Forsteinrichtung

Wilde Waldinventur

Ein Artikel von Philipp Matzku | 29.10.2024 - 14:52
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Rund 40 Teilnehmer aus  vielen steirischen Forstbetrieben und Behörden kamen zu der Fachexkursion am „Wilden Berg“ in Mautern  © Philipp Matzku

„Ich bin seit April sowohl Leichenbestatter als auch Betreiber eines Baggerunternehmens. Aufgrund der hohen Schadholzzahlen in diesem und den vorangegangenen Jahren sind wir nicht mehr bei einem Plan B, sondern bereits bei einem Plan D“, erklärte Karl Goritschnig, Betriebsleiter der Prinz von Reuss‘schen Forstverwaltung im steirischen Mautern. Die alten Forsteinrichtungsdaten „sind praktisch nicht mehr verwendbar und auch der Hiebsatz ist aufgrund der Kalamitäten nicht mehr anwendbar“, erklärte der Waldbauer aus Leidenschaft.

Der Betrieb umfasst etwa 1900 ha Wald, davon 1260 ha Wirtschaftswald sowie 640 ha Schutzwald, teils im, teils außer Ertrag. Der Hiebsatz liegt bei bis zu 9000 fm/J. Man sei „ein wichtiger Lärchenholzlieferant, aber auch 60% des Bestands bestehen aus Fichte“, betonte Goritschnig. Die Naturverjüngung wird dort, wo möglich und forstlich sinnvoll, forciert und eine 100%-Beschirmung angestrebt. Rund 100.000 Besucher besuchen jährlich den Wildpark „Der wilde Berg Mautern“, nutzen die Sommerrodelbahn oder die Mountainbikestrecke. „Die forstliche Nutzung der 62 ha Kernzone sowie die Holzabfuhr sind aufgrund der vielen Touristen sehr schwierig“, betonte Heinrich Reuss, Eigentümer der Prinz von Reuss‘schen Gutsverwaltung.

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Christoph Gollob von der BOKU erklärt die Historie und Methodik der digitalen Waldinventur © Philipp Matzku

Für Goritschnig sollte die digitale Waldinventur unkompliziert sein und die Bestandsentwicklung dynamisch abbilden. Dies würde helfen, „Herausforderungen proaktiv zu begegnen und effiziente Lösungen zu finden. Die digitale Erfassung von Forststraßen, Gebietsgrenzen und einzelnen Bäumen würde uns bei der Planung einer klimafitten Waldbewirtschaftung enorm unterstützen“, führte Goritschnig weiter aus. Zu den Maßnahmen zählen für ihn beispielsweise die Überführung von einem Altersklassen- in einen Dauerwald, die Verkürzung der Umtriebszeit sowie das Erkennen eines unterdurchschnittlichen Zuwachses aufgrund falscher Provenienz.

Die digitale Waldinventur mithilfe terrestrischer (TLS) und personengeführter Laserscanner (PLS) findet zunehmend ihren Weg in die Forstpraxis. Dr. Christoph Gollob vom Institut für Waldwachstum an der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien wies darauf hin, „dass die lasergestützte Datenerhebung bereits die Erstellung eines digitalen ‚Waldzwillings‘ ermöglicht“. Stichprobeninventuren mit PLS können schneller als manuelle Erhebungen durchgeführt und forstliche Kennzahlen großflächig berechnet werden. Einzelbaumdaten, wie Höhe, Durchmesser oder Kohlenstoffspeicherung, lassen sich ebenfalls erfassen. Bei der großflächigen Erfassung ganzer Waldbestände oder Forstbetriebe kommt das Airborne Laserscanning (ALS) zum Einsatz, wobei die Daten mithilfe von Flugzeugen oder Drohnen erhoben werden. Ein Vorteil der Methode ist aus seiner Sicht das schnelle und genaue Bestimmen des Holzvolumens auf Schadholzflächen. Durch Machine Learning ist es möglich, bis zu 90% der Baumarten zu klassifizieren. Fehler von 5 bis 10% sind laut Gollob kein Grund zur Sorge. Auch bei einer traditionellen Forsteinrichtung ist die Fehlerquote ähnlich hoch.

Hindernis Anschaffungskosten

Die Anschaffungskosten für mobile Scanner, die bei 50.000 € liegen, stellen für viele Betriebe noch ein Hindernis dar. Große Betriebe (ab 3000 ha) können sich ein eigenes System leisten. „In zehn Jahren werden die Kosten kein entscheidendes Thema mehr sein“, zeigte sich Rafaela Rothwangl vom Waldbüro RG ZT in Rettenegg zuversichtlich. „Eine effektive Inventur, ob digital oder traditionell, ist nur dann nützlich, wenn die erhobenen Daten gezielt verwendet werden.“ Ein gutes Forst-GIS sollte daher laut Rothwangl in jedem Betrieb vorhanden sein.

Laufende Inventur

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Viel Fachkompetenz bei den Referenten: Christoph Gollob, Rafaela Rothwangl, Simon Gerhardter, Heinrich Reuss, Karl Goritschnig, Martin Steinkellner sowie Carl Prinz von Croy (v. li.) © Philipp Matzku

Alle Referenten waren sich einig, dass frei übertragbare Daten und Datenschnittstellen nötig sind, um auf alle am Markt befindlichen Programme zugreifen zu können. „Die Entwicklung neuer Methoden zur Berechnung klimarelevanter, forstökonomischer Parameter schreitet ständig voran. Bereits jetzt lassen sich mit Smartphones und Tablets einfache Laserscans durchführen, die Forstbetrieben einen niederschwelligen Zugang zu einer digitalen Inventur ermöglichen“, fügte Gollob hinzu. Ein weiterer Trend geht in Richtung kontinuierlicher Inventur, da der aktuelle Zustand von Waldflächen durch digitale Inventur leichter gehalten werden kann.

Biodiversität – mehr als nur Trend

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Steinkellner, Rothwangl und Gerhardter erörtern, wie datengetriebene Methoden die Waldbewirtschaftung unterstützen können © L&F Betriebe Steiermark

Bei der Forsteinrichtung steht meist der wirtschaftliche Gedanke im Vordergrund. Die Erhebung zentraler Biodiversitätsfaktoren, wie der Baumartenmischung oder des Totholzbestands, wird in der forstlichen Praxis jedoch zunehmend wichtiger. Eine automatisierte Erfassung durch digitale Methoden ist bisher nur begrenzt möglich. Revierförster haben meist ein persönliches Wissen über die Biodiversität in ihren Beständen, das jedoch selten auf konkreten Zahlen beruht.

„Angesichts des wachsenden öffentlichen Interesses am Thema Waldbiodiversität ist es aber ratsam, auch Daten zu diesen Kennzahlen zu sammeln. Dazu zählen stehendes sowie liegendes Totholz, Habitatbäume und der Schichtaufbau sowie der Kronenerschließungsgrad“, erläuterte Martin Steinkellner von der Abteilung Waldbiodiversität und Naturschutz am Bundesforschungszentrum für Wald (BFW), Wien. Richtwerte sind etwa 20 fm/ha Totholz in montanen und 30 fm/ha in gemischten submontanen Beständen sowie fünf Habitatbäume pro Hektar. Viele Forstbetriebe rechnen in Zukunft mit der Einführung von Kohlenstoffzertifikaten, bei denen Erhebungen von Biodiversitätsfaktoren und das Wissen über Kohlenstoffspeicherung in einzelnen Bäumen eine wichtige Rolle spielen könnten.