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Bestwig im Sauerland/DE: Weihnachtsbaumkulturen prägen das Landschaftsbild © Pöschel

Interview

10 Jahre Kyrill: Folgen, Probleme, Potenziale

Ein Artikel von Fabian Pöschel | 09.11.2017 - 13:13

Was mir besonders positiv aufgefallen ist, ist der enorme Zusammenhalt, der durch Kyrill entstanden ist.


Edgar Rüther
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Edgar Rüther © Wald und Holz NRW

Herr Rüther, wie haben Sie als Zeitzeuge die ersten Schritte nach Kyrill erlebt? Wie beurteilen Sie im Nachhinein die Vorgehensweise, um den Aufarbeitungsprozess in Gang zu setzen?

Zunächst einmal war für mich die Gründung sogenannter Solidargemeinschaften sehr wichtig, um Ruhe in die ohnehin angespannte Situation zu bringen. Ziel war es, alle Holzmengen waldbesitzerscharf nach bestem Wissen und Gewissen zu erfassen und bestmöglich zu vermarkten. Die Holzverkaufserlöse wurden auf einem Solidarkonto gesammelt und am Ende bekam jeder Waldbesitzer, aufgeschlüsselt nach Menge und Sortiment, einen gleichen Durchschnittspreis – unabhängig vom Zeitpunkt der Aufarbeitung und Vermarktung seines Holzes.Nach der Gründung der Solidargemeinschaften war es dem Forstpersonal des Landesbetriebes möglich, deutlich strukturierter vorzugehen. Zuerst wurden die Wege freigelegt anschließend Süd- vor Nordhängen geräumt, Holz, das an der Wurzel lag, wurde zunächst belassen und gebrochene Stämme wurden zuerst aufgearbeitet. Alles in allem hat die Aufarbeitung des angefallenen Schadholzes bis weit ins Jahr 2008 gedauert.

Um die Preise der damals aktuellen Verträge zu sichern, hat NRW keinen Antrag nach dem Forstschäden-Ausgleichsgesetz im Bundesrat eingebracht, wodurch der bundesweite Holzeinschlag nicht beschränkt wurde. Dies führte dazu, dass die Verlagerung von Einschlagskapazitäten innerhalb Deutschlands nur sehr schleppend in Gang kam, was wiederum zu einem Auftreten europaweit tätiger Forstunternehmen führte, die sich auf die Sturmholzaufarbeitung spezialisiert haben.

Wie wurde vonseiten der Wald und Holz NRW auf die Thematik Wiederbewaldung eingegangen? Welche Probleme traten unter diesem Gesichtspunkt auf und wie sahen Förderungsprogramme aus?

Zeitgleich mit dem Start der Sturmholzaufarbeitung wurde unter Federführung von Wald und Holz NRW ein Arbeitsgremium aller Waldbesitzarten gegründet, das sich mit einem geeigneten Wiederbewaldungskonzept beschäftigt hat. Im Ergebnis wurde die biologische Automation betont und die Rolle der Vorwälder fokussiert. Waldbesitzer wurden angehalten, die natürlich aufkommende Vegetation zu observieren, um dann entsprechend komplementierend nachzupflanzen. Dies war auch insofern sinnvoll, als in den Jahren vor Kyrill der Fokus vor allem auf Naturverjüngung gelegt wurde und es daher einen Engpass bei Pflanzmaterial mit geeigneter Herkunft gab. Die Rolle der Samenbäume wurde hervorgehoben und als höchstes Gebot der Mischwald als Präventionsfaktor bekräftigt. Im Zuge einer positiven Motivierung der Waldbesitzer wurden Förderrichtlinien in den Bereichen Wegebau, Flächenräumung, Forstschutz und eben auch Aufforstung von Mischkulturen erarbeitet. Diese Landesförderung wurde um Förderungen vom Bund und von der Europäischen Union ergänzt. Insgesamt wurden Förderungen in einer Höhe von 65 Mio. € in Anspruch genommen. Im Bereich Wiederbewaldung wurden Laubhölzer und förderfähiges Nadelholz, wie Douglasie, Küstentanne, Weißtanne, Lärche und Schwarzkiefer, in den Mittelpunkt gestellt. Letztendlich entscheiden aber natürlich die Waldbesitzer, was auf den betreffenden Flächen geschieht. Die Auswirkungen des Orkans und der Art der Wiederbewaldung zeigen heute die Ergebnisse der jüngsten Landeswaldinventur. Betrachtet man die aktuellen Zahlen für das Forstamt Soest-Sauerland, so sieht man, dass es hinsichtlich der Baumartenverteilung gravierende Änderungen im Vergleich zur Vorinventur gibt. So ist der Anteil der Fichte von 57 % auf 46 % zurückgegangen und zeitgleich sind Baumarten, wie die Buche, und anderes Nadelholz um jeweils zwei Prozentpunkte gestiegen, das sonstige Laubholz mit niedriger Umtriebszeit (Birke, Pappel, Weide etc.) sogar um sieben Prozentpunkte gestiegen.

Wenn man durch das Sauerland fährt, sieht man sehr viele Weihnachtsbaumkulturflächen. Sind diese erst nach Kyrill entstanden? Wie sind Flächenumwidmungen in NRW rechtlich geregelt?

Im Sauerland gab es auch vor Kyrill schon viele Weihnachtsbaumkulturen, allerdings sind nach Kyrill viele Flächen dazugekommen. Es gab seinerzeit zahlreiche Angebote von Weihnachtsbaumanbauern, Flächen von Waldbesitzern für diesen Zweck zu nutzen. Als erkennbar wurde, dass Weihnachtsbaumflächen im Wald immer stärker zunahmen, hat der Gesetzgeber Ende 2013 reagiert und Weihnachtsbaumkulturen vom rechtlichen Waldbegriff ausgenommen. Für erst nach Kyrill angelegte Kulturen wurde zum Schutz der getätigten Investitionen eine Übergangsregelung gefunden. Danach müssen diese ab 2028 wieder in Hochwaldgesellschaften überführt werden – es sei denn, die Betreiber verpflichten sich in einem Vertrag zum umweltverträglichen Anbau nach den neu geschaffenen PEFC-Kriterien. Bis Ende 2018 läuft die Abgabefrist für die Zertifizierungsdokumentation der betreffenden Flächen. Insgesamt gibt es in NRW gut 5000 ha Weihnachtsbaumkulturen im Wald. Im Regionalforstamt Soest-Sauerland machen sie 540 ha aus. Bei einem durchschnittlichen jährlichen Zuwachs von 10 fm/ha/J im Regionalforstamt Soest-Sauerland ist das ein nachhaltiger Erntevolumensverlust von etwa 5400 fm/J. 

Wie wurde auf die große Menge Holz im Logistikbereich reagiert?

Natürlich war die Lagerkapazität für eine solche Katastrophe unzureichend. Es wurde jedoch relativ unbürokratisch mit politischer Hilfe eine ganze Reihe an Nasslagerplätzen realisiert. Aber auch private Investitionen spielten eine Rolle. So investierte die Klenk Holz AG beispielsweise in einen stillgelegten Verladebahnhof, um das Ladegleis wieder instand zu setzen. Heute ist der Verladebahnhof wieder stillgelegt. Da das gesamte Schadholz nicht innerhalb von NRW verkauft oder gelagert werden konnte, wurde die übrig gebliebene Restmenge des Holzes außer Landes exportiert. Ohne Zweifel gab es hier Probleme, wie man auch heute noch am Rechtsstreit mit Klausner sieht. Wie dieser letztendlich ausgehen wird, bleibt abzuwarten.

Was haben Sie rückblickend als positiv und negativ in Erinnerung und wo sehen Sie heute noch Potenziale für Verbesserungen?

Letztendlich würde ich vor allem empfehlen, Ruhe zu bewahren. Es hat sich durch Kyrill gezeigt, wie wichtig es ist, in einer Ausnahmesituation wie dieser strukturiert und besonnen vorzugehen. Was mir besonders positiv in Erinnerung geblieben ist, ist der enorme Zusammenhalt, der durch Kyrill entstanden ist – sei es innerhalb des Landesbetriebes oder auch der Waldbesitzer: Stichwort Solidargemeinschaften. Ein solches Ereignis schweißt zusammen. Als wertvoll hat sich auch die Lebendkonservierung herausgestellt, da sie Holz im Wald ohne Schadverluste länger bewahrt. Prophylaktisch gesehen, wäre auch die Schaffung einer geeigneten Notfall-Infrastruktur wünschenswert, jedoch redet man dann über sehr hohe Investitions- und Unterhaltungskosten.