Niedersächsische Landesforsten

Fichte – quo vadis?

Ein Artikel von Philipp Matzku (für holzkurier.com bearbeitet) | 14.07.2020 - 13:41

Die letzte Reise einer Fichte aus dem Oberharz ist rasch erzählt. Frisch vom Borkenkäfer befallen, wird sie gefällt und auf 11,8 m Länge eingesägt. Ein Langholz-Lkw bringt sie in den niedersächsischen Hafen Nordenham. Dort wird sie zusammen mit 30.000 fm Fichtenrundholz in einem Break-Bulk-Schiff verstaut. Mitte Juli geht die Reise des Rohholzes der Niedersächsischen Landesforsten in den Großraum Shanghai, wo es verarbeitet wird. Fast das Ende der Geschichte.

Aufgewachsen in Hungerjahren

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Harzer Kulturfrauen pflanzen Fichten auf Kahlflächen nach dem 2. Weltkrieg © Niedersächsische Landesforsten

Doch hinter der Lebensgeschichte der 70-jährigen Harzfichte steckt mehr als nur ein schnelles und vorzeitiges Ende. Von einer Kulturfrau 1950 im Revier Dietrichsberg zusammen mit 3000 weiteren Setzlingen gepflanzt, ist die Überlebenschance in der Nachkriegszeit anfangs gering. Die großflächigen sogenannten „Engländer-Kahlschläge“ reichten bis zum Horizont. Wildverbiss und der Sturm Quimburga vom 13. November 1972 konnten dem biegsamen Baum noch keine Nadel krümmen. Erst Luftschadstoffe und der sogenannte saure Regen setzten der Fichte in den 1980er-Jahren zu. Waldkalkungen boten Abhilfe und höhere Umweltstandards führten zu weniger Schadstoffen in der Luft.

Stürme überlebt – an Dürre gescheitert

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Eine von Borkenkäfern befallene Harzfichte von 1950 wartet im Juli 2020 auf ihre Reise nach China © Niedersächsische Landesforsten

Seit 1991 stand die Harzfichte unter dem Regierungsprogramm zum Waldumbau, „LOEWE“. Mit dessen Hilfe sollte die nunmehr 40-jährige Fichte nun offiziell 120 Jahre alt werden und neben ihren 500 Geschwistern als Schattenspender für junge Buchenpflanzen dienen. Borkenkäfer-Massenvermehrungen waren den Forstleuten anhand zahlreicher Ereignisse in den vergangenen Jahrhunderten bereits bekannt. Mit dem Klimawandel hatten aber die wenigsten gerechnet. Weder der Sturm Kyrill im Januar 2007 noch der Sturm Friederike im Winter 2018 brachten die Fichte zu Fall. Erst zuletzt zwei aufeinander folgende Dürrejahre mit viel zu wenig Regen und massenhafter Borkenkäfervermehrung zwangen sie in die Knie.

„Jeder Stamm, der den Harz verlässt und zu einem Holzprodukt verarbeitet wird, ist ein Beitrag zum Klimaschutz“, erläutert Christof Oldenburg, Verantwortlicher Holzverkauf Süd bei den Niedersächsischen Landesforsten. Er stellt die Liefermengen an Fichtenholz für das Holzhandels- und Forstunternehmen Claus Rodenberg Waldkontor, Kastorf/DE, zusammen.

Verschiffung nach China

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Ein Break-Bulk-Schiff  mit vier Ladekränen bringt das Fichtenholz nach Shanghai © Claus Rodenberg Waldkontor

Rodenberg hat das Break-Bulk-Schiff MS Glorious Kauri gechartert, welches Mitte Juli mit Fichten aus Niedersachsen, Hessen und Nordrhein-Westfalen beladen wird. Break Bulk Cargo umfasst Massenstückgut, das keine besonderen Anforderungen an das Schiff oder den Umschlaghafen stellt. Container können nur an darauf spezialisierten Häfen gelöscht werden. Coronabedingt ist die Flotte des norddeutschen Unternehmens auf die vier eigenen Break-Bulk-Schiffe reduziert. Diese transportieren Forstprodukte zu Industrien im Ostseeraum. Nach China liefert Rodenberg ungefähr 1.200 Container pro Monat.

Rodenberg beschäftigt sich schon länger mit dem Gedanken, Rundholz mit Break-Bulk-Schiffen nach China zu transportieren. Neben der Kapazitätsausweitung durch den hohen Schadholzanfall in Mitteleuropa kann er damit auch Kunden beliefern, welche er bisher nicht bedient hat. Ferner ist die Verdoppelung der Frachtkosten auf bis zu 2.500 €/40 ft-Container im ersten Halbjahr ein weiterer Grund, auf Break-Bulk-Charterschiffe zu setzen. Der Großteil des Fichtenrundholzes hat die Containerlänge von 11,8 m. Damit der sogenannte Staufaktor ausgefüllt wird, ist ein kleiner Teil 6 m lang.

Die Fichte wird in China in Sägewerken zu Bau- und Konstruktionsholz für den lokalen Markt verarbeitet. „Die Kunden schätzen das europäische Holz aufgrund der Ausformung und guten Bearbeitung. Nicht zuletzt ist der Preis durch das hohe Holzaufkommen in Europa attraktiv und wettbewerbsfähig – insbesondere mit den Importen aus Neuseeland, Russland und Kanada “, informiert Geschäftsführer Claus Rodenberg.

Die phytosanitäre Begasung bei Break-Bulk-Schiffen erfolgt unter Deck. Rodenberg testet gerade zwei bis drei Varianten der Begasung an Land aus. „Diese dient dazu, Holz auf Deck zu laden, da die Begasung dafür auf dem Schiff nicht möglich ist“, erklärt Peter Buchleiter, Exportleiter der Asienabteilung.