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Nicolaus Graf von Hatzfeldt-Wildenburg (li.), Betriebsleiter Dr. Franz Straubinger und Pepper im Hof des Familienschlosses Schönstein © Hatzfeldt-Wildenburg"sche Verwaltung

Nach Wiebke war alles anders

Ein Artikel von Hannes Plackner | 01.12.2015 - 07:47
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Nicolaus Graf von Hatzfeldt-Wildenburg (li.), Betriebsleiter Dr. Franz Straubinger und Pepper im Hof des Familienschlosses Schönstein © Hatzfeldt-Wildenburg"sche Verwaltung

Die letzten Tage des Februar 1990 änderten alles. Das Sturmtief Wiebke zerstörte Wälder in halb Europa. Inmitten seiner Schneise lag der Hatzfeldt-Wildenburg‘sche Besitz. Der Schaden war enorm. Deutschlandweit fielen 60 bis 70 Mio. fm Sturmholz an. Die Forstschadensbilanz des rheinland-pfälzischen Familienbesitzes zeigte am Ende des Jahres 240.000 fm Sturmholz. Es war ein Desaster.
Die Wiederherstellung von Infrastruktur und Neuanpflanzung kostete so viel, dass vom Holzverkauf kaum Geld blieb. Ohne Deckungsbeitrag und mit empfindlich geschädigtem Forst wurde ein Entschluss gefasst. „So kann es nicht weitergehen“, entschied der heute 74 Jahre alte Eigentümer, Hermann Graf von Hatzfeldt-Wildenburg. Ein zweiter Sturm solchen Ausmaßes hätte den Betrieb in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht.
Es folgte ein Totalumbau. Wo einst Monokulturen waren, kam Mischwald. Die Wilddichte wurde massiv reduziert – sehr zum Missfallen der damaligen Pächter und des jagdlichen Umfeldes. Personelle Veränderungen im Forstbereich wurden ebenfalls getätigt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Binnen anderthalb Jahrzehnten – für Forstleute nur ein Augenblick – wurden die Bestände so stabil, dass Sturm Kyrill wesentlich geringere Schäden verursachte. Aufgeforstet wird heute kaum mehr. Die Naturverjüngung sorgt für einen gesunden Mix. Und weil der Forstbetrieb auch die Bedürfnisse der Sägewerke versteht, bleibt der Nadelholzanteil hoch. Fichte wird immer mehr um Lärche, Tanne oder Douglasie ergänzt. Die konsequente Naturnähe und den gelebten Grundsatz „Wald vor Wild“ würdigt die Redaktion mit der Auszeichnung zum „Forstbetrieb des Jahres 2016“.

Weg von Monokultur

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Dieser beispielhafte Dauerwald im Revier Katzwinkel (Rheinland-Pfalz) mit Hart- und Buntlaubhölzern sowie vereinzelten Nadelbäumen ist mehrstufig aufgebaut. Eingeschlagen werden Einzelstämme. Das macht den Bestand widerstandsfähig gegenüber dem Klimawandel und Sturmereignissen © Hatzfeldt-Wildenburg"sche Verwaltung

Beim gräflichen Eigentümer ist mittlerweile die nächste Generation in der Verantwortung. Nicolaus Graf von Hatzfeldt-Wildenburg empfängt uns im mittelalterlichen Schloss Schönstein (ein sehr treffender Name). Ihm zur Seite steht auch Dr. Franz Straubinger. Dessen Aufgabe ist der kontinuierliche Umbau der von Monokulturen geprägten Bestände. Im Stammbetrieb Schönstein wurde im 19. Jahrhundert mit preußischer Begeisterung die Fichte propagiert – mit den eingangs erwähnten Folgen.
Das Brandenburger Revier Massow wird dagegen von Kiefer dominiert – und zwar zu 96 %. Hauptaufgabe ist dort die Begründung von Mischbeständen. Straubinger setzt dabei auf Wiederaufforstung und Beimischung von Naturverjüngung sowie den Voranbau von Eiche, Douglasie, Lärche, Birke und Tanne. Als Leitbild gilt der Dauerwald. Darunter versteht der Forstmann: „Intensiv gemischte, horizontal und vertikal strukturierte, ungleichaltrige und zuwachskräftige Wälder mit hoher ökologischer und wirtschaftlicher Stabilität, in denen dauernd Holz genutzt, dauernd gepflegt, dauernd gejagt und dauernd Geld verdient wird.“

Ende jahrhundertealter Prioritäten

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Auf Walderzeugnissen in den Wald: Die Schwerlastbrücke in Stöcken besteht aus Eichen- und Douglasienholz aus eigener Produktion © Hatzfeldt-Wildenburg"sche Verwaltung

Das klingt logisch, war aber ein Paradigmenwechsel. Über Jahrhunderte diente der Wald in erster Linie als Jagdrevier und reiner Holzproduzent. Graf Hermann dachte um. Unter ihm wurde der Wildbestand so reguliert, dass keine Zäune mehr nötig waren.
In den Jahren nach Wiebke wurden nicht nur Kahlflächen in Mischwald umgebaut, sondern auch die Jagdstrecke wurde vervielfacht. Der Rehwildabschuss stieg von 6,3 Stück pro 100 ha (1989/90) auf 19,8 (1993/94). Mittlerweile hat er sich über mehrere Jahre bei 15 Stück/100 ha eingependelt. Das Ergebnis freut Straubinger: „Die wildbedingten Forstschutzkosten sind stabil bei null Euro.“ Mit der konservativen Jägerschaft geht er kritisch ins Gericht. „Viele Jäger glauben, dass das, was sie 20 und 30 Jahre falsch gemacht haben, Erfahrung sei!“

Offensiv für Waldnutzung werben

Während der Wald erfolgreich umgebaut wird, macht Graf Nicolaus eine andere Entwicklung Sorgen: „Politisch passiert viel, was wir als bedenklich sehen.“ Er spricht damit Forderungen nach Außernutzungstellung an. Um die Einstellung „Schützen durch Nutzen“ in den Köpfen zu verankern, führt der Betrieb zahlreiche gut vorbereitete Exkursionen in die naturnahen Wälder durch. Graf Hermann war bis 2007 sogar Vorstand von FSC Deutschland. Die Nachhaltigkeit ist geblieben – die Begeisterung für das Zertifikat gedämpfter. Man trägt zwar weiterhin PEFC- und FSC-Siegel, aber: „Mehrerlöse lassen sich damit nicht generieren“, sagt Straubinger resigniert. Der findige Geschäftsführer hat sich aber ohnehin etwas anderes einfallen lassen. Der Waldfriedhof „RuheForst“, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie der größte Campingplatz im Westerwald bringen Zusatzeinnahmen. Der Fokus liegt aber weiterhin am Holzverkauf. Mit stabilen Wäldern wird das noch lange so bleiben.

Hatzfeldt-Wildenburg‘sche Forstreviere

Revier Crottdorf/Schönstein: 7620 ha, davon 7430 ha Wald. 150 bis 480 m Seehöhe, 1100–1400 mm/J Niederschlag, Hauptbaumarten: Fichte (55 %), Eiche (22 %), Buche (8 %), Lärche (3 %)

Revier Massow: 6710 ha. 35 bis 95 m Seehöhe, 520 mm/J Niederschlag. Hauptbaumart: Kiefer (96 %)

Revier Beichlingen: 610 ha, davon 596 ha Wald. 260 bis 300 m Seehöhe, 450 bis 550 mm/J Niederschlag, Hauptbaumarten: Buche (42 %) Fichte (13 %), Eiche (11 %), Esche (9 %), Bergahorn (9 %)

Im Besitz seit 1589

Die Hatzfeldt-Wildenburgischen und ihr Wald
Das Adelsgeschlecht bewirtschaftet die Flächen in Rheinland-Pfalz seit dem 14. Jahrhundert. 1589 kamen die Forste rund um Schloss Schönstein in Familienbesitz. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war deren Eiche als Grubenholz gefragt. Schon um 1750 wurde die Fichte erprobt, bis sie 80 % der Fläche besetzte. Dann kam Wiebke und richtete unter den verwundbaren Flachwurzlern ein Desaster an. In Hatzfeldt-Wildenburg‘schen Rheinland-Pfälzer Wäldern fielen 240.000 fm Schadholz an. Damit begann der Umbau in dauerhafte Mischwälder.
2001 erwarb die Familie ein 6700 ha großes Revier in Brandenburg von der Bodenverwaltungs- und -verwertungsgesellschaft. Dazu kommen 610 ha in Thüringen (Revier Beichlingen).