Noch immer sieht mancher Holzhändler die Onlinewelt als Konkurrenz an. Dabei sei es gar nicht so schwer, digital mitzumischen, findet Michel Kahrs. Der gelernte Holzgroßhändler wurde in der Branche mit seinem Onlineshop holzhandel-deutschland.de bekannt und bekam für seinen außergewöhnlichen Werdegang im vergangenen Jahr den Woody Award des GD Holz verliehen. Das Besondere daran: Die Onlineversion kam zuerst – ohne einen stationären Handel im Hintergrund. Von der Idee zur Unternehmensgründung vergingen gerade einmal zwei Wochen und der jahrelange Frust über konservative Denkweisen lag hinter ihm.
Erfolgsrezept durch Verfeinerung
Kahrs startete in seiner Zweizimmerwohnung mit dem Einkauf kommissionierter Terrassendielenware, die von Subunternehmern zusammengestellt und transportiert wurde. Bestellungen gingen aus ganz Deutschland ein. „Terrassendielen sind ein Produkt, bei dem Beratung und Auswahl zählen“, findet Kahrs. „Die Kunst ist, den Kunden mit einer schlüssigen Darstellung der Informationen zu überzeugen, online zu bestellen.“ Kein eigenes Zentrallager zu haben, erwies sich als Vor- und Nachteil. Die beauftragten Spediteure verfügten über ausreichend Platz, um umfangreiche Ladungen unterzubringen. Dadurch war es Kahrs möglich, mengenbedingte Preisvorteile auszuschöpfen. Es mussten außerdem keine eigenen Lagerräume gebaut oder gemietet werden. Die Nachteile erwiesen sich mit der Zeit aber als zu mächtig. Der Reklamationsanteil war zu hoch, da sich niemand die Ware vor Auslieferung an den Kunden mit geschultem Auge ansah. Ein eigenes Lager auf dem Louis-Krages-Gelände in Bremen kam hinzu. „Früher bezogen wir kleine Mengen fertiger Dielen. Heute importieren wir ganze Ladungen an Rauware und sortieren selbst, bevor wir hobeln lassen. So erfolgt ein größerer Teil der Wertschöpfung bei uns und wir sind beliebte Käufer, die ebenfalls große Mengen abnehmen – und dem Lieferanten Arbeit“, erklärt der Umdenker. Durch die Aufarbeitung frischer oder unbeliebter Waren, wie Kurzmaßen, rentiert sich das Geschäft noch mehr. „Neben dem Terrassendielenverkauf an Endkunden treten unsere Importtätigkeit und Großhandelssparte immer weiter in den Vordergrund. Bauholz gehört ebenfalls fest ins Sortiment und gelangt über den Einkauf durch heimische Handwerker, die Aufträge in Nachbarländern annehmen, auch schon einmal über Deutschlands Grenzen hinaus. Die Lieferung erfolgt innerhalb einer Woche inklusive der Entladung am Einsatzort. Dreh- und Angelpunkt ist die Unternehmenswebseite. Hier können Profikunden auf geschützte Informationen und Preise zurückgreifen.Vom Holzhändler zum IT-Anbieter
Das junge Team von Webcustoms IT Solutions kümmert sich in einem modernen Großraumbüro um die Anliegen seiner Kunden © Dinah Urban
Nachdem der eigene Onlineshop funktionierte und Kahrs den Bedarf innerhalb der Branche erkannte, gliederte man die E-Commerce-Abteilung als eigenes Unternehmen aus. So wurde 2014 Webcustoms IT Solutions in Bremen gegründet. „Wir beraten unsere Kunden außerdem bei der Entwicklung einer Onlinemarketingstrategie und übernehmen die Webseitenoptimierung für Suchmaschinen“, führt Julia Niemeyer aus. „Unser Service umfasst auch das Content Marketing.“ Unter dem Titel „Holzwelten“ erstellt das Team beispielsweise gerade unzählige Beiträge, die Produkte oder deren Anwendung näher erklären und dem Onlinebesucher einen Mehrwert liefern. Die Mitarbeiter im Unternehmen bringen Erfahrung aus dem Holzhandel mit Wissen um Marketing und Programmierung zusammen. „Die Beratung ist unsere Haupttätigkeit“, führt Niemeyer aus. Wir machen unsere Kunden mit den Möglichkeiten des Internets vertraut und weisen sie gleichzeitig darauf hin, dass ein Webshop auch gepflegt werden will und man nicht von selbst ganz oben in der Suchergebnisliste auftaucht.“