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Bewegte Zeiten in der Holzpackmittelbranche

Ein Artikel von Marcus Kirschner, Geschäftsführer, Bundesverband Holzpackmittel, Paletten, Exportverpackung (HPE), Bad Honnef/DE | 20.09.2022 - 14:21
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Marcus Kirschner, Geschäftsführer, Bundesverband Holzpackmittel, Paletten, Exportverpackung (HPE), Bad Honnef/DE © Fotografie Danetzki

Geräuschlos wurden über Dekaden Güter auf und in Holzpackmittel(n) durch Deutschland, Europa und auf der ganzen Welt von A nach B bewegt. Es musste erst ein Klopapiermangel kommen, durch den leere Paletten plötzlich ins Auge sprangen. Durch die Intensivierung des Glasfaserausbaus waren plötzlich überall Kabeltrommeln zu sehen. Große, überbreite Exportkisten aus Holz, OSB und Sperrholz bremsten so manche auf der Autobahn aus.

Dann explodierten Schnittholzpreise

Über Exporte in die USA diskutierten auch Fachfremde. Holz holte innerhalb von sechs Monaten eine Preisentwicklung nach, für die andere Rohstoffe 30 Jahre gebraucht haben. Trotzdem wurden 2021 in Deutschland mit rund 120 Mio. Stück so viele Paletten produziert wie nie zuvor. Selbst das reichte nicht aus, denn die Nachfrage nach diesen leicht beweglichen Ladungsträgern konnte nur durch den Import von weiteren 39 Mio. Paletten gedeckt werden. Gründe dafür gab es viele. Beispielsweise trieben Befürchtungen weiterer Kostensteigerungen im Schnittholzbereich zu anteiligen Hamsterkäufen. Oder es konnte durch fehlende Ersatzteile eine große Zahl von Gütern nicht fertiggestellt und musste zwischengelagert werden.

Nägel als Mangelware

Kaum hatte sich diese Entwicklung etwas beruhigt, bahnte sich das nächste Ungemach seinen Weg. Durch den verabscheuungswürdigen Angriffskrieg Russlands wurde auch die Holzpackmittelbranche mit einer Tatsache konfrontiert, über die sich die wenigsten bisher Gedanken gemacht hatten: Wo kommt der Stahl für die Nägel eigentlich her? Nägel konnte man doch immer einfach kaufen. Wie schon in vielen anderen Branchen zuvor zeigte sich, dass insbesondere die für die Palettenbranche benötigten losen Stahlnägel aus Stahlqualitäten hergestellt wurden, deren Produktion aus Kostengründen seit den 1970er-Jahren immer weiter gen Osten gewandert ist. Man war damit in bester Gesellschaft. Eine Blitzumfrage des Bundesverbands Holzpackmittel, Paletten, Exportverpackung (HPE) zeigte Bedrohliches: Es droht der großflächige Stillstand der Palettenproduktion, weil Nägel und deren Vorprodukte fehlen.

Sogleich versuchte der Verband, weltweit neue Quellen zu finden. Es wurden mal mehr, mal weniger erfolgreiche Versuche mit anderen Stahlsorten für die Nagelproduktion unternommen. Mal waren die Coils für die Nagelherstellungsmaschinen falsch gewickelt, mal war der Stahl zu spröde und der Draht riss ständig ab oder er war zu zäh und konnte nicht richtig in das Holz eingetrieben werden. Die Unternehmen unterstützten sich gegenseitig mit Altbeständen, die der eine nicht mehr brauchte, den anderen aber über den Tag retteten. Nagelhändlern und -produzenten wurde alles förmlich aus der Hand gerissen – selbst Teilmengen wurden persönlich abgeholt. Irgendwie hat es die Branche letztlich geschafft, dass es nicht zu größeren Ausfällen gekommen ist und die Kunden beliefert wurden. Letztere gingen auch mit, wenn nur Teillieferungen möglich waren und sich etwas verschieben lassen konnte. Eine gemeinsame Kraftanstrengung, bei der die Branche auch mit konkreten Vorschlägen um Unterstützung der Politik bat, sich am Ende aber selbst helfen musste.

Wie sich die weiteren Sanktionen wegen des Ukrainekrieges in Bezug auf die Beschaffung von Holz und Importpaletten auf Polen, das Baltikum und auf Deutschland auswirken werden, wird sich konkreter erst Anfang des kommenden Jahres sagen lassen.

Teure Energie

Im Verpackungsbereich werden gerade sehr viel Aufträge abgearbeitet, da sich der Containerstau langsam auflöst und viele bisher fehlende Komponenten des Maschinen- und Anlagenbaus in die bis dato unfertigen Produkte eingebaut werden können. Akut drücken die Energiepreise massiv auf die von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägte Holzpackmittelbranche. Zahlreiche Betriebe können keine neuen Energieverträge für Strom und Gas mehr abschließen, selbst Vertragsangebote bleiben aus. Dies zwingt die Unternehmen zum Stromeinkauf am Spotmarkt. Dort ist die Schallmauer von 1 €/kWh längst durchbrochen. Hochenergieeffiziente Blockheizkraftwerke könnten angesichts der Gaspreise nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden. Bei aktuell steigender Tendenz führe dies zu unkalkulierbaren Risiken – und das nicht nur für die Holzpackmittelbranche.

Die größte Bedrohung sehen die HPE-Unternehmen in den Produktionsdrosselungen und möglichen Produktionsstopps der Kundenbranchen. Gerade die energieintensiven Betriebe aus Chemie, Stahlfertigung, Glasherstellung sind bedroht. Deren Ausfall könnte zu Kettenreaktionen führen. Hier ist die alles bestimmende Frage, ob das Händchen der derzeitigen Regierung glücklicher und zielgerichteter agieren wird als bisher.

Ungewissheit ist jedenfalls sehr groß

Und die Zukunft? Sie wird im Wesentlichen von drei Faktoren beeinflusst:

  • von der europäischen und nationalen Wald(nutzungs)gesetzgebung, 
  • von der Dynamik des weltweit steigenden Holzbedarfs und 
  • vom brancheninternen Konkurrenzdruck durch Energie, Bau und biobasierte Werkstoffe auf Ligninbasis. 

Derzeit scheint es für eine zunehmende Anzahl an Marktakteuren lukrativer zu sein, Pellets oder Holzbriketts direkt aus Frischholz (nicht mehr nur Durchforstungsholz und dünnen Durchmessern) und damit auch aus der überwiegend im Holzpackmittelbereich eingesetzten Seitenware herzustellen, statt erst am Ende der Nutzungskaskaden in die thermische Verwertung zu gehen. Die zunehmende Wertschöpfungstiefe im Sägewerksbereich für BSH und BSP geht ebenfalls zulasten der Seitenware. Sollte der Stilllegung und Außernutzungstellung weiter Vorschub geleistet oder gar eine Priorisierung eingeräumt werden, werden voraussichtlich sehr viele Menschen aus allen Wirtschaftszweigen neben der Jobsuche Zeit haben, durch den Wald zu spazieren, sofern er nicht von Kalamitäten, Trockenstress, Bränden oder verantwortungslosem Garnichtstun dahingerafft wurde. Allerdings könnte dann ein Schutzhelm der wichtigste Begleiter werden, da mangels Einnahmen durch Holzverkauf keine Mittel mehr zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht zur Verfügung stehen.

Die größten Chancen bestehen jedoch darin, dass die Kundenbranchen durch die Nachhaltigkeitsberichterstattungs-Pflichten, steigendes ökologisches Bewusstsein und die Möglichkeiten der Kaskadennutzung zunehmend die Vorteile der CO2-speichernden und wiederverwend- und -verwertbaren Holzpackmittel erkennen. Wichtig ist auch, dass die Politik nicht nur auf kurzfristige, sondern langfristige Klimavorteile schaut und der Holznutzung die Priorität einräumt. Es muss allen die Relevanz von Holzpackmitteln und Paletten als Teile des kritischen Infrastruktur (KRITIS)-Sektors Transport und Logistik bewusst werden. Eine Gewissheit bleibt jedoch: Wir nehmen heute vieles als selbstverständlich hin, ohne zu hinterfragen, welche Prozesse dafür reibungslos funktionieren müssen. So unscheinbar die Palette und die anderen Holzpackmittel für viele auch sein mögen – sie sind maßgeblich für die Grundversorgung, weltweite Warenströme und den Erfolg der deutschen Wirtschaft – damit auch für unseren Wohlstand und Komfort.