Gropyus_Roboterzelle.jpg

Zwei solcher Roboter-Montagezellen hat Gropyus in Richen installiert: In einer 50 mal 300 m-Halle sollen mittelfristig an die 100 Roboter vollautomatisch 1 Mio. m2 Bruttogeschossfläche herstellen © Gerd Ebner

Gropyus

100 Roboter fertigen 1000 Wohnungen im Monat

Ein Artikel von Gerd Ebner | 26.05.2021 - 08:28

Seit eineinhalb Jahren ist der Standort im Besitz von Gropyus und einer von inzwischen sechs Standorten der Gruppe. Das Unternehmen nimmt für sich in Anspruch, „Bauen ganz neu zu denken“. Schon beim Kauf hob man die zentrale Lage Richens, die Größe der Hallen sowie die Holzkenntnisse der Mitarbeiter als Kaufargumente hervor. All das wird man brauchen, wenn Folgendes umgesetzt werden soll: die Herstellung von Bauelementen für 1 Mio. m2 Bruttogeschoßfläche pro Jahr.

In Koblenz errichtet Gropyus bereits ein 5000 m2-Gebäude mit neun Stockwerken. Hinzu kommen am Betriebsgelände in Richen eine Musterwohnung („Mock-up“) und ein zweigeschoßiges Versuchsgebäude. Diese drei Bauten sollen Investoren, zuliefernden Partnern und Immobilienentwicklern verdeutlichen, was man kann und vorhat. „Sie sollen unseren Fokus auf leistbares, hochwertiges Wohnen veranschaulichen“, verweist Markus Fuhrmann, Start-up-Unternehmer und Gropyus-CEO.

Das Mock-up zeigt die erreichbare Bauqualität und etwa die Integration der Nasszelle. Der Zweigeschoßer wiederum wurde schon drei bis vier Mal aufgebaut und wieder zerlegt, ist Fuhrmann stolz auf die Flexibilität des eigenen Bausystems: „Unsere Gebäude sind am Ende ihrer Lebenszeit wieder zerlegbar. Die Bauelemente lassen sich jederzeit ändern oder tauschen. Die Qualität und das Wohngefühl sind führend.“

Partner willkommen

Der Autor musste seine Gropyus-Einschätzung ändern: Bisher schien es so, als wolle man alles selbst machen – vom Finden der Immobilie über den Bau ausschließlich mit eigenen Elementen bis zum Vertragsabschluss mit Mietern. Das hört sich jetzt von Fuhrmann gänzlich anders an: „Wir setzen auf Partner. Sowohl bei der Immobilienentwicklung als auch beim Einsatz der Baumaterialien, den Aufbau und Betrieb des Immobilienportfolios. Ich kann mir auch vorstellen, Lizenzen zum Einsatz unseres Bau-, Produktions- und IT-Systems zu vergeben.“

„Unser Kerngeschäft werden Immobilienprojekte zwischen 10.000 und 30.000 m2 sein. Die errichteten Objekte werden wir sowohl vermieten als auch teilweise oder komplett verkaufen. Außerdem liefern wir die Software zur Steuerung der Wohnfunktionen und des Gebäudebetriebs“, klärt Fuhrmann auf.

Schon jetzt hat man die Genehmigung, im DACH-Raum Mehrgeschoßer bis 13 m Höhe zu bauen. Fuhrmann: „In Deutschland liegt unser Fokus auf der Gebäudeklasse 4, wobei Gebäudeklasse 5 bald folgen wird.“

76 % Automatisierung schon zum Start

Am imposantesten in Richen sind sicherlich die beiden Fertigungszellen mit jeweils vier Robotern. Fuhrmann: „Schon in dieser ersten Version der Roboterzellen haben wir einen Automatisierungsgrad von bis zu 76 %.“ Die Bauausführung der beiden vorhandenen Roboterzellen ist flott und exakt.

Beim Holzkurier-Besuch wurde Holzrahmenbau gezeigt – gedämmt wahlweise mit Steinwolle oder eingeblasenen Holzfasern. Gipskarton- und OSB-Platten sorgen für die Beplankung. „Es können aber auch alle anderen stab- und plattenförmigen Materialien eingesetzt werden. Damit sind wir in der Lage, das Bausystem laufend weiter zu optimieren“, ergänzt Fuhrmann.

Von Gropyus selbst stammen die intelligentesten Teile der Roboter: die Steuerung und die Roboterköpfe. „Mit der Hardware aus der Gropyus Engineering in Steinhaus bei Wels und der Software aus der Gropyus Technologies in Berlin kann die Gruppe auf breite Kompetenzen zugreifen, die eine Fabrik auf diesem Niveau benötigt“, so Thomas Meibert, Leiter der Smart Factory. Er hat unter anderem Automotiverfahrung und beschreibt die Entwicklung der Roboterzellen so: „Die größte Herausforderung ist der Umgang mit Holz. Was nicht 100 % gerade ist, richten die Roboter – wir haben dafür extra die Köpfe verstärkt.“

100 % Automatisierungsgrad im Fokus

Ende September, nach der Demontage der BSH-Anlagen, werden die bestehenden Hallen auf 50 m verbreitert. Dann werden sukzessive weitere Roboterzellen hinzukommen – bis im Endausbau auf einer Fläche von 50 mal 300 m gefertigt wird.

Modular und im Fließbandprinzip werden die Elemente hergestellt. „Mit jeder weiteren Zelle können wir die Herstellung entzerren und die Abläufe weiter optimieren“, erklärt Meibert. An ihm liegt es, die Prozesse zu optimieren und parallel die Produktionsanlage modular zu erweitern. Je nach Bedarf wird die Fertigung hochgefahren und der Automatisierungsgrad verbessert. Auf die Frage, ob „der Endausbau Richens in zehn Jahren erreicht sein wird“, antwortet Fuhrmann: „Deutlich früher.“

24 Stunden, 100 Roboter, 300 m Länge

4 bis 5 Minuten werden je Arbeitsschritt veranschlagt. Das würde bedeuten, dass die Elemente nur rund 1,5 h für die 300 m lange Produktionslinie benötigen. Gelegt, genagelt und gedämmt wird 24 h am Tag von bis zu 100 Robotern. Die menschlichen Mitarbeiter in Richen sorgen im Vollbetrieb nur noch für die innerbetriebliche Logistik und die Kontrolle.

Zusätzlich zur Produktionshalle kommt eine Distributionshalle in der Größe von 1,5 Fußballfeldern. Hier wird noch die Fassade appliziert und die Fenster werden eingebaut. Der Halleninhalt soll im Vollbetrieb in 1,5 Tagen ein Mal umgeschlagen werden.

Bis zu 1000 Wohnungen pro Monat

„1 Mio. m2 Bruttogeschoßfläche“ pro Jahr muss man sich erst vorstellen. Das sind rund 780.000 m2 Wohnraum, was für 12.000 Wohnungen reicht. Das wiederum sind unglaubliche 1000 Wohnungen im Monat. Damit wäre Gropyus Production Richen wohl nicht nur die modernste, sondern auch die mit Abstand größte Gebäudekomponenten-Produktion Europas.

Ständiges lernen

Demnächst soll ein 10.000 m2-Gebäude errichtet werden. Das wäre dann die Version 2.0. Denn: „Wir wollen von jedem fertigen Gebäude lernen“, so Fuhrmann. „Jede neue Variante soll tunlichst kostengünstiger und nachhaltiger werden.“

Eine „Wohnungs-App“ wurde parallel entwickelt. Künftig könnte man diese interessierten Partnern (= Lizenznehmern) ebenso anbieten wie die Produktionstechnik.

Lange BSH, jetzt Bauelemente

Gropyus_Gropyus.jpg

Bewegte Vergangenheit: Gegründet von Losberger, 1996 übernahm dann Heggenstaller AG den Standort; 2003 folgte Kaufmann Holz AG; Umfirmierung auf Holzindustrie Stallinger 2008 dann Mayr-Melnhof Holz Richen GmbH, jetzt Gropyus Productions Richen © Gerd Ebner

Den Standort Richen erwarb Gropyus Ende 2019 von Mayr-Melnhof Holz. Seither wurde weiterhin BSH produziert – für den Eigenverbrauch von Gropyus und für Mayr-Melnhof Holz. Das Schnittholz kam überwiegend aus Leoben und Paskov/CZ. Ende April stellte man die BSH-Herstellung ein. Ab sofort wird dort die Bauelementefertigung aufgebaut. 

Der Standort Richen selbst hatte schon viele Besitzer. Gegründet wurde die BSH-Produktion von Losberger. 1996 übernahm die Heggenstaller AG den Standort. 2003 folgte die Kaufmann Holz AG. Als die Holzindustrie Stallinger kurz darauf die Kaufmann-Gruppe erwarb, erfolgte erneut eine Neufirmierung. Ebenso, als 2008 Mayr-Melnhof Holz die Stallinger-Gruppe kaufte. 

Seit damals firmierte man bis zum Gropyus-Deal als Mayr-Melnhof Holz Richen GmbH.

Gropyus AG

Zentrale: Wien

Mitarbeiter: 230 (Mai 2021)

Weitere Standorte: Richen (Gebäudekomponenten), Steinhaus bei Wels (Fertigungslinien), Berlin (Softwareentwicklung), Dornbirn (Gebäudeautomatisierung),  Vaduz (Immobilienentwicklung)

Zweck: Schaffung von hochwertigem, ressourcenschonendem, leistbarem Wohnraum

System: vorgefertigter, voll integrierter Holz-Systembau durch Digitalisierung, Automatisierung und Vorfertigung