller hochwertigen Holzbau erledigt, erklärt vielleicht der Blick in die Familiengeschichte. Eine Sippe, die so untrennbar mit dem Zimmermannshandwerk verbunden ist, gibt es selten.
1945 gründete Großvater Friedrich den Betrieb als Holzbau Müller. Der Zimmermeister hatte sechs Söhne und eine Tochter. Die Söhne erlernten allesamt das Zimmermannshandwerk. Die Tochter heiratete einen Zimmermeister. Die ganze Familie arbeitete im Betrieb, dessen Fokus damals bei landwirtschaftlichen Konstruktionen lag. Die nächste Generation (Manfred) übersiedelte den Betrieb 1967 an den jetzigen Standort. Damals war Müller einer der ersten Holzbaubetriebe mit rechnerischem Abbund statt Reißboden. Der jetzige Chef, Reinhold Müller, schloss 1990 die Zimmermannslehre ab und arbeitete anderthalb Jahre bei anderen Holzbaubetrieben. Geschäftsführer wurde er 1995. Von Kindesbeinen an beobachtete er aber den Siegeszug der Automatisierung. „Am Computer planen wir seit 1980. Die erste CNC-Portalfräse kam 1989, das Abbundzentrum folgte 1991“, erinnert sich Müller. Von Anfang an wird in Blaustein auf Hundegger-Anlagen gesetzt. Dort arbeiten gegenwärtig die Abbundanlage K2i 1250 mit einem Vierseiten-Hobelautomaten und dem Zuschnittautomaten Speedcut-SC3. 2012 war Müllerblaustein zudem einer der ersten Kunden, die sich für eine Plattenkonfektionsanlage von Hundegger, die Speed Panel Machine SPM2, entschieden. Allein in den vergangenen Jahren investierte Müllerblaustein 2,5 Mio. €.

Doppelter Umsatz in fünf Jahren

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Die Zentrale von Müllerblaustein wurde 2010 errichtet, und besitzt von der Thermotannenfassade bis zum Liftschacht aus BSP schöne Holzbaulösungen © Müllerblaustein

Müller legt Wert auf gute Ausstattung. Nur so konnte er den Umsatz seines Unternehmens in den vergangenen fünf Jahren verdoppeln – während die Belegschaft nur um 20 % wuchs. „Und weil die Projekte umfangreicher und der Holzbauanteil größer wurden“, ergänzt er. „Mehr Umsatz heißt nicht unbedingt mehr Arbeit in der Produktion, aber in Engineering und Vorbereitung.“ Müllerblaustein bezeichnet sich als einen der größten Objektbauer mit eigener Statik und Großelementfertigung. Die Dienstleistung beginnt bei Planung, reicht über Vorfertigung und Montage bis hin zum fertigen Objekt. „Ob wir schlüsselfertig bauen, nur den Holzbau erledigen, Ingenieurholzkonstruktionen oder Sonderprojekte erledigen, spielt keine Rolle“, lacht Müller, der als Hobby am Wochenenden seinen Sohn in ein Beiwagen-Motorrad setzt und die Baustellen abfährt.
Rund 1000 Objekte wurden unter der Ägide des jetzigen Geschäftsführers bereits fertiggestellt. Doch was waren die Highlights in Müllers Laufbahn? „Sicher die Uni Ulm“, sagt er nach kurzem Nachdenken. „Die stand als schnellster Bau der Welt sogar im Buch der Rekorde. Von Idee bis Fertigstellung vergingen nur zwei Jahre und wir haben‘s errichtet.“ Als weitere Glanzlichter zählt Müller einen 42 m hohen Holzturm in Altenberg und die Montessorischule in Aufkirchen mit „windschiefen Dachelementen“ auf.
Aktuell verbreitet Müllerblaustein den hochwertigen Holzbau mit dem Helikopterhangar in München und dem „Haus der Berge“ in Berchtesgaden. In Ulm, Müllers Geburtsstadt, errichtet das Unternehmen gegenwärtig ein schwimmendes Restaurant. Riesige Stahlpontons auf der Donau tragen den zweigeschossigen Holzbau, in dem ab kommendem Jahr 400 Gäste speisen werden. Zu guter letzt sei noch eine Schwerlastbrücke über die Donau erwähnt. 42 m Spannweite besitzt die Konstruktion in Sigmaringen.
Nach jenem Holzbau gefragt, der ihn am nachhaltigsten beeindruckte, nennt Müller das Expodach in Hannover. Aber auch, wenn er vor seinem 42 m hohen Turm steht und sieht, was in seiner Werkstatt geschaffen wurde, bekommt er „Gänsehaut“. Dies auch vor dem Respekt und der Anerkennung seiner hervorragenden Mitarbeiter. „Ohne sie wären derartige Herausforderungen nicht zu meistern“, betont Müller.

Lehrlinge an Schulen anwerben

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Bei der Sporthalle Sillenbuch verband Müller Ingenieurholzbau mit der Vorfertigung großflächiger Dachelemente mit Akustikoberfläche und Installationen © Müllerblaustein

Von den 60 Beschäftigten arbeitet ein Viertel im technischen Büro. Dort zählen Handwerkskunst und Know-how ebenso wie in den Montagehallen.
Da um Ulm Vollbeschäftigung herrscht, sorgt Müller proaktiv für Fachkräftenachwuchs. „Wir gehen aktiv in die Schulen, um die Jugendlichen für den Beruf zu begeistern“, sagt der Geschäftsführer. Wer mit ihm über aktuelle und zukünftige Projekte spricht, könnte den Eindruck bekommen, es sei beim deutschen Holzbau alles in Butter. Das lässt Müller aber nicht so stehen und kritisiert die „zersplitterte Verbandslandschaft“. „In Deutschland fehlt ein großer und starker Verband für alle Zimmerer und Holzbauer“, verdeutlicht Müller. Dabei dürfe die Bedeutung von überbetrieblichem Lobbying und Marketing nicht unterschätzt werden. „Wenn wir nichts machen, gibt’s irgendwann keine Lehrstühle und Professoren mehr. Dann würde sicher weniger in Holz gebaut werden“.

Bionisches Entwerfen

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Mustergütige Holzbauhalle beim "HolzBauWerk" nahe Müllerblausteins Betriebsgelände © Müllerblaustein

Das eingangs erwähnte Clusterprojekt mit dem Roboter wird bald umgesetzt. Die Entwicklung geschieht in Zusammenarbeit mit der Universität Stuttgart, welche eine Methode zum bionischen (naturinspirierten) Entwurf von Freiformen entwickelte, die Statik und Maximalgröße der Rohplatten berücksichtigt. Computerunterstützt werden diese Planungsdaten direkt an einen siebenachsigen Industrieroboter mit Fingerfräse übermittelt. Der fertigt aus Multiplexlatten dann die Einzelteile eines Pavillons, der auf der Landesgartenschau in Schwäbisch Gmünd 2014 errichtet werden soll.
Diese „komplett neue Leichtbauweise“ (Müller) soll spezifisch für Buchen-Furnierschichtholz weiterentwickelt werden. ForstBW, die auch Projektpartner sind, erhoffen sich damit einen alternativen Verwendungszweck der Buche. Der Holzkurier wird dieses Projekt verfolgen.

Das Wachstumsziel

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Mit 42?m Spannweite ist diese Verbindung über die Donau bei Sigmaringen Deutschlands größte Holz-Schwerlastbrücke - sie stammt von Müllerblaustein © Müllerblaustein

Langfristig glaubt Müller, dass im Holzbau wenige Große und viele sehr Kleine überleben werden werden, die sich gegenseitig helfen und ergänzen werden. Seine Marschrichtung ist eindeutig die Größe. „Unser Betrieb ist grundsätzlich auf Wachstum ausgerichtet.“ Technisch erwartet Müller Entwicklungen bei der Verbindungstechnik: „Eingeleimte Gewindestangen, Vollgewindeschrauben und geklebte Schubverbinder – da ist Luft nach oben.“ Potenzial sieht er bei Furnierschichtholz und Holzfaserdämmung (s. Box). An die Zulieferer formuliert Müller den Wunsch nach Preiskonstanz: „Das Holz soll nicht teurer, muss aber auch nicht billiger werden. Bitte, bloß keine großen Schwankungen, denn das macht gute Planung unmöglich.“

Im Wortlaut …

Bauholz: „Museumsreif, nur mehr bei landwirtschaftlichen und untergeordneten Bauten.“
BSH: „Einfach zu verarbeiten, bestens verfügbar und das Preis-Leistungs-Verhältnis passt auch.“
BSP: „Intelligenter Baustoff. Sinnvoll bei tragenden Innenwänden – nicht in dämmender Außenhülle, nicht bei klassischen Decken und Dächern“.
Buchen-Furnierschichtholz: „Hochwertige Optik. Potential für extrem schlanke Querschnitte bei große Spannweiten. Könnte mehr Architekten für Holzbau begeistern.“
Furnierschichtholz: „Wurde günstiger und hat heute viele Anwendungen. Schlanker Querschnitt gefällt Architekten. Ermöglicht geringe Deckenhöhen.“
Holzfaserdämmung: „Dämmstoff der Zukunft. Könnte Mineralfaser verdrängen, wenn sie günstiger wäre und die viel besssere Dämmwirkung anerkannt wird.“
KVH: „Für Holzrahmenbau absolut geeignet und wirtschaftlich.“
Statements von Reinhold Müller