Tschechien

Es wird immer schlimmer

Ein Artikel von Gerd Ebner | 19.02.2020 - 08:30

Der tschechische Think-Tank Czech Forest erarbeitete eine Prognose, die von einer weiteren Verschärfung der Borkenkäfer-Kalamität in den meisten Gebieten ausgeht. Die Hauptgründe sind: extremer Anstieg der Bestandesbefallsrate, die geschwächten Fichtenbestände aufgrund des Niederschlagsdefizits und die Engpässe in der Kontrolle und Bekämpfung. Trotzdem ist es realistisch, die Kalamität in vielen Bereichen effektiv zu bremsen und so Bedingungen für eine natürliche Verjüngung zu schaffen.

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Czech Forest © Holzkurier

Die Grafik basiert auf mehreren Schlüsseldaten, die Czech Forest analysierte. Zusätzlich zu den Trends wurden geografische Besonderheiten anhand von Fichtenbeständen in einzelnen Höhen und Regionen, des aktuellen Ausmaßes des Befalls, der zeitlichen 

Verteilung der Borkenkäfer-Katastrophe in der Region Vysočina, der Kapazität und den Verarbeitungsmöglichkeiten berücksichtigt. Die Grafik ist nicht das Ergebnis eines mathematisch-statistischen Algorithmus, sondern einer professionellen Diskussion der Czech Forest Think- 

Tank-Mitglieder über die verfügbaren Daten. Es gibt viele Faktoren, welche die zukünftige Entwicklung positiv und negativ beeinflussen können. In diesem Sinne wird auch das Diagramm veröffentlicht.

Verdoppelung von Jahr zu Jahr

Seit 2015 hat sich der Käferholzanfall jedes Jahr ungefähr verdoppelt. Seit 2018 überschreitet die Käferholzmenge die normale Ernte (übliche Normalernte 16 Mio. fm). Im Vorjahr lag die Gesamternte (reguläre Ernte und Schadholz) bei rund 27,5 Mio. fm. 7,5 Mio. fm davon dürften nicht rechtzeitig aus dem Wald entfernt worden sein.

Heuer mehr als 30 Mio. fm

Angesichts des landesweiten Käferbefalls und vieler weiterer Faktoren, wie die unbekämpfte Entwicklung der Käferausbreitung im Nationalpark Ceské Švýcarsko, gehen die Czech Forest-Mitglieder 2019 von einer Gesamtmenge der befallenen Bestände von mehr als 30 Mio. fm aus. Seit 2015 wurden mehr als 40 Mio. fm Käferholz geerntet. Es ist wahrscheinlich, dass die tatsächliche Menge noch höher ist, da Käferbäume nicht als solche gemeldet worden sind.

Man läuft Käfer nur noch nach

Die Befallsrate, die Größe der bewirtschafteten Gebiete und deren Personal ermöglichen seit wenigen Jahren keine rechtzeitige Erkennung aller befallenen Bäume mehr. Die Kapazitäten für eine Wiederaufforstung sind ebenfalls begrenzt. 2018 wurden nur 20 % der Käferholz-Flächen laut LOS VÚLHM restlos vom befallenen Holz befreit.

Hälfte Schäden wegen Besitzstruktur

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© Czech Forest

Fast 20 % der Waldfläche gehören Kleinwaldbesitzern (406.000 Eigentümern), von denen 96 % Wälder mit einer Fläche kleiner 5 ha besitzen. Die wirtschaftliche Lage dieser Kleinwaldbesitzer, mangelnde Kapazität und Informationsdefizite bergen Risiken. Unzureichende Forstschutzmaßnahmen erleichtern die Ausbreitung. Bis zu 50 % der Waldbesitzer haben nicht die Kapazität, das Schadholz rechtzeitig aufzuarbeiten oder ihnen fehlen sogar das nötige Wissen. In Tschechien wird die Bremsung der Käferausbreitung wohl nur in höheren Lagen und bei den Großwaldbesitzern gelingen. 

Politische und rechtliche Maßnahmen können den Waldbesitzern helfen, aber sie haben nur einen vernachlässigbaren Einfluss auf die Verlangsamung des Unglücks.

Enorme Befallsrate

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© Czech Forest

In vielen Käferregionen gilt die einfache Faustformel, dass ein im Frühjahr befallener Baum bis zu zehn neu befallene Bäume verursacht (bei der Ausbildung zweier Generationen pro Jahr). Wendet man dies auf die 6 Mio. fm Käferbäume an (durchschnittliches Stammvolumen 1 fm), die 2018 nicht geerntet wurden, könnten 2019 bis zu 60 Mio. fm bisher nicht betroffenes Holz angegriffen worden werden.

Die tschechischen Sägewerke können rund 11 Mio. fm pro Jahr aufnehmen. Der Export in Nachbarländer wird laut Czech Forest immer schwieriger, da diese Länder selber vom Käferanfall betroffen sind. Insbesondere für kleinere Waldbesitzer wird es zunehmend schwieriger, kleinere Holzmengen zu verkaufen. Das senkt deren Motivation zusätzlich, wirkliche Forstschutzmaßnahmen zu setzen.

Das Feuchtigkeitsdefizit bleibt bestehen. Untersuchungen zeigen jedoch, dass Bäume nach starken Hitzeperioden über mehrere Jahre zum physiologischen Optimum zurückkehren. Winterfröste haben einen großen Einfluss auf die Sterblichkeit von Borkenkäfern bei Temperaturen nahe –20°  C.

Metrologisch war das Vorjahr günstiger als 2018 (später Beginn des Schwarms und nur zwei Generationen, in einigen Gebieten mehr Niederschlag). Trotzdem wuchs die Käferpopulation 2019 nochmals an.

Seit 2018 – Vorratsabbau in Tschechien

Bis 2018 konnte die tschechische Forstwirtschaft als nachhaltig angesehen werden, da trotz verschiedener Katastrophenereignisse eine geringere Menge entnommen wurde, als zugewachsen ist (Zuwachs: ca. 25 Mio. fm/J). Der Holzzuwachs wird sich künftig auf junge Bestände und Laubholzwälder konzentrieren. Das Rundholzaufkommen wird bald limitiert sein. Negative Betriebsergebnisse der Waldbesitzer sind ebenfalls in den kommenden vierzig Jahren sehr wahrscheinlich.

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Quelle: LOS VÚLHM © Holzkurier

Zwischen Prag und Brünn besonders dramatisch

Eine Region, wo der Käferholz-Anfall besonders hoch ist, ist Vysočina (Region Hochland, zwischen Brünn und Prag). Dort gibt es einen besonders hohen Fichtenanteil (66 %) und eine fragmentierte Eigentümerstruktur (60 % nicht staatliche Eigentümer, durchschnittliche Größe des nichtstaatlichen Waldbesitzes: 2,57 ha, 48.000 Waldbesitzer). Hinzu kommen Niederschlagsmangel und überdurchschnittlich hohe Temperaturen. Das katastrophale Ausmaß zeichnete sich 2015 so richtig ab. Seit dem Vorjahr müssen in dieser Region die meisten Fichtenwälder als befallen oder vom Absterben bedroht angesehen werden (ca. 70 Mio. fm).