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Andreas Januskovecz, Stadt Wien, sowie Johannes Schima, BML, informierten über die EU-Renaturierungsverordnung (v. li.) © Philipp Matzku

EU-Renaturierungsverordnung

„Kommt ein Vogel geflogen...“

Ein Artikel von Philipp Matzku | 28.01.2025 - 14:48

„Die Verordnung gibt uns viel Spielraum. Wir können aktiv an den konkreten Zielen und der Strategie zu deren Umsetzung mitarbeiten und somit eine gestaltende Rolle übernehmen“, erklärte Andreas Januskovecz, Forstdirektor des Land- und Forstbetriebs der Stadt Wien. „Nichts zu tun ist nicht sinnvoll. Andernfalls schreibt uns Brüssel nicht nur die Ziele, sondern auch die Methodik zu deren Erreichung vor – und das kann nicht im Interesse Österreichs sein“, ergänzte Johannes Schima, stellvertretender Sektionsleiter Forst im Bundeslandwirtschaftsministerium (BML).

Allgemeine Ziele und Zeitplan

Juristisch ist die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur eine direkt wirksame Rechtsvorschrift und keine Richtlinie, die erst durch nationale Rechtsakte umzusetzen ist, wie beispielsweise die Natura 2000-Richtlinie. Während der Naturschutz in Österreich in den Entscheidungsbereich der Länder fällt, ist der Bund der Ansprechpartner der EU-Kommission. Eigene Fördermittel sind für die Umsetzung der Renaturierungsverordnung derzeit nicht budgetiert. Es sind aber EU und andere Fördertöpfe inhaltlich auch für die Renaturierung wirksam.

Bis zum 1. September 2026 soll Österreich der EU-Kommission einen nationalen Wiederherstellungsplan samt Strategie bis 2032 vorlegen. Ziele der Verordnung sind unter anderem wirksame, flächenbezogene Wiederherstellungsmaßnahmen auf 20 % der Landesfläche innerhalb der EU-Staaten bis 2030 sowie die Renaturierung aller ökologisch beeinträchtigten Ökosysteme bis 2050. Ein weiteres Ziel ist die Wiederherstellung von Lebensraumtypen in schlechtem Zustand und die Verbesserung spezifischer Waldindikatoren. „Dafür werden Waldmanagementmaßnahmen zu finden sein, die dem Naturschutz dienen“, informierte Schima. „Es geht um Naturschutzmaßnahmen. Wir müssen die Donauinsel in Wien nicht zurückbauen – das ist Hochwasserschutz“, betonte Januskovecz.

„Das BML setzt beim Natur- und Biodiversitätsschutz auf Konsens, Motivation und Bewusstseinsbildung statt auf neue Vorschriften für land- und forstwirtschaftliche Betriebe“, sagte Schima. Förderungen, leistungsbezogene Abgeltungen für Ökosystemleistungen sowie finanzielle Entschädigungen seien daher essenzielle Instrumente.

Von Waldvögeln und anderen Forstindikatoren

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Der Buntspecht ist ein typischer Waldvogel, der auch in Städten zu finden ist © Pixabay, HE1958

Ein zentraler Messparameter zur Bewertung der Wiederherstellung von Waldökosystemen sei der „Index häufiger Waldvogelarten“. „Wir diskutieren derzeit mit Stakeholdern, welche Leitvogelarten im Wald vorkommen und wie sie erfasst werden können. Der Index ist durchaus sinnvoll, da er der Bevölkerung leicht verständlich ist. Allerdings ist die Methodik des bestehenden Woodland Bird Index von BirdLife International verbesserungswürdig, da Waldvögel von vielen Faktoren außerhalb des Waldes und seiner Bewirtschaftung beeinflusst werden“, erklärte Schima. Laut Vogelschutzrichtlinie beherbergt Österreich 89 besonders geschützte Vogelarten. Weitere relevante Indikatoren für die Wiederherstellung von Wäldern sind stehendes und liegendes Totholz, Baumartenvielfalt, der Anteil heimischer Baumarten, die Altersstruktur der Wälder, die Waldvernetzung sowie der Vorrat an organischem Kohlenstoff im Boden. Viele dieser Indikatoren werden von größeren Forstbetrieben bereits im Rahmen der Forsteinrichtung erfasst. „Wichtig ist jedoch, welche Werte in welchen Zeiträumen erhoben werden sollen“, gab Januskovecz zu bedenken und ergänzte: „Beim liegenden Totholz gibt es Nachholbedarf, über den CO2-Vorrat im Boden wissen wir praktisch nichts, und der Aspekt der heimischen Baumarten sowie deren Klimaresilienz wird kontrovers diskutiert.“

Guter Waldzustand

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Innerhalb der Stadtgrenzen besitzt Wien 8700 ha Wald – Tendenz steigend  © Lois Lammerhuber/Photoagentur Lammerhuber

Der allgemeine Zustand der österreichischen Wälder sei jedoch gut, betonten beide Referenten. Eine positive Formulierung der Problematik sei sinnvoll, da sie im Rahmen der EU-Renaturierungsverordnung mehr Flexibilität bei den Maßnahmen ermögliche. Fast die Hälfte der Staatsfläche Österreichs (4 Mio. ha) ist von Wald bedeckt. Der stehende Holzvorrat im Ertragswald beträgt 10,5 Vfm/ha. Laut der Österreichischen Waldinventur (ÖWI) weisen 61 % dieser Flächen eine natürliche oder naturnahe Baumartenzusammensetzung auf. Nur 7 % sind Sekundärwälder, meist nicht autochthone Fichtenreinbestände. 13 % der Waldfläche – in Österreich sind 291 Schutzgebiete als Natura-2000-Gebiete ausgewiesen, von denen ein Großteil in Privatbesitz ist. Zusätzlich gibt es 200 Naturwaldreservate mit einer Gesamtfläche von 9079 ha. „Diese Flächen machen jedoch nur 0,8 % des Waldes aus – meist in den Kernzonen der Nationalparks. Wir leben seit Jahrhunderten in einer vom Menschen geprägten Kulturlandschaft. Naturschützer sehen forstwirtschaftliche Nutzung oft bereits als Störung an. Dennoch haben wir in Österreich eine hohe Biodiversität – trotz oder gerade wegen der Waldbewirtschaftung. Auch dieses Thema ist umstritten“, hob Schima hervor.

Mehr Bäume braucht das Land

Die Verordnung sieht außerdem die Pflanzung von insgesamt 3 Milliarden zusätzlichen Bäumen in der EU vor. Doch bleibt unklar, ob es sich dabei um Aufforstungen, Wiederaufforstungen nach Schadereignissen, die Ausweitung städtischer Grünflächen, Grenzertragsböden oder Schutzwaldsanierungen handelt. Wie so oft in der Verordnung gibt es auch hier Interpretationsspielraum.