Lenzing AG

Ein Großer trat ab

Ein Artikel von Gerd Ebner | 04.09.2019 - 08:40
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Im Sinne der Tradition: Nach 26 Jahren Lenzing- Einkaufsleitung übergab Herbert Grill (re.) im Stift Kremsmünster symbolisch den Schlüssel an seinen Nachfolger, Anton Putz © Holzkurier.com

„Das Wachstum der Lenzing AG wäre ohne seinen weitblickenden Einkauf nicht möglich gewesen“, formulierte es Dr. Andrea Borgards, Leitung Global Pulp & Wood, zum Abschied. Lenzing-CEO Dr. Stefan Doboczky ergänzte in seiner Laudatio: „Auf Grill konnten wir uns immer zu 150 % verlassen. Was er sagte, das passierte wirklich.“ Es mag wegen seiner Verlässlichkeit auch im Umgang mit Kunden während der Feierlichkeit spontan zu Standing Ovations gekommen sein – etwas, das im nüchternen forstlichen Umfeld nicht gang und gäbe ist.

Fairness aus Prinzip

„Wir haben immer geholfen, wenn es unseren Zulieferern schlecht ging“, erklärte Doboczky, wofür sein Chefeinkäufer stand. „Das war vielleicht nicht immer der beste Preis für uns, aber Fairness zahlt sich immer aus. Wir setzen daher auf langfristige Vereinbarungen im volatilen Umfeld des Rundholzeinkaufs. Herbert Grill war immer eine Bank, auf die sich das Unternehmen verlassen konnte.“

Einkaufsvolumen mal 2,5

Der viel gelobte Grill schilderte seinen Weg im Wesentlichen in Anekdoten und mit Fotos. Als er 1990 die Leitung des Holzeinkaufs übernahm, benötigte die Lenzing AG 350.000 AMM. Heuer werden es über 800.000 AMM sein, die man verarbeiten wird.Ein einschneidender Moment in seiner Karriere war einmal der „Jahrhundertwinter“ 2005/06. Die achtfache normale Schneemenge führte dazu, dass Lenzing im Februar nur noch für einen Tag ein Rundholzlager hatte. „Ein ungarisches Forstamt lieferte uns in diesem Monat eine ganze Jahresplanmenge“, verdeutlichte Grill, wie sich seine Versorger ins Zeug legten, als es darauf ankam. 

Schon zwei Jahre später war die Situation umgekehrt: „Kyrill warf Millionen Festmeter. Sofort legten wir ein Nasslager an, um den Waldbesitzern helfen zu können“, erinnert sich Grill. Das besagte Lager gibt es immer noch und wird in der derzeitigen Kalamität benötigt. „Der Klimawandel wird dafür sorgen, dass der Wald bunter wird“, lautet Grills Vorhersage. Die Buche ist aus seiner Sicht ein Teil der Lösung und nicht des Problems.

Einer geehrt, der andere krank

Ein weiteres markantes Jahr war 2003, als das Ökostromgesetz gültig wurde. „Mein Bruder bekam das Landesverdienstkreuz verliehen, ich bekam einen Schlaganfall“, scherzte er ob seiner Sorge, immer genug Rohstoff für Lenzing zu erhalten. „Nach einem Jahr paralleler Arbeit“ übernimmt nun Anton Putz die Einkaufsleitung. In seiner Rede betonte er ebenfalls, für Nachhaltigkeit in einem volatilen Markt sorgen zu wollen. Putz ist überzeugt, dass die Lenzing AG mit seinem Produktangebot „genau den Puls der Zeit trifft“. 

Was Putz damit meinte, verdeutlichte CEO-Doboczky. „Jeder Mensch benötigt jährlich 30 kg Fasern – die nicht recycelt, sondern weggeworfen werden.“ Während Polyester im Meer 500 Jahre zum Abbau benötigt, sind es bei Lenzing-Produkten gerade einmal 30 Tage. „Unser Markt wird weiterwachsen. Wir machen nachhaltige Produkte, die abbaubar und kompostierbar sind“, schilderte Doboczky. Dementsprechend sehen die von Doboczky angekündigten Investitionen aus. 400 Mio. € werden es in Prachinburi, 150 Kilometer östlich von Bangkok sein. Es gibt Überlegungen, nahe São Paulo die größte Faserzellstoffanlage der Welt zu bauen. Die finale Investitionsentscheidung wurde noch nicht getroffen.

Bald klimaneutral

Um die Ökobilanz und das Markenimage zu steigern, hat man ehrgeizige freiwillige Ziele: Schon 2030 will man den CO2-Ausstoß halbiert haben. „2050 sind wir dann klimaneutral. Das passt genau zu unserem Rohstoff: Holz besteht aus CO2 und Sonnenlicht."