WULF PALETTEN

Wenn Sägen zur „Nebensache“ wird

Ein Artikel von Raphael Kerschbaumer | 13.09.2024 - 09:55

Das Rheinland-Pfälzer Familienunternehmen Wulf Paletten hat sich bereits in den 1970er-Jahren auf die Produktion von Sonderpaletten spezialisiert und in den folgenden Jahrzehnten organischen Wachstums laufend weiter am Verpackungsmarkt etabliert. Mit der Lebensmittelbranche bedient man heute vorrangig ein besonders anspruchsvolles Kundensegment, das hohen Wert auf Holzqualität und Liefertreue hält. „Die Auftragslage ist aktuell zufriedenstellend, die Kalkulierbarkeit und Berechenbarkeit des Marktes geht jedoch immer mehr verloren. Früher war die Europalette noch ein Index, an dem man sich markttechnisch orientieren konnte. Heute muss man viel kurzfristiger und flexibler auf Anfragen und Aufträge reagieren können“, berichtet Frank Theisen, der gemeinsam mit seiner Frau und Geschäftsführerin Sabine Theisen den Familienbetrieb erfolgreich führt.

Wo Sonderfertigung zum Standard wird

Der Output des Unternehmens liegt mit zwei Produktionsanlagen bei mehreren Tausend Paletten pro Schicht. Standard- und Massenprodukte wird man bei Wulf dabei keine finden. Die kleinste Palette beginnt bereits bei rund 30 mal 40 cm. „Das Palettengeschäft ist deutlich mehr als nur Bretter zuzuschneiden und anschließend wieder miteinander zu vernageln. Das verstand auch die Firma Reinhardt von Beginn an. Aus diesem Grund arbeiten wir bereits viele Jahrzehnte erfolgreich zusammen“, berichtet Sabine Theisen im HolzkurierGespräch. Die erste Zuschnittanlage der Marke Reinhardt, die seit 2014 Teil der Paul Maschinenfabrik ist, wurde bereits mit dem Einstieg der Familie Wulf in die Palettenbranche im Jahr 1976 geliefert. Zahlreiche Erweiterungen, Aus- und Umbauten im Betrieb folgten.

„Unsere langjährige Zusammenarbeit beruht nicht zuletzt darauf, dass die Anforderungen bei der Firma Wulf kein Standard sind – wir bei Paul aber auch nicht in Standardmustern denken. Denn neben unseren Maschinen zeichnet uns vor allem aus, dass wir die Anforderungen und Bedürfnisse unserer Kunden verstehen und gemeinsam mit ihnen im engen Austausch funktionierende wirtschaftliche Konzepte und Lösungen erarbeiten“, beschreibt Joaquín García, langjähriger Vertriebsmitarbeiter bei Paul, das Erfolgsrezept hinter der engen Partnerschaft der beiden Unternehmen.

Ein neuer Level an Automatisierung

Trotz etlicher erfolgreicher Projekte in den vergangenen Jahrzehnten stellt die jüngste Investition Wulfs vieles in den Schatten. In enger Kooperation mit der Paul Maschinenfabrik realisierte man an der Produktionslinie eins ein vollautomatisches Fahrerloses Transportsystem (FTS) zwischen Zuschnittanlage und Produktionsstraße. Drei autonom fahrende Stapler sorgen somit für einen reibungslosen und vor allem fehlerfreien Materialtransport innerhalb des eng getakteten Produktionsflusses.

Doch von Anfang an: Am Eingang zur Produktionshalle beginnt noch alles, wie gewohnt, an der Zuschnittanlage. Ein Vakuumheber saugt lagenweise das Material vom Schnittholzpaket an. Danach werden aus der Lage stückzahlgenau die Pakete für die Kappanlage gebildet. Diese werden dann der Säge zugeführt, wo sie je nach Auftrag entsprechend abgelängt werden. Rohmaterialhandling, Vakuumentstapelung, Paketbildner und Säge wurden bereits 2006 von Reinhardt geliefert, im Zuge der jüngsten Umbaumaßnahmen jedoch mit einer neuen Software ausgestattet, um entsprechend mit der restlichen Anlage kommunizieren zu können. Das 2022 realisierte Update um die FTS greift folglich ab dem Auslauf der Zuschnittanlage. „Hier standen früher vier Mitarbeiter pro Schicht, die mühselig alle Hölzer händisch zu Paketen stapelten und per Stapler zur Produktionslinie transportierten“, erklärt Sabine Theisen und fährt fort: „Die Vielzahl an unterschiedlichen Dimensionen barg hier nicht nur ein vergleichsweise großes Fehlerpotenzial, sondern verursachte auch immer wieder lange Suchzeiten nach den richtigen Hölzern für die entsprechenden Aufträge an der Nagelmaschine – all dies entfällt nun mit dem automatischen System von Paul.“ Anstelle eines Mitarbeiters übernimmt nach der Säge nun ein schienengeführtes Shuttle die Holzpakete und befüllt die Kommissionierregale. Diese werden folglich von den autonom fahrenden Staplern abgeholt und an einem dem Auftrag zugeordneten Stellplatz im Lagerregal zwischengepuffert oder in seltenen Fällen direkt zur Nagelstraße transportiert. Sämtliche Arbeitsgänge erledigt das FTS dabei völlig selbstständig – alles Produktionsschritte, die zuvor in mühseliger Handarbeit erfolgten.

Know-how liegt in der Ablaufsteuerung

Große Chargen in Verbindung mit konstanten Längen und Dimensionen sind bei Wulf nur die Ausnahmen: „Bei uns geht es bereits ab Losgröße eins los. Jede Palette wird individuell auf Maß nach Kundenwünschen gefertigt“, bestätigt Frank Theisen. Dementsprechend komplex wird jedoch auch die Ablaufsteuerung in der Produktion – „Darin lag auch die größte Herausforderung unseres autonomen Systems“, informiert García. Denn die Vielzahl an unterschiedlichen Aufträgen erhöht die Komplexität immens. Einzelne Order bestehen oft nur aus wenigen Palettenbrettern. Diese müssen zur richtigen Zeit und genau getaktet auf die Nagelmaschine gelangen. „Zusätzlich bearbeiten wir aus Zeit- und Kapazitätsgründen oft Aufträge parallel auf beiden Produktionsstraßen“, erklärt Frank Theisen. (Die zweite Produktionslinie wurde 2022 mit einer Slimline-Säge von Paul ebenfalls modernisiert.) Die Reihenfolge an der Nagelmaschine richtet sich wiederum nicht nach eingehenden Produktionsaufträgen oder Auslieferungszeiten. Aus Effizienzgründen richtet sich die Abfertigung der Aufträge nach der entsprechenden Holzlänge, da dies die Verstellzeiten an der Anlage deutlich verringert. „Das sind alles Details, die für das System eine große Herausforderung darstellen und in der gesamten Ablaufsteuerung beachtet werden müssen. Das beginnt beim Zuschnitt und führt über den Puffer bis an die Nagelmaschine – im Gesamtpaket eine Aufgabe, der wir uns aber erfolgreich stellen konnten. Heute wird bei Wulf mit unserem intelligenten FTS-System nichts mehr dem Zufall überlassen. Jedes Brett ist nun zur richtigen Zeit am benötigten Ort“, erklärt Garcia selbstbewusst und auch Theisen freut sich: „Ein herausforderndes Projekt, das gemeinsam mit Paul eindrucksvoll umgesetzt werden konnte. Unsere gesamte Produktionslinie arbeitet nun deutlich effizienter bei einer gleichzeitig geringeren Fehlerhäufigkeit. Zudem konnten wir die Belastung unserer Mitarbeiter wesentlich reduzieren und speziell in Zeiten einer angespannten Personalsituation, wertvolle Ressourcen gewinnen.“