Hintergrund und Ausgangspunkt aktueller Untersuchungen der Holzforschung Austria (HFA) im Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Verklebte Plug-in-Fenstermontage“ war die sehr eingeschränkte Datenlage bezüglich der temperaturbedingten Längenausdehnung und Durchbiegung von Fensterprofilen im baupraktischen Einsatz. Die verfügbaren Literaturwerte lassen eine zu große Längenausdehnung, insbesondere von modernen PVC-Profilen, vermuten.
Beispielsweise ist der lineare Längenausdehnungskoeffizient α, der den anerkannten Stand des Wissens am besten repräsentiert beziehungsweise einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist, ein materialspezifischer Längenausdehnungskoeffizient, welcher für die Berechnung von Längenänderungen bei isotropen Festkörpern verwendet werden kann. Ermittelt wird der Längenausdehnungskoeffizient mithilfe von Experimenten, wobei je nach Material meist ein Rundstab beziehungsweise Vollprofil in einer Kammer mit Wärme beaufschlagt und die Längenänderung mithilfe eines außerhalb der Versuchseinrichtung liegenden Messsystems ermittelt wird. Der lineare Längenausdehnungskoeffizient α ist aber für Fensterprofile aus mehreren Gründen nicht anwendbar, da weder das in der Praxis vorherrschende Differenzklima zwischen innen und außen noch die Befestigung und die Profilgeometrie des Fensterprofils berücksichtigt werden.
Weitere Kennwerte für die Praxis hinsichtlich der Längenänderung von Fenstermaterialien finden sich im „Leitfaden zur Planung und Ausführung der Montage von Fenstern und Haustüren“ (RAL). Der dort angeführte Kennwert wurde (soweit bekannt 1977) experimentell ermittelt. In der Tabelle links ist die in der RAL angeführte temperaturbedingte Längenänderung ε wiedergegeben.
In der Praxis werden im Fensterbau die Werte aus dem RAL-Leitfaden verwendet, auch wenn tendenziell niedrigere Verformungen vermutet wurden. Da die Kennwerte schon sehr alt sind und sich die Materialien und Konstruktionen doch deutlich von damals unterscheiden, sollten die Verformungen an zeitgemäßen Fensterprofilen ermittelt und mit der Literatur verglichen werden.
Ergebnis aktueller Untersuchungen
Im Rahmen der Untersuchung wurden viele Erkenntnisse gewonnen, sowohl für einzelne Profilarten und Geometrien als auch Befestigungsarten und Beanspruchungen. Für die Praxis relevant sind aber wohl „nur“ eine umlaufende Befestigung gemäß Önorm oder RAL und eine Beanspruchung im Differenzklima. Allein durch die Tatsache, dass das Fensterprofil alle 70 cm am Baukörper befestigt ist und eine wesentliche Temperaturbelastung nur außen erfolgt, reduziert sich die Längenänderung infolge einer Wärmebelastung dramatisch. Auch gegenüber der im RAL-Leitfaden zur Montage angegebenen temperaturbedingten Längenänderung ε wurden teilweise deutlich reduzierte Werte ermittelt. Vereinzelt wurden für PVC-Profile nur 25 % der Werte aus dem RAL-Leitfaden ermittelt. Bei umlaufender Befestigung ist zudem die Durchbiegung von Fensterprofilen weitgehend zu vernachlässigen. Sowohl Vergleichsuntersuchungen an Fenstern als auch Aussagen von Stakeholdern der Branche bestätigen die ermittelten Tendenzen.
Diese ersten Forschungsergebnisse zeigen, dass die temperaturbedingte Längenänderung zeitgemäßer Fensterprofile wohl überschätzt wird. Um jedoch neue Kennwerte zu definieren, sind weitere Serienuntersuchungen an unterschiedlichen Profilarten und -geometrien notwendig. Abschließend muss aber auch festgehalten werden – und das zeigen auch immer wieder Schadensfälle –, dass die temperaturbedingte Längenänderung insbesondere bei großen Fensterelementen oder Fensterbändern nicht gänzlich vernachlässigt werden darf.