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Josef Vojacek, Generaldirektor Lesy CR © Ondrej Littera

INTERVIEW MIT JOSEF VOJACEK

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Ein Artikel von Gerd Ebner | 10.04.2019 - 10:10

Welche Maßnahmen werden Sie in Ihrer neuen Eigenschaft als Generaldirektor der größten Staatsforstverwaltung Europas setzen?

Es gibt viele Maßnahmen, die wir umsetzen werden. Die Größe und Bedeutung der Lesy CR erfordern, dass ich zunächst die Organisationsstruktur optimiere. Dies umfasst unter anderem ein Geschäftsentwicklungskonzept für 2020 bis 2024, das wir Mitte dieses Jahres vorstellen werden. Inkludiert ist darin unsere Managementstrategie einschließlich des Risikomanagements. 

Wie beurteilen Sie den gesamteuropäischen/tschechischen Rundholzmarkt 2019?

Ich sehe den tschechischen Rundholzmarkt als einen klaren Teil des europäischen Binnenmarktes. Es gibt keinen unabhängigen tschechischen Markt. Nach Jahren störungsfreier Forstwirtschaft befinden wir uns derzeit in einer Situation, in welcher zu 90 % Schadholz anfällt. Die reguläre Nadel- und Laubholznutzung werden verschoben oder ausgesetzt.

Die Menge und Qualität des Käferholzes werden sich heuer und im kommenden Jahr nicht wesentlich ändern. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass sich das Holz in den Außenlagern der Waldbesitzer, aber auch in denen der Verarbeiter sammelt.

Mittelfristig ist es durchaus realistisch, dass Fichtenstämme knapp werden. Unser Ziel ist es, auf dem Markt vorhersehbar zu agieren. Daher wird der Lesy-Holzhandel Teil des Geschäftsentwicklungs-Konzeptes sein.

Wir erkennen weiters eine gewisse Nachfrage aus schadholzfreien Ländern, wie dem Baltikum, aber auch aus sich dynamisch entwickelnden Märkten wie China.

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Bis zu einer 1 Mio. fm Schadholz soll heuer in Quarantäne begast werden © Gerd Ebner

Die Käferkalamität in Tschechien ist beispiellos in der europäischen Forstwirtschaft. Wie hoch waren die Schäden auf den Lesy CR-Flächen 2018? Was müssen Sie heuer befürchten?

Ich kann dieser Aussage nicht zustimmen. Von der Borkenkäferkalamität ist wegen der Trockenheit und extremen Temperaturen das komplette Mitteleuropa betroffen, nicht nur Tschechien. Es ist ein Phänomen, das ab 2014 immer schlimmer geworden ist.

2018 gab es extreme Temperaturen in der gesamten Vegetationszeit. Der Borkenkäfer hat drei volle Generationen entwickelt und die Völkeranzahl hat sich innerhalb eines Jahres auf verhundertfacht. 

In den tschechischen Wäldern wurden 2018 fast 6 Mio. fm Käferholz geerntet. Gleichzeitig bedeutet dies für heuer, dass bereits während des Frühlingsschwarms eine große Anzahl infizierter Bäume vorzufinden sind. Am schlimmsten wäre warmes Wetter im 2. Quartal, da das die rechtzeitige Ernte infizierter Bäume erschweren würde.

Die Situation wird zusätzlich von Sturmschäden verschärft, die Forsttechnikkapazitäten binden und dem Borkenkäfer gute Entwicklungsbedingungen anbieten.

Ich konnte 2018 neuartige Konservierungsmethoden kennenlernen (EDN/Ethannitril). Werden diese Methoden weiterentwickelt?

Die Bewältigung der Situation ist vor allem eine Frage der ausreichenden Erntemöglichkeiten. Gleichzeitig verhindern wir den Befall von Bäumen mit Fallen und wollen so die Schäden minimieren.

Die Quarantäne für infiziertes Holz erfolgt etwa durch chemisches Besprühen von Baumstämmen, Entrinden oder das Verwenden von Insektizidnetzen. Vergangenes Jahr haben wir etwa 20.000 m3 begast. Die Ergebnisse waren positiv. Aber diese Methode hat ihre eigenen Grenzen. Der Anwendungsort muss bis zu zwölf Stunden vor dem öffentlichen Zugang gesperrt werden. In diesem Jahr rechnen wir wieder mit dieser Methode. Wir haben einen öffentlichen Auftrag, heuer über 1 Mio. m3 zu begasen. Die Forstbehörde hat bereits eine Ausnahme erlassen, um die Verwendung von Ethannitril 2019 zuzulassen.

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Eine höhere Baumartenvielfalt soll die künftigen Risiken im Wald minimieren: Die Tanne ist eine Option © Lesy CR

Wie wird Lesy CR in den kommenden Jahren die Wälder verändern, damit diese an den Klimawandel angepasst sind?

Die ersten Klimawandelsymptome in Waldbeständen stellten wir vor etwa 25 Jahren fest. Zunächst waren es nur gleichaltrige Fichtenwälder im Norden Mährens. Damals war es ein Problem zweier Forstverwaltungen. Heute sind die Symptome auf mehr als der Hälfte der tschechischen Waldfläche sichtbar. Wir reagieren vielfältig. Bei der Waldbegründung werden mehr Baumarten eingesetzt. Wir errichten gemischte, artenreiche Bestände, in denen der Anteil an Laubbäumen und Tannen etwa 46 % beträgt. Wir erhöhen diesen Anteil jährlich um ein weiteres Prozent. Das bedeutet nicht, dass wir die Fichte als Baum gestrichen haben. Ich glaube, dass die Fichte immer ihren Platz haben wird: Sei es in Beimischungen, an Orten, an denen sich Fichte auf natürliche Weise verjüngt oder ausreichend Wasser vorhanden ist. Eine kürzere Umtriebszeit wäre eine weitere Möglichkeit.

Ich halte eine „3 mal 20-Strategie“ für sinnvoll: Mindestens drei Bäume sind mit 20 % und die anderen in Beimischungen vertreten. Selbst Pionierbaumarten, wie Birke oder Espe, sind möglich. Erziehungseingriffe werden sehr sorgfältig gesetzt, um das Innenklima nicht zu zerstören. Wir versuchen, das Wasserregime zu optimieren: Kahlschläge bei der regulären Nutzung werden vermieden und es wird mehr auf Naturverjüngung oder Voranbau von Schattenbaumarten gesetzt.

Ist die Praxis des Holzverkaufs mit den Versteigerungen noch zeitgemäß? Gibt es in den Nachbarländern Beispiele, wie die Holzvermarktung eventuell effektiver sein könnte?

Die Am-Stock-Auktion ist eines unserer Holzverkaufsmodelle. Es ist nicht die Hauptvertriebsart, allerdings spielt es in unserer Geschäftsstrategie eine wesentliche Rolle. Wir versuchen jedoch, die Form von Auktionen an das Marktverhalten anzupassen. 

Wir beobachten genau den Grenzpreis, zu dem wir Holz auf dem Markt anbieten möchten. Unsere staatlichen Wälder sind nicht auf ein einziges Geschäftsmodell angewiesen, sondern bieten weitere Modelle, wie Versteigerungen von Fertigsortimenten, den Holzverkauf während fünfjähriger komplexer Forstaufträge und den Direktverkauf von Fertigsortimenten, an.

Bei Holzverkäufen muss man jedenfalls immer die Historie in den einzelnen Ländern berücksichtigen.

Das tschechische Forstgesetz wurde jüngst geändert. Reichen die neuen Bestimmungen, um die Wiederbewaldung der tschechischen Staatsflächen sicherzustellen?

Es ist wichtig, dass die Novellierung des Waldgesetzes bereits vor der Borkenkäfersaison durchgesetzt wurde. Eine grundlegende Neuerung dieser Änderung ist die Möglichkeit, vom Landwirtschaftsministerium abweichende Maßnahmen zu erklären, wenn eine außergewöhnliche Katastrophe auftritt. Die Änderung wird es den Eigentümern ermöglichen, von den normalen Vorgaben abzuweichen, insbesondere beim Schadholzeinschlag und bei der Aufforstung. Der Einschlag eines sterilen Borkenkäferbestandes, der keine Gefahr mehr darstellt, kann auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.

Bei der Wiederbewaldung erlaubt die Änderung den Eigentümern, die gesetzliche Aufforstungsfrist von zwei auf fünf Jahre zu verlängern und ein Wachstum von sieben auf zehn Jahre nach ihrer Gründung zu gewährleisten.

Ich kann garantieren: Wo Wald war, wird ein neuer, abwechslungsreicherer und stabilerer Wald nachwachsen.

In den Vorjahren haben wir Samen aller Waldbaumarten gesammelt. Daher haben wir genug Saatgut.

Bei Walderneuerungen kommen auf uns höhere Auflagen zu, als wir es gewohnt waren. Anstatt 50 Millionen von Pflanzen pro Jahr werden wir weit über 100 Millionen benötigen. Wir werden nicht nur im Frühjahr, sondern auch im Herbst aufforsten.

Was wird sich 2020 in Tschechien ändern, wenn mit Labe Wood ein neues Millionensägewerk starten wird?

Es ist eine gute Nachricht, wenn im Land neue Verarbeitungskapazitäten errichtet werden. Wir begrüßen es, dass ein Investor nach einer längeren Phase gefunden wurde. Wir versprechen uns davon, dass der Wettbewerb verstärkt und der Holzbedarf im Inland gesteigert wird.

Reicht die vorhandene Forsttechnik aus, die Aufgaben zu bewältigen?

Heuer planen wir, anstelle eines langfristigen Einschlags von 8 Mio. fm/J maximal etwa 12 Mio. fm einzuschlagen. Seit dem Wechsel des Generaldirektors haben wir umgehend Maßnahmen ergriffen, die zu einer beschleunigten Beschaffung in den einzelnen Regionen geführt haben. Neben traditionellen Forstaufträgen und Auktionen des stehenden Holzes betreiben wir auch ein dynamisches Dienstleistungs-Beschaffungssystem. Die Abwicklung auch kleinerer Aufträge wurde von der zentralen Ebene in einzelne Regionen verlagert. Dies führte zu einem positiven Effekt: ausreichender Wettbewerb zwischen den Unternehmen. 15 Angebote pro Bestellung sind keine Ausnahme. Im Schnitt haben wir sechs Angebote je Auftrag.

Darüber hinaus haben wir neue Rahmenverträge für die Erntetechnik eingeführt. Derzeit läuft eine öffentliche Ausschreibung für Rahmenverträge für den Holztransport. Im Allgemeinen sind die Verarbeitungskapazitäten in Tschechien jedoch begrenzt. Deshalb versuchen wir, auch im Ausland für unsere Ausschreibungen zu werben.

Wir danken für das Gespräch!

Lesy Ceske Republiky (Lesy CR)

Waldfläche: 1,2 Mio. ha
Einschlag: 8 Mio. fm/J; bis zu 10 Mio. fm 2019
Zuwachs: 9,7 Mio. fm/J
Mitarbeiter: 3538